Aber weit gefehlt, wie die beiden jüngsten Beispiele dokumentieren: Unverdrossen will man seine Zuschauer für dumm verkaufen. So nahm man sich vor wenigen Tagen dieser merkwürdigen „Identitären“ an, die sich als Teil der Neuen Rechten verstehen und die nun unter Verfassungsschutz-Beobachtung stehen, was ja im Prinzip einen interessanten Bericht erwarten ließe.
Aber dann kommt dort mal wieder einer dieser üblichen „Experten“ mit bekannter politischer Agenda zu Wort, dieses Mal Olaf Sundermeyer, der auf eine Weise vorträgt, dass einem die Haare zu Berge stehen. Der gute Mann erklärt den Zuschauern zunächst, die „Identitären“ bewegten sich immer knapp unterhalb der Strafbarkeit. Das wäre „ihre Masche, ihre Methode“. Na gut, wenn die Methode die Unterlassung von Straftaten ist, kann man das ja sogar mal OK finden.
Aber weiter, jetzt kommt der Hauptvorwurf: Die „Identitären“ würden für das rassistische Konzept des Ethno-Pluralismus einstehen, „demnach der Deutsche in Deutschland leben soll, der Franzose in Frankreich, der Türke in der Türkei.“ Das sei ein europäisches Konzept dieser Bewegung. Ähm, nein Herr Sundermeyer, man mag ja von diesen „neurechten Identiären“ mit ihrer Sodbrennen machenden Hakensymbolik halten, was man will, aber die Idee, dass Deutsche in Deutschland leben, ist jetzt nicht unbedingt gleich naziverdächtig – oder doch?
Das fanden die Tagesthemen dann später auch merkwürdig genug, Sundermann vorsorglich auf tagesschau.de einfach aus dem entsprechenden Beitrag der Tagesthemen vom 12.08.2016 zu streichen, aus der aktuellen Fassung zu eliminieren, kurzer Hand herauszuschneiden.
Eine im Zweifel linke Journalistin
Zwei Tage später, zwei Ausgaben später. Tagesthemen vom 14.08., 22:15. Wieder moderiert Pinar Atalay. Es geht um Anwerbungen für den IS in Asylunterkünften.
„Um ihre krude Weltanschauung zu verbreiten, sind Islamisten auf immer neue Anhänger angewiesen. Und dafür machen sie regelrecht Werbung.“, eröffnete Atalay, die neben dieser Marietta Slomka vom Heute Journal zunächst mal wirkt wie die Verkörperung nachrichtensprecherischer Wahrhaftigkeit. Aber zugegeben, dazu braucht es beim Maßstab Slomka nicht viel.
Atalay moderiert seit März 2014. Aber dauerhaft Qualität zu moderieren, ist für sie unkontrollierbar, schließlich generiert sie die Beiträge ja nicht selber – sie ist nur Verkünderin der Botschaft. Versteht sie überhaupt, was Sie verliest? Will sie es verstehen? Frau Atalay berichtet weiter, es hätte laut Verfassungsschutz bereits mehr als 340 Fälle gegeben, wo Islamisten und Salafisten versucht hätten, Migranten in Asylunterkünften anzuwerben. Das Bundesamt ginge aber davon aus, „dass es noch mehr sind“. Vor allem junge Flüchtlinge, die alleine nach Deutschland gekommen sind, wären besonders anfällig. Hm, aber genau diese Klientel ist doch überwiegend eingereist, und zwar komplett unkontrolliert, möchte man bereits hier anmerken.
Weiter geht es so: „Dass radikale Gruppen, wie es auch Neonazis seit Jahren tun, gezielt junge Leute in prekären Lagen anwerben, ist bekannt, doch offensichtlich fällt es den Sicherheitsbehörden schwer, die islamistischen Rattenfänger zu stoppen.“ Diese moderne Form der Nazifizierung des Diskurses muss man hier kaum noch kommentieren. Eine Relativierung ohne Not, die einen nur den Kopf schütteln lässt. Genauso gut hätte man noch Drogenhändler als Jugendverführer bringen können oder böse Minderjährige, Jungfrauen verführende Discothekenbesitzer. Aber Nazis machen sich besser. Klingt noch gruseliger. Man fragt sich allerdings, wie groß die Chancen für Nazis sind, in Asylheimen unter jugendlichen Syrern Gefolgschaft anzuwerben. Was für ein Blödsinn.
Den eingespielte Bericht verantwortet Marion von Haaren. Sie ist Korrespondentin im ARD-Hauptstadtstudio. Der Spiegel nannte sie einst eine „im Zweifel linke Journalistin“, also so etwas wie ein femininer Jakob Augstein. Bei Anne Will erklärte sie noch im Oktober 2015, die Kanzlerin habe „intuitiv richtig gehandelt“. Das darf man wissen, wenn man nun diesen Bericht im August 2016 genauer unter die Lupe nimmt.
So erzählt Haaren dort, „Jungen und Mädchen würden gezielt angesprochen, der IS habe ein Netzwerk von Anwerbern und Anwerberinnen geschaffen, heißt es in Sicherheitskreisen“. Das ist wiederum merkwürdig, denn diese unbegleiteten „Jugendlichen“ werden in aller Regel relativ zügig von den Jugendämtern in Obhut genommen, sind also überhaupt nicht in Asylantenunterkünften und daher dort für IS-Propaganda gar nicht greifbar.
Kleinkriminelle Asylanten verdienen besonderen Schutz
Der eingespielte Fachmann, den es ja immer gibt, hier in Gestalt von Thomas Mücke, der wohl radikalisierte Jugendliche und deren Familien betreut, dabei auf die sogenannte Verantwortungspädagogik setzt (ein demütigungsfreier Weg der Ansprache von Menschen), und überwiegend aus Mitteln der EU, des Bundes und der Länder finanziert wird, darf nun dozieren, der IS würde alles ansprechen, was zur Verfügung stünde. „Psychisch Instabile, junge Orientierungslose oder Menschen aus dem kleinkriminellen Milieu.“ Auch für Mücke sind im Beitrag von Marion von Haaren Flüchtlinge eine „schutzbedürftige Gruppe“. Und wir müssten auch diese Gruppe vor Extremisten schützen. Also auch die zuvor ja erwähnten kleinkriminellen Jugendlichen?
Hier fragt man sich natürlich, wo sie kleinkriminell geworden sind. Schon in ihren Herkunftsländern – sind da kleine Gauner geflüchtet? – oder erst in Deutschland, den kaum auszuhaltenden Verlockungen dieses bunten Kapitalismus in Köln und anderswo erliegend?
Das passt alles vorne und hinten nicht. Und wer einfach nur genau hinhört, muss das alles nicht einmal mühevoll dechiffrieren. Der Widerspruch ist selbsterschließend. Na gut, so zwischengestopft in die Übertragung der Olympischen Spiele kann das mal untergehen. Aber wollen die Tagesthemen wirklich auf so eine olympische Unkonzentriertheit spekulieren? Diese Mär von den Kinderchen, die unseren Schutz so nötig brauchen, ist auch ein Jahr nach Beginn des großen Einwanderungsansturms nicht glaubwürdiger. Und wenn man weiß, dass Flüchtlinge unter 18 Jahren nicht abgeschoben werden dürfen, dann verjüngen sich Mückes leider Ausweispapier-verlustige Kleinkriminelle, Orientierungslose und psychisch Instabile plötzlich wie in den Jungbrunnen gefallen, wie die WELT schon im Oktober 2015 zu wissen meinte.
Und die Süddeutsche interviewte vor wenigen Tagen Thomas Berthold vom „Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge“, der Erhebungen gemacht haben will, die zeigen, dass sich die Klientel wohl bis zu 30 Prozent jünger gemacht hätte, ein Drittel also gar keine Jugendlichen mehr seien. All das Informationen, die natürlich auch Frau von Haaren vorliegen dürften, die sich ja seit 2015 intensiv mit dem Thema beschäftigt. Aber wahrscheinlich hätten diese störenden Fakten nicht zur Dramaturgie ihres Beitrages gepasst. So wird aus der Nachricht dann der Kurzfilm und fade Berichterstattung wird hochgepimpt zu Filmkunst – hauptsache in sich stringent. Hauptsache mit einem gewissen Glaubwürdigkeitspotential. Leider nein.
Religiosität ist kaum therapierbar
Frau von Haaren zitiert auch Hans-Georg Maaßen, seines Zeichens Verfassungsschutzpräsident, der sich besorgt zeigt, „er warnt vor Islamisten und gewaltbereiten Salafisten“, die gezielt Werbung in Asylunterkünften betrieben. Was wäre hier der nachrichten-journalistische Auftrag gewesen? Natürlich nachzufragen, wie das nun genau sei, ob diese mobilen Rekrutierungsbüro nun aus Einwanderern und Flüchtlingen beständen oder aus bereits in Deutschland ansässigen Migrantenfamilien. Aber das unterbleibt, denn damit würde man ja bestätigen, was eh schon jeder zu wissen glaubt: Es kommen eben nicht nur Schutzbedürftige hierher, sondern eben auch solche, vor denen man man gleich die gesamte deutsche Bevölkerung schützen muss. Aber Maaßen erklärt es dankenswerterweise interpretationsfrei: Unter den Asylsuchenden sind sehr viele junge Männer aus konservativen islamischen Milieus. Von staatlicher Seite bestehe hier relativ wenig Einflussmöglichkeit. Klar, wie auch? MIndestens diese spezielle Religiosität ist nicht oder kaum therapierbar.
KGE hat aber noch einen Vorschlag, der so weltfremd erscheint und vor allem von ihr so dämlich vorgetragen ist, dass man die Agenda dahinter durchschimmern sieht, als hätte man ihr einen Eimer kaltes Wasser übergeschüttet: Die Grünen kritisieren nämlich tatsächlich in diesem Zusammenhang (IS-Anwerbung), dass der Familiennachzug immer stärker eingeschränkt würde.
Unfassbar zu welchen banalen Sätzen die Grüne fähig ist, wenn sie sagt, wir müssten alternative Angebote für Leute machen, die nicht wissen, was sie tun sollen, die nicht wissen, wozu sie gehören, „die müssen ihre Religion hier leben können, die müssen hier auch was tun können.“ Das ist die Dialektik einer an zu viel Stuhlkreisen und runden Tischen Infantilisierten.
Doch das beste zum Schluss: „Und übrigens müssen die auch ihre Familien nachholen können“, fügt sie dann geradezu süffisant grinsend an, als hätte sie die Katze aus dem Vorgeschwätzsack gelassen. Und im Hintergrund grünt der Park so schön, wie auf keinem grünen Wahlplakat bisher. Schade fast, dass man das mutmaßliche Retourgrinsen der Im-Zweifel-Linken-Beitragsmacherin Marion von Haaren nicht auch noch ins Bild genommen hat.
Fassen wir also kurz zusammen: Islamisten fallen vom Himmel, minderjährige Asylbewerber flüchten vor dem IS nach Deutschland, sind aber hochgefährdet aufgrund ihrer Herkunft aus konservativen islamischen Milieus, in Deutschland IS-Kämpfer zu werden, und Katrin Göring-Eckardt empfiehlt nun grinsend, diese Gefährder-Millieus über den Familiennachzug ganz hierher zu holen.
Nein, liebe Tagesthemen, nein, liebe Pinar Atalay. So bitte nicht mehr. Besser ab morgen durchgehend Olympia. Oder einfach mal wieder das Testbild zeigen.