Der von oben bis unten mit bunten Logos bedruckte Plakataufsteller ging viral: Etliche Firmen und Organisationen waren dort versammelt, die auf dem Parteitag der Grünen in Karlsruhe Ende November als Sponsor bzw. Unterstützer aufgeführt wurden.
Offiziell zusammengekommen sind so über 319.000 Euro an Zuwendungen für diesen Parteitag. Das weiß man deshalb so genau, weil die Grünen 2012 per Beschlusses des Bundesvorstandes „eine zeitnahe Veröffentlichungen sämtlicher Einnahmen“ beschlossen hatten und seit dem auch auflisten, wer die Musik bezahlt hat.
In Karlsruhe waren das laut Angaben der Grünen über fünfzig Sponsoren, die den Parteitag mit Summen zwischen 1.190 und 22.750 Euro bezuschusst hatten. Darunter etwa der „Bund deutscher Baumschulen“ mit 4.000 Euro und das „Informationszentrum Zahn- und Mundgesundheit BW (IZZ)“ als Spitzenzahler mit den besagten über zwanzigtausend Euro.
Diese fünfstellige Zuwendung für die Grünen ist jetzt zu einem potentiellen Fall für die Gerichte geworden. Am 4. Dezember 2023 gingen bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart „Strafanzeige und Strafantrag zunächst gegen Unbekannt wegen Veruntreuung (§ 266 StGB) und aller anderen in Frage kommenden Delikte, einschließlich Beihilfe wegen unerlaubter Parteispende des Informationszentrums“ ein, die Strafanzeige liegt Tichys Einblick exklusiv vor.
Aber wo ist das Problem, wenn die Grünen doch alles transparent veröffentlichen? Den anzeigenden Zahnärzten aus Baden-Württemberg geht es nicht um eine Verletzung irgendeines Transparenzgebots. Sie sehen hier eine „Veruntreuung von öffentlichen Geldern und Mitgliedsbeiträgen (u.a. Zwangsbeiträge) durch den obigen Verein“. Der Verein sei nur befugt, seine öffentlichen Gelder und Zwangsbeiträge im Rahmen gemäß § 3 seiner Satzung auszugeben.
Zwangsbeiträge? Tatsächlich ist das „Informationszentrum Zahn- und Mundgesundheit BW (IZZ)“ eine Art Pflichtveranstaltung. Denn Zahnärzte müssen Mitglied der Vereinigung sein und Kammerpflichtbeiträge leisten.
Einer der anzeigenden Zahnärzte befindet zum Fall in einem Info-Schreiben an Kollegen:
„Meinungsfreiheit und -vielfalt und Sachlichkeit in unserem Land wie der Zahnärzteschaft bleiben nur erhalten, wenn wir nicht als Zwangskörperschaft zu Finanziers grüner Parteipolitik gemacht werden.“
Als der Tat verdächtig wird gleich der gesamte Vorstand aufgeführt. In der Strafanzeige wird angeregt, „im Gesundheitsministerium wie beim Verein die entsprechenden Vorstandsprotokolle, Beschlüsse und Email-Korrespondenzen zu sichern“.
Das Zahnzentrum berichtete online auch von der Art und Weise der Präsenz auf dem Parteitag: „Wohl eines der begehrtesten Fotomotive des Bundesparteitages war das begehbare Mundhöhlenmodell am Stand der Zahnärzteschaft“.
Auf dem Landesparteitag der AfD konnte man allerdings niemandem auf den Zahn fühlen. Es wurde schlicht kein Stand gebucht. Und das, obwohl das IZZ auf seiner Webseite zum Stand auf dem grünen Parteitag schreibt: „Seit 2009 ist die Zahnärzteschaft durch das Informationszentrum Zahn- und Mundgesundheit (IZZ), als gemeinsame Einrichtung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und der Landeszahnärztekammer BW, auf den Landesparteitagen sowie den Bundesparteitagen vertreten, die in Baden-Württemberg stattfinden.“
Das allerdings stimmt nicht, denn für Versammlungen der AfD, etwa den Parteitag der Partei im Juli 2023, trifft es nicht zu, dort gab es keine Mundhöhlenschau des Informationszentrums.
Unter Punkt III. der Strafanzeige heißt es, das Vorgehen des Vorstandes zeige, dass der Geldbetrag allein mit der Zielsetzung erfolgt sei, der Bundespartei des Gesundheitsministers Lucha finanziell rechtswidrige Vorteile einzuräumen. Und weiter:
„Die Spende / „Sponsoring“ / „Standgebühr“ stellt eine ausschließlich den Interessen der Partei der Grünen (ggf. auch anderer Regierungsparteien) dienende Leistung dar, die dem in der Satzung verankerten Gebot der Gemeinnützigkeit und dem inzidenten Verbot der Sonderbegünstigung einer oder mehrerer politischen Partei widersprach.“
Das IZZ rechtfertigt das Sponsoring auf ihrer Webseite so: „Diese Investitionen werden vom IZZ-Verwaltungsrat und Fachbeirat als richtige Entscheidung betrachtet.“
Als eine Art legitimierende Beweisführung für das Engagement auf dem Parteitag wird auch ein Fachgespräch mit dem Wirtschaftsminister genannt: „Dr. Robert Habeck nahm sich nicht nur Zeit für ein solches Gespräch, sondern diskutierte mit den Vertreter*innen der Zahnärzteschaft darüber hinaus intensiv …“ Auch habe man Gelegenheit gehabt, mit der Obfrau der Grünen-Bundestagsfraktion im Gesundheitsausschuss über „Parodontologie und allgemeinen Erkrankungen“ zu sprechen.
Aber waren diese Gespräche die 22.750 Euro der Mitglieder wert? Selbst wenn, das interessiert aber niemanden, heißt es wiederum in der Strafanzeige unter Punkt IV:
„Selbst ein möglicher satzungswidriger Beschluss oder Ermächtigungsbeschluss der Mitgliederversammlung oder eines anderen Gremiums wäre nach der ständigen oberrichterlichen und BGH-Rechtsprechung unbeachtlich. Ob ein solcher vorliegt und wie dieser exakt bezeichnet ist, wäre daher nur im Hinblick auf die Tätersuche beachtlich.“
Strafrechtlich wirkungslos sei hier eine Zustimmung, die selbst gesetzeswidrig oder untreu ist.
Die anzeigenden Zahnärzte bitten die Staatsanwaltschaft darum, auch zu prüfen, ob hinreichender Verdacht dafür vorläge, „dass der Vorstandsvorsitzende die anderen Vorstandsmitglieder zu deren gemeinschaftlich begangener Untreue vorsätzlich bestimmt hat, sich also eines Vergehens (…) schuldig gemacht hat“.
Im Detail besonders aufgestoßen ist den Zahnärzten zudem, dass ausgerechnet ein zahnärztliches Landesinformationszentrum der mit Abstand größte Sponsor eines Landesparteitages der Grünen geworden ist, während etwa Milliardenunternehmen wie Lufthansa und Telekom mit vergleichsweise bescheidenen Kleckerbeträgen aufwarteten.
Unter Punkt VIII. der Strafanzeige stellen die anzeigenden Zahnärzte fest:
„Auch die mögliche rechtswidrige Konstruktion ‚Standgebühren‘ geht in die Irre; auch ein ‚Stand‘ auf dem Bundesparteitag der Grünen ist satzungswidrig. Denn beim IZZ handelt es sich um eine Baden-Württembergische halbstaatliche Einrichtung zur Förderung der Zahngesundheit Jugendlicher im Bundesland Baden-Württemberg.“
Hierzu diene der teuerste Stand Deutschlands auf diesem Parteitag nicht. Die empörten Zahnärzte bitten die Staatsanwaltschaft zu prüfen, inwieweit die behaupteten Kosten der Standmiete vergleichbaren Standmieten folgen.
Die Strafanzeige zitiert auch den im Flick-Skandal wegen vergleichbarer Praktiken zu einer Haftstrafe verurteilte Eberhard von Brauchitsch, der seinerzeit seine Parteispenden als „Pflege der politischen Landschaft“ verstanden wissen wollte.
Die anzeigenden Zahnärzte halten den Vorgang insgesamt für einen Skandal und eine Straftat, für eine „systematischen Umgehung der Vorgaben zur Parteienfinanzierung öffentliche Gelder und hier insbesondere Zwangsbeiträge der Zahnärzte“.
Abschließend befinden die Zahnärzte: „Parteispenden oder ‚Sponsoring‘ oder ‚Standgebühren‘ bei politisch genehmen Parteien sind keine gesetzlichen oder satzungsgemäßen Aufgaben und dienen offensichtlich nicht der Jugendzahnpflege.“
TE hat am 5. Dezember 2023 beim IZZ nachgefragt:
Sie schreiben auf ihrer Webseite: „Seit 2009 ist die Zahnärzteschaft durch das Informationszentrum Zahn- und Mundgesundheit (IZZ), als gemeinsame Einrichtung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und der Landeszahnärztekammer BW, auf den Landesparteitagen sowie den Bundesparteitagen vertreten, die in Baden-Württemberg stattfinden.“ Welche waren das bisher? Waren es auch solche der AfD? Wenn „nein“, warum nicht?
Wie kam der Betrag von 22.750 Euro zusammen? Wer hat diesen Betrag festgelegt, der sie quasi zum Hauptsponsor des grünen Parteitags in Karlsruhe gemacht hat, gemessen an den Sponsorgeldern der anderen etwas mehr als 50 Sponsoren.
Sobald die Antwort vorliegt, wird sie hier nachgereicht.