Dass der Blick in die etablierten Medien mitunter nicht leicht fällt, ist längst kein Geheimnis mehr, was uns allerdings zuletzt ein Leser zusandte, dürfte noch einmal auf besondere Weise geeignet sein, den allgemeinen Überdruss und Abscheu für eine entglittene Art Journalismus zu erklären.
Unser Leser sendet uns Zeitungsausschnitte eines Leitartikel-Kommentars, aufgeschrieben von Matthias Koch, Chefautor für das RND (Redaktionsnetzwerk Deutschland) und schreibt uns dazu:
„Sollten Sie nicht schon selbst darauf aufmerksam geworden sein, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass RND im heutigen Leitartikel seines Zeitungs-Netzwerkes zu Gewalt gegen friedliche Demonstranten auffordert (Wasserwerfereinsatz bei Corona-Großdemonstrationen).
Das ist eine journalistische Grenzverletzung, die gerade bei Lesern der Leipziger Volkszeitung Erinnerungen an den Herbst 1989 wach ruft, als ein vermeintlicher Kampfgruppenkommandeur in der LVZ mit Gewalt gegen Montagsdemonstranten drohte. Als Brancheninsider mit 30jähriger Berufserfahrung möchte ich an dieser Stelle noch kurz erläutern, dass Wasserwerfer Distanzwaffen sind, die nur dann zum Einsatz kommen dürfen, wenn es etwa durch Stein- oder Flaschenwürfe zur Gefährdung von Polizeibeamten oder unbeteiligten Personen kommt. Keinesfalls dürfen Wasserwerfer zur Auflösung friedlicher Demonstrationen verwendet werden.“
Was hatte Koch da aufgeschrieben? Der Journalist ist ja beim RND nicht irgendwer, als Chefautor der Madsack-Gruppe ist er schon seit Gründung 2013 Teil des RND, übernahm dort die Führungsrolle und trägt also in besonderem Maße Verantwortung, was inhaltlich passiert. Wenn Koch also daneben haut, dann trifft es das Netzwerk in seiner Gesamtheit. Der Vorsitzende der Konzerngeschäftsführung sagte 2013 noch über Koch, der stehe für „den inhaltlichen Qualitätsanspruch des RND“, „er genießt hohes Ansehen als Journalist und Kenner der politischen Szene.“
Was aber hat nun unseren Leser am Leitartikel dieses ausgewiesenen Leitsterns des Redaktionsnetzwerkes der Madsack-Gruppe so aufgeregt?
Matthias Koch kommentiert – etwas später freilich als viele andere Medien – die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen in Berlin. Und er ist offensichtlich kein Freund solcher regierungskritischer Demos, er wünscht explizit und in anmaßendem Tonfall den Einsatz von Wasserwerfern gegen solche Demonstranten. Also auch gegen Alte, Frauen, Mütter und Kinder – jedenfalls, wenn man sich die Teilnehmer in Berlin der vorausgehenden Demos noch einmal vergegenwärtigt.
Er fordert zunächst in besagtem grenzwertigem Tonfall:
„In Auseinandersetzung mit Infektionsschutzgegnern müssen neue Saiten aufgezogen werden.“
Lassen wir mal beiseite, dass schon die Bezeichnung „Infektionsschutzgegner“ eine Herabwürdigung von Bürgern ist, die einfach nur ihr per Grundgesetz garantiertes Demonstrationsrecht wahrnehmen, und dass hier allenfalls erstaunt, warum Koch nicht gleich von Corona-Leugnern schreibt, sondern zusätzlich „nur“ von „Rechtsradikalen“. Nein, interessanter ist, wie diese neuen Saiten bei Matthias Koch an der Spitze des RND tatsächlich und im Wortlaut aussehen sollen:
„Offensichtlich ist bei Bußgeldern für Maskenverweigerer noch Luft nach oben. Schließlich muss auch geklärt werden, was geschehen soll, wenn Verschwörungstheoretiker erneut ihr unbezweifelbares Demonstrationsrecht missbrauchen zu infektionsrechtlich unzulässigen Superspreader-Events. Die Wahrheit ist: Da kann auch mal der Einsatz von Wasserwerfern geboten und polizeirechtlich angemessen sein. Zeichen setzen dürfen nicht nur die Abgedrehten.“
Ignorierend, dass hier schon die gesamte arrogante wie eitle Tonalität widerlich ist, viel schlimmer ist diese erschreckend offensichtliche Missachtung demokratischer Rechte – eine journalistische Schlechtleistung allererster Güte, die unbedingt und offiziell zu rügen wäre, so es funktionierende Kontrollmechanismen in freiwilliger Selbstkontrolle überhaupt noch gibt.
Ach, es ist ja auch noch feige dazu: Denn wo war die Forderung nach neuen Saiten von Koch, als beispielsweise viele Tausende bei Black-Lives-Matter-Demonstrationen ebenso wie bei Gegendemonstrationen gegen Maßnahmen-Gegner viel zu eng beieinander und vielfach dokumentiert ohne Mund-Nasen-Schutz demonstrierten? Da war Matthias Koch in Deckung. Warum?
Es muss in aller Deutlichkeit gesagt sein: Der Journalist Koch bewirbt sich mit seinem neuesten Leitartikel als Hilfs-Regierungssprecher aus der Privatwirtschaft heraus. Oder er bewirbt sich für sein Netzwerk schon um eine Führungsrolle in den öffentlich-rechtlichen Medien von morgen, dann, wenn solche Netzwerke als große Medienverteilstationen Regierungshaltung nach chinesischem Vorbild in die Gazetten spritzen wie Wasser aus Wasserwerfern.