Die Berichte aus Italien sind alarmierend: Mit der ruhigen Jahreszeit und der zunehmenden Professionalisierung des Shuttle-Service über das Mittelmeer nimmt die Zahl der irreführend „Flüchtlinge“ genannten illegalen Einwanderer in Italien dramatisch zu. Weil sich Frankreich und Spanien weigern, die „Flüchtlingsboote“ bei sich anlanden zu lassen, ist Italien das große Zielland – und droht offen, die Ankommenden Richtung Norden weiterzuleiten.
Warten auf die Bundestagswahl
Jetzt muss wohl von Regierungsseite alles getan werden, eine sich anbahnende neue große Einwandererwelle wenigstens so lange zu verschleiern, bis die Bundestagswahlen vorbei sind. Aber geht das noch, wenn sich die Nachrichten aus dem europäischen Ausland und via Internet überschlagen?
Und werden die deutschen Leitmedien erneut für die Kanzlerin Schmiere stehen in Vogel-Strauß-Manier? Jedenfalls wird auch für die Medien die Luft im zweiten Durchgang dünner, wenn beispielsweise mit der Otto-Brenner-Stiftung ein weiterer einflussreicher Refugees-welcome-Akteur versucht, Land zu gewinnen mit einer Studie, die laut Die ZEIT die Rolle der Medien in der „Flüchtlingskrise“ so umschreibt: „Zeitungen waren eher Volkserzieher als kritische Beobachter (…) Statt einen offenen Diskurs zu ermöglichen, haben sie ihn erstickt.“ Die Frage ist allerdings, ob 2017 der Diskurs dann nicht doch stattfindet – notfalls ohne die regierungstreuen Medien der Schönredner.
Nicht nur in Deutschland. Österreich hat schon einmal vorsorglich alle Maßnahmen getroffen, die es ermöglichen, den Brenner-Pass kurzfristig schließen zu können, sollte Italien erneut versuchen, Flüchtlinge durchzuwinken. „Wir sind vorbereitet, das geht auf Knopfdruck.“, droht der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP). „Binnen 24 Stunden können wir mit Soldaten die grüne Grenze abriegeln und mit Zoll und Polizei scharfe Grenzkontrollen realisieren.“ Sagt Innenminister Sobotka gegenüber der Bild. Panzer, wie ursprünglich angekündigt, werden nicht aufgefahren, das braucht es angesichts der bereits vorbereiteten Stahlzäune und es unwegsamen Gebirges auch gar nicht.
Italien verlangt Soforthilfe
Italien verlangt jetzt verzweifelt Soforthilfe von den Ländern der Europäischen Union. Aber Frankreich und Spanien haben trotz warmer Solidaritätsbekundungen schon mal abgelehnt, ihre Häfen für den Taxi-Service per Boot zu öffnen: Erst Schlauchboot, dann NGO-Rettungsboot, dann italienische Küstenwache – in dieser Abfolge vollzieht sich der gutorganisierte Transfer aus Nordafrika. In dieser Lage meint Italien damit also offensichtlich hauptsächlich Deutschland, denn einen funktionierenden Verteilungsschlüssel gibt es nach wie vor nicht und wird es in naher Zukunft wohl auch nicht geben. Das Wunschziel der Migranten ist sowieso mehrheitlich Deutschland.
Ministerpräsident Paolo Gentiloni weiß sich nicht mehr anders zu helfen, als damit zu drohen, dass die Aufnahme- und Hilfsbereitschaft der Italiener in Kürze in Ablehnung umschlagen könnte. Ein Appell also an ein Reload von Merkels angeblichen humanitären Imperativ, wie man in klarer kaum aussprechen kann.
Die internationale Organisation für Migration (IOM) berichtet aktuell über „Arrivals to Italy“ in 2017, es wären knapp einhunderttausend Migranten registriert worden. Im gesamten Zeitraum von Januar 2015 bis heute waren es ungefähr eine halbe Million. Zahlen, die man nur noch ins rechte Verhältnis setzen muss, um das Ausmaß kommender Bewegungen Richtung Italien zu erahnen.
Die Angst vor Überforderung wächst
Aber nicht nur die eingangs erwähnte Otto-Brenner-Stiftung hat nun Skrupel bekommen. Mit dem Hamburger Magazin SPIEGEL suggeriert ein weiterer bedeutender privater Akteur der ersten großen Merkelschen Einwanderungswelle einen Konfrontationskurs gegenüber der Kanzlerin, indem es explizit über die sich anbahnende neue Migrationswelle berichtet und die erneute Verweigerung geeigneter politischer Maßnahmen durch die Bundesregierung folgendermaßen umschreibt: „Flüchtlingskrise im Wahlkampf. Verdrängen, wegducken – und hoffen, dass nichts passiert. (…) Käme es tatsächlich zu einem neuen Flüchtlingstreck, hätte Merkel ein Problem.“
Befindet sich Europa und insbesondere Deutschland nun in den Klauen weiniger NGOs, die vor der libyschen Küste einen Menschentransfer ungeahnten Ausmaßes betreiben? Die Dringlichkeit jedenfalls, die beispielsweise der deutsche Innenminister in der Sache an den Tag legt, scheint zu belegen, was da auf Europa zukommt, wenn Thomas de Maizière ein hartes Vorgehen nun nicht mehr nur gegen Schlepper, sondern auch gegen die mit schleppenden NGOs anmahnt. Für die Spitzenkandidatin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt freilich verwerflich: „Anstatt die Menschen, die Flüchtlinge aus Seenot retten, zu beschimpfen, sollte der Bundesinnenminister ihnen Dank und Respekt zollen.“
Schon richten bayrische Gemeinden, aufgeschreckt von den Warnmeldungen aus Italien und Österreich, dramatische Appelle an die Bundeskanzlerin, einen neuen massenhaften Zustrom von Flüchtlingen zu verhindern. Es sei schon jetzt absehbar, dass die Asylbewerber, die in Italien ankommen, nach Deutschland weiterreisen, ergänzt der Bürgermeister von Abensberg, Uwe Brandl. Aber was gilt schon die Mutmaßung eines Provinzobersten. Noch dazu, wenn sich die Gemeinde noch Ende 2015 so optimistisch zeigte, als man der Presse stolz verkündete „bislang gelang es immer, Helfer zu finden, die für die Menschen bereitstehen, die oft nach waghalsiger und beschwerlicher Flucht bei uns auf ihre Anerkennung als Asylsuchende hoffen.“
Aber genau das wird immer schwieriger: Bei einem Notfall funktioniert die Zivilgesellschaft in Bayern hervorragend – aber einen Dauernotstand, der von Berlin aus den Menschen zugemutet wird, kann sie nicht bewältigen. Das gilt nicht nur in Bayern: in Ludwigsburg bei Stuttgart spricht der Bürgermeister von einer „Kriegserklärung“, wenn ein neues Flüchtlingsheim in der Stadt errichtet werden sollte. Die bisherigen Integrationsbemühungen wären damit hinfällig.
Die Tonlage ändert sich. Hört Merkel die Signale? Eine schon sicher gewonnen geglaubte Bundestagswahl kann man auch noch ganz zum Schluss verlieren.