Tichys Einblick
Stellvertreter-Bashing

Westweltweite Hysterie um Donald Trump

Nun kämpft also der SPIEGEL an vorderster Front gegen Donald Trump. Etliche Titelgeschichten allein in den vergangenen paar Monaten, eine schlimmer als die andere. Trump ankläffen, um die heimische Politik-Misere für sich selbst zu übertönen? Pure Tapferkeit.

© Getty Images

Jetzt lassen wir mal die Trump’sche Politik für einen Moment beiseite. Und fragen lieber, wie es überhaupt möglich sein kann, unter diesen Umständen eine irgendwie vernünftige Arbeit abzuliefern, wenn man auf diese Weise weltweit unter Dauerfeuer der Medien gestellt wird. Trumps Einstellung den Medien gegenüber ist hinlänglich bekannt. Aber was war zuerst? Das Huhn oder das Ei? Begann es mit Trumps Wahlkampf-Pöbeleien gegen die Presse oder mit einer Pöbelei gegen Trump, als der seine Präsidentschafts-Kandidatur anpeilte?

Klar, man hätte annehmen können, nach dem Wahlsieg würden sich seine Widersacher geschlagen zurückziehen und erst einmal schauen, was der New Yorker im ersten Jahr seiner Amtszeit zu Wege bringt. Aber offensichtlich wurde seine Vereidigung noch einmal mehr zum Initial für weitere Eskalationsstufe. Der geschlagene Hund beißt. Aber wer ist der Hund? Trump oder die Presse?

Jeder sieht seinen eigenen Film
Trump und die Illusion der Realität
Kümmern wir uns hier mal nicht um die Frage seiner Zurechungsfähigkeit. Denn sogar die wurde gestellt von einem Psychologie-Professor John D. Gartner live in den US News. Und willfährig aufgenommen von einer Weltpresse, für die hier einmal exemplarisch der deutsche Spiegel Online stehen soll. Nehmen wir nur einmal Donnerstag den 24. August, 8 Uhr früh.

Man will es kaum glauben, wen man es nicht der Reihe nach durchgehen würde. Und man kann sich ausrechnen, was erst in der Presselandschaft der Vereinigten Staaten kübelweise ausgekippt wird, wenn es im fernen Deutschland bereits so entfesselt tobt wie im Hamburger Magazin.

Schlagzeile Nr. 1 Trump: Einsam, zornig, brandgefährlich. Abgebildet dazu ein Präsident mit verzerrtem Gesicht und die Information, seine Gegner würden schon Szenarien für seine Ablösung durchspielen. Trump sei ein Präsident, der bislang praktisch keine Erfolge vorzuweisen habe. Er verfolge eine Chaos-Strategie. Die wichtigsten Republikaner in Washington seien nur noch genervt von ihrem Präsidenten, sie empfänden ihn als Störenfried und Belastung. Die demokratische Opposition fordere eine „psychiatrischen Untersuchung“ (sic!) und der frühere Geheimdienstchef der Regierung mache sich erhebliche Sorgen, dass Trump die nuklearen Codes in den Händen halte.

Schlagzeile Nr. 2 „Protest in Phoenix. Trump hat uns schon zu lange terrorisiert.“ Der Bürgermeister wollte ihn nicht in seiner Stadt, Trump kam aber trotzdem. Ein Videoeinspieler bei SPON.

Schlagzeile Nr. 3 „Rassismus in den USA. Was wurde aus Dorothy Counts?“ Counts war die erste Farbige, die sich unter lautem weißen Gegröhle ihren Highschool Platz erkämpft hatte. Und hier die Frage des Spiegel: „Wie geht es ihr heute in Zeiten von Trump?“

SPON-Schlagzeile Nr.4 „Frühere CIA Agentin will Twitter kaufen und Trump verbannen.“

Schlagzeile Nr. 5 „US-Autor Kurt Anderson über Trump: Er zapft einen amerikanischen Mythos an.“

Schlagzeile Nr. 6 Kanzlerkandidat Schulz will US-amerikanische Atomwaffen aus Deutschland verbannen. „Schulz-Vorstoß zu Atomwaffen. Klingt gut, wird aber nichts.“ Im Artikel heißt es: „Die Forderung nach dem Abzug der US-Atomwaffen passt seinen Wahlkampfstrategen offenbar in das Konzept der SPD als „Friedenspartei“ – zumal in Zeiten eines erratisch operierenden US-Präsidenten Donald Trump und vor dem Hintergrund der nuklearen Aufrüstung in Nordkorea und eines möglichen Krieges mit Nuklearwaffen.“

Schlagzeile Nr. 7 „Atomic Blonde mit Charlize Theron. Kälter als der Kalte Krieg“. Oder nein, hier geht es ausnahmsweise einmal nicht um Donald Trump. Hier wird nur ein neuer Hollywoodstreifen vorgestellt. „Als hyper-effiziente und hyper-brutale Agentin metzelt sich Charlize Theron in dem Action-Reißer „Atomic Blonde“ durch ein Berlin kurz vorm Mauerfall.“

Kampfbegriff schadet der politischen Kultur
Abschied vom Populismus
Damals, als Goerge Bush gerade Ronald Reagan ablöste, als der die zulässigen zwei Amtszeiten hinter sich gebracht hatte. Jener Ronald Reagan, der wahrscheinlich auf eine Weise ins Fadenkreuz einr oppositionellen Presse genommen wurde, wie noch kein US-Präsident vor ihm. Wohl nicht einmal Richard Nixon konnte soviel Hass auf sich vereinen. Was nun allerdings gegen Donald Trump in Stellung gebracht und abgefeuert wird, dürfte selbst einen Reagan wie einen amerikanischen Musterpräsidenten aussehen lassen. Immerhin gilt der heute als US-amerikanisches Pendant zu Margret Thatcher, steht für einen entfesselten Neoapitalismus, für Privatisierung von Staatsbetrieben, eben für die von ihm eingeleiteten Reaganomics.

Aber es war George Bush, der auf Reagan folgte. Es war Bush Senior, der diesen blutroten Krieg für Öl entfesselte. Einen Krieg, der alleine im Irak zwischen einhunderttausend bis zu einer Million Zivilisten das Leben kostete. Einen Krieg, der am Anfang einer Kette von Verheerungen stand. Eine erste Station weiterer Desaster, mit denen sich die Weltgemeinschaft heute auseinander setzen muss, mit denen sich jeder weitere US-Präsident auseinanderzusetzen hat. Mit denen sich auch ein Donald Trump auseinandersetzen muss. Nur wie soll das unter den Umständen auf irgendeine Weise vernünftig funktionieren?

Die umstrittene US-Journalistin und Autorin Diana Johnstone erklärt es eine Woche nach der Wahl so: „Der unerwartete Schock des Sieges von Donald Trump (…) hat eine weitverbreitete Hysterie ausgelöst, bei der in Tränen aufgelöste Massen auf den Straßen gegen den Wahlausgang protestieren – eine nie da gewesene Reaktion auf ein unumstritten korrektes Wahlergebnis.“

Schlechter Rollentausch
"Wie die Medien zu Parteien wurden"
Nun kämpft also der deutsche SPIEGEL an vorderster Front gegen Donald Trump. Etliche Titelgeschichten allein in den vergangen paar Monaten. Deutsche Themen kommen hingegen längst nicht mehr vor. Und wenn, dann als Zwischenspiel. Entweder als Schulz-Werbeblock oder als klar wurde, dass der Ex-Bürgermeister von Würselen scheitern wird, weiter die Kanzlerin schonen, Trump kritisieren – den eigenen Chef schützen, indem man ferne Führer kritisiert, scheint das Merkmal der Regierungspresse. Ja, so etwas würde sich Trump wünschen, wenn die Presse so anhaltend Kim Jong-un auf’s Korn nähme. Oder Putin. Nein, den vielleicht lieber nicht. Aber irgendwas ist schief gelaufen, seit der 45. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt wurde. Hüben wie drüben.

Und weil es der Spiegel in aller ihm zur Verfügung stehenden Penetranz nun vorgemacht hat, möchte mit dem Stern der ewige Zweite auf dem bundesdeutschen Wochenblattmarkt nicht nachstehen. Aber wie eskaliert man eine Eskalation? Na klar, man gibt den Hitler dazu. Und strenggenommen eine strafbare Handlung gemäß § 86a Absatz 1 und 2 StGB und § 130 StGB, dem Zeigen des Hitlergrußes. Aber wird sich ein Ankläger finden, der Donald Trump verklagt, weil er auf dem Cover des aktuellen Stern, eingehüllt in die Stars und Stripes mit Hitlergruß abgebildet wird? Headline des Stern dazu: „Sein Kampf. Neonazis, Ku-Klux-Klan, Rassismus: Wie Donald Trump den Hass in Amerika schürt.“ Was Frau Merkel wohl bei der Betrachtung des hitlerisch grüßenden New Yorkers denken mag, sie kennt das ja allzu gut von polnischen Gazetten, die ihr gerne mal das düstere Stutzbärtchen aufs blütenweiße Philtron kleben, ohne je dafür belangt worden zu sein.

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