Tichys Einblick
Rassismusvorwurf statt Polizeiarbeit

Straßenterror in Stuttgart: „Stammbaumrecherche“ sagte ein Grüner, nicht die Polizei

Für den Vorgang selbst ist es einerlei, ob man „Stammbaumforschung“ sagt oder Elternrecherche oder was auch immer. Entscheidender ist, dass etablierte Medien diesen Begriff aufnehmen oder gleich selbst erfinden, eignet er sich doch perfekt zu untermauern, was man so unbedingt behaupten will: Rassismus in der deutschen Polizei.

imago Images/Arnulf Hettrich

Ja, früher muss die Polizeiarbeit einfacher gewesen sein. Wurde beispielsweise im Rotlichtmilieu ermittelt, dann gab es Äußerlichkeiten, die bestimmte Personen zielsicher in den Fokus des Interesses rückten: Jogginghosen bestimmter Sportmodehersteller, Rolexuhren, Haare vorne kurz, hinten lang, goldener Cartier-Hängepanther am Hals usw. Klar für die Polizei: Das muss ein Zuhälter sein oder irgendwie dem Rotlicht verbunden. Also mal beobachten. Das gleiche in bestimmten Vierteln oder Straßen, wenn man schwarze Hautfarbe hat und bedingt auch bestimmte Kleidung trägt: Nach 22 Uhr kann man da als Kokain-Dealer unter Beobachtung stehen.

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Die Polizei weiß, wenn sie ihre verdeckten Ermittler losschickt, um den Versuch zu unternehmen, illegale Drogen zu kaufen, wären diese bei 99 Prozent der Farbigen im Problemviertel und um eine bestimmte Uhrzeit auch erfolgreich. Die Diskussion um die Verwendung des Begriffs „Nafri“ im Zusammenhang mit der Kölner Silvesternacht 2016 gehört ebenfalls in diese Serie. Der nordafrikanische Intensivtäter (Nafri) basiert daher auf einer langjährigen Erfahrung der Polizei entlang derer sie ihre Arbeit vor Ort optimiert und erfolgreicher macht. Investigativarbeit setzt eine Idee vom Gegner voraus. Und diese Idee kann zunächst auch ein Vorurteil sein. Dieses wird erst dann problematisch, wenn die Fähigkeit es anzupassen und zu korrigieren verloren geht.

In Stuttgart geht diese unsägliche Diskussion um richtige und vermeintlich falsche Polizeiarbeit jetzt in die nächste Runde. Hier macht mittlerweile der unsägliche Begriff der „Stammbaumrecherche“ die Runde, der zunächst in einer Veröffentlichung einer Zeitung dem Stuttgarter Polizeipräsidenten Franz Lutz zugeschrieben wird im Zusammenhang mit der Recherche zu den Krawallnächten und Plünderungen in Stuttgart. Später soll er es dann doch nicht gewesen sein, sondern ein Gemeinderatsmitglied der Grünen.

Verbürgt nach Abhören eines Tonbandmitschnittes einer Gemeinderatssitzung in dem von Krawallen betroffenen Viertel ist, dass der dort anwesende Lutz davon sprach, bundesweite Recherchen bei Standesämtern durchführen zu lassen um auch den familiären Hintergrund der Festgenommenen zu beleuchten. Es ginge darum, die Migrationshintergründe einzelner Tatverdächtiger festzustellen, also wohl mehr eine der Prophylaxe dienliche soziologische Vorgehensweise. Oder verstörender: Mit so einer Elternrecherche hofft man wohl noch, dass einer oder einige der festgenommenen Deutschen Großeltern hat, die schon hier geboren sind um damit dann eine Zuweisung der Ausschreitungen und Plünderungen in Richtung Migranten zu kontaminieren und mit Zweifeln zu behaften – auch das ist noch möglich.

Zunächst einmal folgte aber die Recherche nach der Herkunft der Eltern einer Anregung des grünen Ministerpräsidenten. Der hatte nämlich bald nach den Plünderungen und Angriffen auf die Polizei nach dem Täterhintergrund gefragt und hielt die Ermittler dazu an, den soziobiografischen Hintergrund genauer auszuleuchten.

Die Stuttgarter Zeitung titelte anschließend: „Winfried Kretschmann will konkrete Infos über Krawallnacht-Täter.“ Und die will er, so die Zeitung, „um künftig besser handeln zu können.“ Der Ministerpräsident wurde noch konkreter:

„Wenn das bestimmte Milieus sind, die jetzt aus Migranten-Communitys oder so kommen – das sind wichtige Dinge, mit denen kann man dann was anfangen.“

Winfried Kretschmann hier also mit der klassischen Eingrenzungsmethode der Polizei, wie hier eingangs ausführlich geschildert.

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Was wusste Kretschmann? Er hatte von der Polizei erfahren, dass nicht wenige der jungen Männer „mit riesigen Schlitten“ angefahren gekommen wären. Das würde auf bestimmte Strukturen und Milieus hinweisen. Also ein Hinweis auf Clan-Verbrechen und demnach möglicherweise auch die Plünderungen gezielt genutzt, um Raubzüge im großen Stil auf bestimmte Nobel-Geschäfte durchzuführen? Auch Innenminister Thomas Strobl als oberster Dienstherr der Polizei von Baden-Württemberg, wurde oder fühlte sich von seinem Ministerpräsidenten dahingehend beauftragt, seine Polizei anzuweisen, hier nachzuforschen.

Jetzt sind diese angedachten oder doch nicht geplanten ermittlungstaktischen und soziologischen Vorgehensweisen der Polizeiarbeit bei den etablierten Medien angekommen. Die Süddeutsche vorneweg empört sich über eine „Recherche nach Herkunft“ und holt sich mit dem niedersächsischen Lautsprecher der Zuwanderungsbefürworter, mit Boris Pistorius, gleich mal den Innenminister Niedersachsens mit ins Boot. Pistorius gibt sich dann auch aufgesetzt entsetzt gegenüber der Zeitung: „Es gibt überhaupt keine für mich verständliche Erklärung für ein solches Vorgehen. Es ist nicht die Aufgabe der Polizei, in Stammbäumen zu recherchieren.“

Ja ist der Mann nun Innenminister, also auch mit effektiver Polizeiarbeit vertraut oder nicht? Auch zuverlässig wieder dabei, wenn es gegen die Polizei geht:

Unter welchen Eindrücken spielt der vergessliche oberste Dienstherr einer Landespolizei hier eigentlich den Vogel Strauß? Nein, nicht nur das, Pistorius wird richtiggehend albern und spricht von „vor 500 Jahren eingewanderten Familien“. Dabei vollkommen ignorierend, dass es aktuell in allen Bundesländern ausufernde Probleme mit Clankriminalität gibt unabhängig davon, ob der kriminelle Familiennachwuchs nun den deutschen Pass hat oder nicht.

Darüber machte sich übrigens schon die erfolgreiche preisausgezeichnete deutsche TV-Produktion 4 Blocks lustig, als in einer Schlüsselszene des Gangsterepos der Clanchef-Gangsterboss der irritierten Polizei seinen deutschen Pass unter die Nase hält.

Dankenswerterweise erklärt die Süddeutsche die Amnesie des Niedersachsen versehentlich gleich mit, als sie die Verbindung zieht zwischen den Verwüstungen in Stuttgart hinüber in die USA und hin zu den Anti-Rassimus-Ausschreitungen und also der Black-Lives-Matter-Bewegung.

Die Süddeutsche gesteht dann an einer Stelle auch kleinlaut: „Eine Auswertung des Protokolls der Sitzung habe ergeben, dass Lutz zu keiner Zeit von „Stammbaumforschung“ gesprochen habe, twitterte ein Stadtsprecher.“

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Nun ist es für den Vorgang selbst eigentlich einerlei, ob ich „Stammbaumforschung“ sage oder Elternrecherche oder was auch immer. Entscheidender ist, dass etablierte Medien diesen Begriff aufnehmen, eignet er sich doch perfekt zu untermauern, was man offensichtlich behaupten will: Rassismus in der deutschen Polizei! Den mag es ja irgendwo auch geben. Aber viel mehr gibt es Beamte, die einschlägige Erfahrungen machen und diese nutzen in ihrer täglichen Polizeiarbeit. Der direkt betroffene Innenminister immerhin bricht dahingehend eine Lanze für die Polizei seines Landes:

„Die Feststellung der Lebens- und Familienverhältnisse ist ein Teil der polizeilichen Ermittlungen, das ist eine Selbstverständlichkeit in Strafverfahren.“ Schon aus Gründen der Prävention werde nun „in einzelnen Fällen die Nationalität der Eltern von Tatverdächtigen durch Anfragen beim Standesamt erhoben, um zu klären, ob ein Migrationshintergrund gegeben ist.“ Sagt also der Refugees-Welcome-Adept Thomas Strobl von Baden-Württemberg, eines Landes, dass alles kann außer Hochdeutsch, wie eine Landeswerbung bekennt. Na dann macht mal liebe Baden-Württemberger. Mal schauen, wo eure hoffentlich erfolgreichen Arbeitsmethoden Nachahmer finden. Auch bei Innenminister Pistorius in Niedersachen?

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