Ja leben wir denn in einer Bananenrepublik? Immer öfter taucht in allen möglichen Foren und auch in den Kommentarspalten von TE die dringlich formulierte Frage auf, wie man denn Wahlbeobachter werden könne. Die Wahl zu beobachten ist tatsächlich gestattet, ohne dass man sich dafür irgendwo anmelden müsste, man geht einfach hin und besteht darauf. Wer mag, steht also um 18 Uhr am Lokal, dann wird formal geschlossen, aber Sekunden später muss bereits wieder für Beobachter geöffnet werden. Und das darf jeder sein ohne Voranmeldung oder Vorbedingungen.
Aber zunächst einmal ist der Bürger ja Wähler. Einen ersten Eindruck, was im Wahllokal passiert, bekommt er an der Urne. Also an diesen grauen, gelben oder weißen geschlitzt-verplombt-gedeckelten Plastikcontainern, auf die mancher Gärtner mit einem gewissen Neid schaut, die aber auch die Müllabfuhr auf Ideen bringen könnten.
Und dann gibt es noch die Wahlhelfer. Ein Anruf beim örtlichen Wahlamt ergibt folgendes Bild für die Bundestagswahl 2017: Der demografische Wandel hat auch hier zugeschlagen. So sah man sich veranlasst, sogar aktiv an Litfass-Säulen Bürger zu werben, sich als Helfer eintragen zu lassen. Motto der Plakate war: „Ein starkes Zeichen für die Demokratie“, gekoppelt an lustig gemeinte Verse wie diesen hier: „Keine Bange! Ihren Prinzen werden Sie nicht verpassen.“ Gerichtet wohl an potentielle Wahlhelferinnen, abgebildet eine Duckface-Dame im Profil, ihr gegenüber ein hässlicher Frosch. Oder alternativ ein älterer Herr mit schütterem Haar, roten Boxhandschuhen (versteckte Wahlwerbung SPD? – Nein, denn kämpferisch ist in der Schulztruppe niemand mehr), ängstlich mürrischem Gesichtsausdruck und dem Satz: „Keine Bange! Sie helfen in einem netten Team.“
Wahlhelfer und Wahlbeobachter
Das Wahlamt requiriert Wahlhelfer wohl auch aus der eigenen Mitte. Stadtverwaltungs-Angestellte, Beamte usw. Aber auf freiwilliger Basis. Weitere willige Bürger kommen hinzu. Wer mag, kann sogar an einer Wahlhelferschulung teilnehmen. Es gibt alkholfreie Getränke: eineinhalb Stunden als so genanntes freiwilliges Präsenzseminar. Zudem wird reichlich Infomaterial verteilt, eine Online-Schulung angeboten, sogar Lernkarten wurden gedruckt.
Die Frage, ob Wahlbeobachter dieses Jahr ein Thema seien, wird bejaht. In diesem Zusammenhang wurden die Mitstreiter extra auf die Wahlhelfer-Hotline hingewiesen, wo diese am Wahltag Störungen sofort melden könnten. Nun sei Wahlbeobachtung zwar Bürgerrecht, aber Wahl und Auszählung dürften nicht behindert werden. Darauf sei zu achten.
Spontan könnte man fragen, warum die OSZE-Beobachter 2017 nicht vorher einfach mal öffentlich-rechtliches deutsches Fernsehen geschaut haben. Hat man möglicherweise sogar. Denn tatsächlich wird als ein Grund für die neuerliche Beobachtung die Rolle der Medien in Deutschland angegeben, da die Berichterstattung von nicht im Bundestag vertretenen Parteien als „stigmatisierend“ empfunden werde.
Wahlbeobachter der OSZE
Damit reagierte die OSZE offenkundig auf Äußerungen der AfD, schreibt die ZEIT. Weil aber wohl nicht sein kann, was berichtet wird, wenn es der AfD zuspielt, wird der Faktenfinder der Tagesschau aktiv. Fakt sei zwar, erzählt man dort, dass der AfD-Bundesvorstand OSZE-Vertretern Mitte Juli eine Dokumentation zu Übergriffen und Gewalttaten gegenüber AfD-Mitgliedern, Störungen bei Veranstaltungen und Sachbeschädigungen übergeben hätte. Aber wenn man nun Beobachter entsende, sei das noch lange kein Grund für die AfD zu jubeln, denn diese Beobachtung sei seit Jahren Routine. Routine auch in „Mitgliedsländern mit etablierten Demokratien“. Dass man hier allerdings häufiger in den Oststaaten der EU unterwegs war, als anderswo, erwähnt die investigative Tagessschau dann nicht. Nicht so wichtig. Hauptsache Fakt.
Der Faktenfinder befindet abschließend: „Dies zeigt, dass die ODIHR-Gutachter die Beschwerden der AfD ernst nehmen, diese aber nicht allein die Entscheidung beeinflusst haben.“ Tatsächlich wollen die OSZE-Mitarbeiter auch die Wahlkampffinanzierung betrachten. Nun sind drei, vier oder fünf Beobachter keine große Sache. Wenn aber mehr kämen? Das fragte sich auch die politische „Rechte“ in Deutschland oder beispielsweise der Chaos Computer Club (CCC). Aus dem „rechte“ Spektrum sind das insbesondere die „Ein Prozent für unser Land“-Bewegung aus dem Umfeld der „Identitären“ Götz Kubitscheks und Jürgen Elsässers. Die Organisation hat eine umfangreiche Kampagne gestartet mit dem Ziel, möglichst viele Sympathisanten zu animieren, für sie als Wahlbeobachter in den Wahllokalen aktiv zu werden.
Und der Chaos Computer Club, die nach Selbstauskunft „größte europäische Hackervereinigung“, die sich selbst als „Vermittler im Spannungsfeld technischer und sozialer Entwicklungen“ versteht und zu einer der maßgebenden NGOs zu allen Fragen der Computersicherheit gemausert hat, will ebenfalls schauen, was in den Wahllokalen passiert.
Wahlbeobachter Chaos Computer Club
Das sei nämlich jedem Bürger gestattet, weiß man auch hier: „Jeder hat das Recht, eine Wahl zu beobachten, unabhängig von Alter, Geschlecht, Nationalität, Wohnsitz, Fachwissen oder Zugehörigkeit zu Organisationen.“ Im Gegensatz zu den OSZE-Beobachtern konzentriert man sich hier allerdings aus organisatorischen Gründen auf den Wahltag. Die „Rechten“ ebenso wie der CCC haben Leitfäden zur Wahlbeobachtung ins Netz gestellt und bieten Möglichkeiten an, die gemachten Beobachtungen zu melden für die zentrale Sammlung und Auswertung. Es wird also in beiden Fällen wohl eine Art Abschlussbericht geben.
Nun hat der CCC eher ein Interesse daran, den computergestützten Teil der Wahl genauer zu beobachten. Läuft die Wahl aktuell noch analog ab, mittels Ankreuzen des Wahlzettels, ist den wenigsten Bürgern bekannt, wie anschließend die gesammelten und ausgezählten Wählerstimmen aus den Lokalen an die Wahlleitung übertragen werden. Darüber klärt Bundeswahlleiter Dieter Sarreither auf: „Die Ergebnisse aus den Wahllokalen werden in der Regel per Telefon an die Gemeinde und dann an den Kreiswahlleiter gemeldet. Weiter geht es zum Landeswahlleiter und schließlich zu uns über interne, verschlüsselte Verbindungen.“ Hier wäre man gut gegen Hackerangriffe gewappnet. Das könnte der Chaos Computer Club eventuell anders sehen, aber in den Wahllokalen selbst wird man da kaum Erkenntnisse gewinnen können, die darüber hinausgehen, lediglich den Anruf zu belauschen und mit den zuvor beobachteten Auszählungsergebnissen abzugleichen. Gleich wird auch noch eine Wahlhelfern a.D. berichten, dass sie keine Anrufe kennt, sondern nur den versiegelten Koffer.
Wie viele Beobachter man nun tatsächlich zur Bundestagswahl zusammenbekommt, bleibt ungewiss. Auch die Galionsfigur der Identitären Bewegung, Martin Sellner, stand schon im Mittelpunkt einer Ein-Prozent-Pressekonferenz im Anschluss an die Landtagswahlen von 2016 – behauptete dort, man hätte über 3.000 Wahlbeobachter eingesetzt. „Wir sind ein wichtiger Bestandteil der Demokratie unserer Republik geworden.“, kommentiert Sellner in einem weiteren Video gemeinsam mit Initiator Stein. Und das findet man offenbar als Aussage so ungemein lustig, das man sich auf die Schenkel schlägt, im schwarz-weiß gedrehten Film bei Zigarre (Stein) gemeinsam auf den gelungenen Wortspaß anstößt und sich wieder grinsend über die Laptops beugt.
Aber was unterstellen diese Herren da eigentlich den engagierten Bürgern, die sich als Wahlhelfer verpflichtet haben für ein paar Euro? Sprechen wir doch mal mit einer ehemaligen Wahlhelferin, die heute, mit 81, nicht mehr zur Wahlhilfe antritt, nachdem sie das über Jahrzehnte bei fast jeder Wahl tat. Sie war Stadtverwaltungsangestellte und später Schulsekretärin, Mutter von drei Söhnen. Wir erzählen ihr von den Vorwürfen.
Wahlbeobachter: nicht nötig, sagt die Wahlhelfer-Veteranin
„Das ist wirklich eine Unverschämtheit. Da sitzen in Wechselschichten jeweils fünf bis sechs Leute, wie soll das möglich sein? Zum einen kennt man sich nicht persönlich, wie sollte man sich da absprechen?“ Stimmen ungültig machen, ginge doch gar nicht. Damit müssten ja alle Anwesenden einverstanden sein. „Und zur Auszählung sind noch mal doppelt so viele da, man arbeitet ja in zwei Schichten.“ Auch könne man Stimmen nicht falsch zuordnen, weil mehrfach gezählt würde und wenn die Zahlen nicht stimmen, noch weitere Male. „Auch verkehrt angekreuzte Stimmen werden mehrfach von mehreren Helfern kontrolliert. Auch werden die ausgezählten Stimmen auf einem Bogen notiert und dann in einem Koffer vor den Augen aller versiegelt und in die Zentrale gebracht.“ Für die 81-Jährige ist klar, Betrug ist hier völlig unmöglich.
Nun ist es allerdings etwas anderes, von Unregelmäßigkeiten zu sprechen, von zu spät geöffneten Wahllokalen, von im ersten Anlauf falsch gezählten Stimmen. So stellt die Universität Duisburg schon 2013 fest: Bei Kommunalwahlen gäbe es gerichtsdokumentierte Fälle von Manipulationen. „Bewusste Manipulationen durch Beteiligte sind allerdings für Bundestagswahlen nicht dokumentiert.“ Als die Uni eine wissenschaftliche Auswertung vergangener Wahlergebnisse vornahm, attestierte man anschließend: „Insgesamt offenbaren die Ergebnisse dieser Tests, dass es wenig Grund zur Beunruhigung gibt.“ Es gäbe keinen Anlass zum Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahlauszählungen.
Nun kann es allerdings auch nicht schaden, einfach mal Wahlbeobachter zu sein. Und dafür braucht es auch keinen Chaos Computer Club und keine Ein-Prozent-Bewegung. Wer mag, kann einfach auf eigene Kappe hingehen und einmal Demokratie über das Ankreuzen des Wahlzettels hinaus live erleben, live wahrnehmen. Mitmachen. Aufpassen auf was auch immer man mag. Sich einmischen, dann, wenn man keine Lust mehr hat, den Fernseher anzumachen oder Zeitung zu lesen. Wenn man keine Lust mehr hat, den Wahlhelfern der Medien zuzuschauen. Wahlhelfer für die etablierten Parteien, wie wir hier auf TE vielfach dokumentiert und berichtet haben. Mischen Sie sich also ein, es schadet ja nichts. Und berichten Sie uns gerne anschließend darüber, wenn Sie etwas Interessantes erleben oder nur eine lustige Anekdote zur Bundestagswahl 2017 beisteuern wollen.