Der Bundespräsident hat die Kriterien für die Verleihung des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland neu definiert: Gerade ehrte Frank-Walter Steinmeier Bürger im Alter zwischen 20 und 90 Jahren, die sich „in herausragender Weise für Freiheit und Demokratie und gegen Rechtsextremismus und Gewalt“ engagiert haben. Ein „für“ reichte dem Sozialdemokraten nicht mehr aus, ein „gegen“ musste her.
Ausgezeichnet wurden im großen Waschgang gleich vierundzwanzig Männer und Frauen. Terminlicher Anlass war der Tag des Inkrafttretens des Grundgesetzes am 3. Mai 1949. „Wir brauchen Journalistinnen und Journalisten mit Handwerkszeug und Ethos“, sagte Steinmeier bei dem Festakt. Was das konkret mit der nun Verdienstkreuz ausgezeichneten Dunja Halayi zu tun hat, bleibt allerdings rätselhaft, wenn wir einmal die Liste der journalistischen Bauchlandungen der Moderatorin Revue passieren lassen, beispielsweise hier, hier und hier.
Mit dabei übrigens auch die Bestseller-Autorin Juli Zeh. Hier befindet sich zugegebenermaßen in einer bundesverdienstlichen Grauzone, wer Zehs Romane gerne liest. Aber fragen darf man schon: Sind denn erfolgreiche Romane im Schloss Bellevue ebenso gut aufgehoben wie auf der Bestsellerliste des Spiegels? Steinmeier nennt uns den Grund für diese Bekreuzigung: „Wir brauchen Menschen, die Probleme nicht nur beklagen und darauf warten, dass ‚der Staat‘ oder ‚die Politik‘ sie lösen, sondern die selbst aktiv werden – ganz gleich, ob es um das Leben im eigenen Dorf geht oder um die Zukunft Europas.“ Er hat also Juli Zehs Gesellschaftsroman gelesen, der im fiktiven Dorf „Unterleuten“ spielt und er hat Gefallen daran gefunden. Das Bundesverdienstkreuz also auch als deutsche Miniaturversion des dieses Jahr nicht verliehenen Literaturnobelpreises. Nun gut.
Interessanter sowieso die Begründung: „Wir brauchen Menschen, die Probleme nicht nur beklagen und darauf warten, dass ‚der Staat‘ oder ‚die Politik‘ sie lösen.“ Hier fehlt der Nachsatz: Aber es sollen doch bitteschön Menschen sein, die diese Aufgaben System-konform zu lösen bereit sind. Die also der Regierung dort hilfreich und erklärend unter die Arme greifen, wo Politik beim Bürger durchgefallen, wo sie kläglich gescheitert ist. Es sollen Personen ausgezeichnet werden, die sich mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln dafür einsetzen, eine außerparlamentarische Opposition gegen die Opposition zu organisieren. Das Bundesverdienstkreuz für Gefolgschaft, wenn Staat und Regierung, wenn Volk und Regierende miteinander verwechselt werden.
„Die Blechlawine“
Der Spiegel titelte 2011 zum 60sten Jubiläum der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes: „Die Blechlawine“. In der Anfangszeit des rot emaillierten und golden gefassten Metallkreuzes kam es schon einmal vor, so das Magazin, dass versehentlich ein ehemaliger SS-Sturmbannführer zu Ehren kam. Das kann nun schon aufgrund der Gnade der späten Geburt nicht mehr passieren. Und seit 1952 gibt es für den Fall der Fälle auch einen Passus, der die Möglichkeit des Entzuges der Ehren ausweist: „Erweist sich ein Beliehener durch sein späteres Verhalten, insbesondere durch Begehung einer entehrenden Straftat, der Auszeichnung unwürdig oder wird ein solches Verhalten nachträglich bekannt, so kann ihm die Befugnis zum Tragen des Verdienstordens entzogen werden.“
Aber was genau soll nun eigentlich geehrt werden? Bundespräsident Heuss hatte das 1951 einmal zusammengefasst: Es sollen demnach jene Leistungen gewürdigt werden, „die im Bereich der politischen, der wirtschaftlich-sozialen und der geistigen Arbeit dem Wiederaufbau des Vaterlandes dienten.“ Nun klingt „Wiederaufbau“ in der heutigen Zeit geradezu anachronistisch, wenn es so schwer fällt, überhaupt noch allgemeingültig und verbindlich zu definieren, welche Werte über das Grundgesetz hinaus überhaupt noch schützenswert erscheinen.
Wer das Kreuz hat, segnet sich und die Seinen
Übrigens: Deutschen Bundespräsidenten wird der höchste Staatsorden gleich zu Beginn ihrer Amtszeit überreicht, dann, wenn sie sich zuvor noch keines verdient haben. Sie müssen dann lediglich im Laufe ihrer Amtszeit entscheiden, wer sich ohne hohes Amt ebenfalls eines verdient hat.
Ein Karton voll Orden entzieht sich allerdings Jahr für Jahr der Entscheidung des Bundespräsidenten, wenn 2010 bekannt wurde, „dass es offenbar seit Mitte der Neunziger unter den Bundestagsfraktionen eine Absprache gab, pro Legislaturperiode eine bestimmte Zahl von Orden – mehr oder weniger unabhängig von tatsächlichen Verdiensten – auf die Abgeordneten zu verteilen.“ Karneval in Berlin, es regnet also Auszeichnungs-Kamellen. Eine Sprecherin des Bundestages bestätigte laut Süddeutsche die Existenz der Regelung: „Die jeweiligen Parteien sollen in einem ausgewogenen, ihrer Fraktionsstärke entsprechenden Verhältnis berücksichtigt werden.“ Inwieweit das nun mit dem Einzug der AfD in den Bundestag beendet wurde, ist nicht bekannt. Sollte es auch AfD-Abgeordnete treffen, dann ahnt man, was Steinmeier mit seiner eigenmächtigen Erweiterung der eingangs erwähnten Kriterien geritten hat. Wenn also demnächst Gauland und Weidel ausgezeichnet werden, dann muss Dunja Halayi das Gegengewicht sein. So wird ein Schuh draus.
Nun hat der Spiegel ein schönes Fundstück ausgegraben, das hinreichend Aufschluss über die wahren Hintergründe der aktuellen Ordensverleihung durch Bundespräsident Steinmeier geben kann: „Der erste Chef des Bundespräsidialamts, Manfred Klaiber, pries den Orden seinerzeit als ‚die persönliche Bindung der Tüchtigsten an den Staat.’“ Und wer wagte zu bezweifeln, dass Dunja Hayali auf ihre Weise zu den tüchtigsten Kämpferinnen gegen das Böse gehört? Na dann: Herzlichen Glückwunsch.