Die große Freude der Afrikaner währte nur kurz: Dachten die 116 jungen Männer im Moment der erfolgreichen gewaltsamen Überwindung des hoch gesicherten sechs Meter hohen Grenzzauns (einige hatten auch Löcher in den Zaun geschnitten) zur spanischen Enklave Ceuta, sie wären quasi schon in Deutschland angekommen, wurden sie bereits 24 Stunden später nach Marokko abgeschoben. Die Policia Nacional habe am Donnerstag eine entsprechende Operation in Gang gesetzt, berichtet die spanische Tageszeitung „El Pais“.
Ein Schock. Denn bisher galt: Wer den Zaun überwindet und auf europäischem Boden „Asyl“ sagt, kann bleiben. Sogar unabhängig davon, ob bei der Überwindung der Grenzebefestigungen Gewalt gegen Beamte ausgeübt wurde – denn auch in diesem Fall, so berichtet die Welt, sei es laut Polizeiberichten zu Übergriffen gegen Grenzbeamte mit Ätzkalk, Batteriesäure und Exkrementen gekommen. Mehrere Personen wurden dabei verletzt. Einige der Grenzüberwinder mussten laut Meldung des Roten Kreuzes medizinisch versorgt werden, sie hatten sich Schnittwunden an den messerscharfen Klingen des Stacheldrahtes zugezogen.
Zum ersten Mal wurde im gegenseitigem Einverständnis also ein über 25 Jahre altes Abkommen angewandt, das Marokko verpflichtet, Migranten aus anderen afrikanischen Ländern zurückzunehmen, die illegal über sein Territorium nach Spanien bzw. in die Enklave gekommen sind. Warum aber wurde dieses Abkommen erst jetzt aus der Schublade gezogen? Tatsächlich scheint diese Begründung vorgeschoben. Denn wenn sich Marokko bisher geweigert hatte, die Menschen zurückzunehmen, kann es nur um neue Deals und Vereinbarungen gehen und eben um das Agreement, die Zurücknahme offiziell mit dem Abkommen von 1992 zu erklären.
Nun also wenigstens erst einmal offiziell Asyl in Spanien? Mögen die 116 jungen Afrikaner vielleicht gedacht haben. Umso größer der Schock, als sie nach der Eurodac-Registrierung in Bussen und in einzelnen Gruppen zu zehn Personen direkt zurück nach Marokko gebracht wurden. Das spanische Innenministerium bestätigte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur die entsprechende Medienberichte. Eine Aktion, die sich umgehend auch im Aufnahmelager herumgesprochen haben muss. Tagesschau.de berichtete, im Lager, das der Sender „Versorgungszentrum“ nennt, sei unter den sich dort mittlerweile aufhaltenden 1.200 Migranten Panik ausgebrochen, als sie von der Abschiebungen der 116 erfuhren oder sie direkt miterlebten.
Spanien soll Marokko nach Informationen des Tagesspiegels gleich nach dem Ansturm der 600 um eine Reaktivierung der Vereinbarungen von 1992 gebeten haben, dem jetzt offensichtlich entsprochen wurde.
Auch stellt sich die Frage, ob diese erstaunliche Kehrtwende Spaniens möglicherweise sogar direkt zurückzuführen ist auf den jüngsten Besuch der Bundeskanzlerin beim spanischen Premier Pedro Sanchez. Wenn dem tatsächlich so wäre, könnte Angela Merkel sich diesen Erfolg allerdings kaum auf ihre Fahnen schreiben. Zu groß dürfte in den nächsten Tagen der Aufschrei von NGO und Menschenrechtorganisationen geraten, wenn der erste Schock überwunden ist, dass die neue und überaus erfolgreiche Zuwanderungsroute nach Spanien vakant werden könnte, wenn Spanien und Marokko hier den harten Kurs beibehalten und diese Abschiebungen nicht nur Einzelfälle bleiben sollten.