Tichys Einblick
Regierungswerbung bei so braven Medien?

„schwarzrotgold“ – das Magazin der scheidenden Kanzlerin

Das von einer Berliner Agentur Prenzlauerberg-like feminin flott designte Magazin „schwarzrotgold“ wird seit 2018 vom Bundespresseamt beauftragt, Millionen der Gratishefte werden verteilt, auch eine digitale Ausgabe ist abrufbar.

Screenprint: Bundesregierung.de

Ist Ihnen „schwarzrotgold“ das Magazin der Bundesregierung schon einmal irgendwo entgegen gepurzelt, in der Eisenbahn oder am Flughafen oder vielleicht aus einer Zeitschrift heraus zusammen mit einem Werbeprospekt für Hemden, die man nicht mehr bügeln muss?

Das von einer Berliner Agentur so Prenzlauerberg feminin flott designte Magazin „schwarzrotgold“ wird seit 2018 vom Bundespresseamt beauftragt, Millionen der Gratishefte werden verteilt, auch eine digitale Ausgabe ist abrufbar.

Die erste Ausgabe ging beispielsweise mit folgendem Thema ins Rennen:
„Bundesaußenminister Heiko Maas lässt Leserinnen und Leser an seinen Jugenderlebnissen zwischen Deutschland und Frankreich teilhaben.“ Nein, in der Folgeausgabe stand dann nicht: „So verließ ich meine Familie und lernte eine berühmte Schauspielerin lieben.“

Vier Ausgaben pro Jahr, „schwarzrotgold“ ist also eine Quartalsausgabe in der Frequenz von Krankenscheinen. Kennen sie das noch? Erinnern Sie noch das gut alte Krankenscheinheft, dass es weit vor der Krankenkarte von der Krankenkasse gab?

„schwarzrotgold“ ist ein Themenheft. Agenturen schlagen das gerne vor, denn Brandeins, die Mutter aller Themenmagazine, liegt in den Aufenthaltszonen der Werber immer ganz oben auf. So erscheint auch das Design von „schwarzrotgold“ beinahe so wie mit einer älteren Ausgabe von Brandeins kollidiert.
Zuständig für die Gestaltung ab der ersten Ausgabe ist bzw. war die Berliner Agentur „Zum goldenen Hirschen“, die telefonisch mitteilte, man sei nicht mehr dabei, was aber nur daran läge, dass jetzt die Regierung wechselt.

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Thema der  ersten Ausgabe 1/2019 war „Europa“, das aktuelle Magazin 2/2021 beschäftigt sich mit „Demokratie“. Erste Erkenntnis: Wo das Familienministerium mit dem Projekt „Demokratie leben“ hunderte von Millionen Euro bereitstellt für die Demokratie-Schulung einer 83-Millionen-Bevölkerung, legt das Bundespresseamt noch mal eine Schippe drauf mit ein paar eigenen Ideen, anstatt nur Geld und Ideen außer Haus auszugeben und entwickeln zu lassen. Demokratie hausgemacht by Bundesregierung. Federführend im Bundespresseamt für den Content von „schwarzrotgold“ übrigens der ehemalige Pressesprecher des Bundesinnenministeriums.

Erinnern sie sich an den jüngsten Skandal um Carolin Emcke? Zunächst sollte die mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Kriegsreporterin antisemitisch ausfällig geworden sein ausgerechnet zum Parteitag der Grünen, dann soll doch alles nur ein Missverständnis gewesen sein, jedenfalls landete auch Carolin Emcke jetzt in der aktuellen Ausgabe „schwarzrotgold“ des Bundespresseamtes.

Bundeskanzlerin Angela Merkel selbst wendet sich im Editorial an die Leser und legt diesen in „schwarzrotgold“ insbesondere die Geschichte eines Aussteigers aus der rechtsradikalen Szene in Jena nahe. Das sei, so die Bundeskanzlerin „eine bewegende Geschichte.“

Im Weiteren kommt ein Polizeiausbilder zu Wort. Sein Beitrag beginnt so: „Demonstrierende ziehen durch die Straßen, sie rufen und pfeifen, tragen Schilder mit ihren Forderungen. Die Lage eskaliert. Eine Gruppe durchbricht die Absperrungen und stürmt auf die Treppe des Reichstages, direkt vor den Eingang des Parlaments.“ Nur durch das besonnene Eingreifen dreier Polizisten „konnte dieser Angriff abgewehrt werden.“ Dienst für die Demokratie sei das gewesen!

Auf Seite acht des nur 23 Seiten umfassenden Magazin folgt dann Journalistin Carolin Emcke in einem Gespräch mit dem Rechtswissenschaftler Christoph Möllers https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975292/1917792/f6713bb5c025ef6035c4f101761890f4/schwarzrotgold-02-2021-download-bpa-data.pdf?download=1, der hat an der Berliner Universität einen Lehrstuhl inne für Verfassungsrecht und Rechtsphilosophie. Beide bekommen die gleichen Fragen gestellt wie: „Was macht eine funktionierende Demokratie aus?“ oder „Woher kommt die Wut?“ Antwort Emcke: „Das ist eine Jahrhundertfrage.“

Die Journalistin ist demnach nicht engagiert worden, den Rechtsfachmann Möllers zu befragen, sie tritt in „schwarzrotgold“ selbst als Demokratieexpertin auf. Aber mit welchen Referenzen? Was macht Emcke zur Demokratiespezialistin? Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels? Oder ihre Semester an der Harvard Elite Universität? Patenonkel von Emcke ist Alfred Herrhausen, der bei einem linksextremistischen Attentat ermordete ehemalige Vorstandvorsitzende der Deutschen Bank.

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Emcke wie Möller sprechen sich beide für mehr Demut aus, Demut sei wichtig dort, wo es in einer Demokratie dazugehört, „dass man sich mit sehr vielen Entscheidungen abfinden muss“, so Möllers. Emcke äußert großes Verständnis für das Einfordern von mehr Demut. Aber Emcke möchte – natürlich – auch aufbegehren, erzählt sie. Demut und aufbegehren. Letzteres meint sicher so etwas, wie den Gratismut einer Regenbogenbinde am Arm von Manuel Neuer.

Und Emcke ist enttäuscht von den sozialen Medien und den „fatalen Wirkungen einer fragmentierten Öffentlichkeit, in der Wissen und Unwissen nicht mehr unterschieden werden, in der Desinformation und Ressentiments nicht mehr gefiltert werden.“ Aber was ist das hier in „schwarzrotgold“? Ein elitäres Gejammer um den Verlust von Deutungshoheit gegenüber dem Pöbel dem man zuvor noch mehr Demut abverlangt hat? So macht man das wohl dort, wo Demokratie in einem Magazin „schwarzrotgold“ mit Vorwort der scheidenden Bundeskanzlerin vermessen wird.

Möllers erinnert Emcke noch zaghaft daran, dass es so etwas, wie eine ungeteilte Öffentlichkeit vor der Tagesschau, „den Ort um den sich die Gemeinschaft sammelt“ in anderen Ländern wie den USA nie gegeben hätte.

Immerhin ist Prof. Christoph Möllers der große Verlust klar, ist präsent, was die Macher der Tagesschau angerichtet haben, als sie das Vertrauen der Zuschauer verloren haben. Oder wie es der heutige SWR-Intendant als ehemaliger Verantwortlicher für die Tagesschau in Büßerlaune im Oktober 2020 bedauert hatte, https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/alexander-wallasch-heute/swr-intendant-kai-gniffke-bereut-gestaendnisse-eine-grabenbauers/ als er seinem öffentlich-rechtlichen Team rückwirkend einen „gewissen missionarischen Eifer“ bescheingte.

Carolin Emcke scheut eine Steroetype wo sie Möllers fragt: „Waren Sie schon einmal auf einer Hygiene-Demo? Da sind Menschen, die sich nur noch über Youtube und Telegram informieren.“

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Das ist nun zunächst schon deshalb amüsant, weil Emcke auf Youtube besonders präsent ist. Soll der Bürger also zusätzlich noch „schwarzrotgold“ lesen? Weil es da jetzt unter dem Flügel einer scheidenden Bundeskanzlerin noch mehr Emcke zu lesen gibt?

Carolin Emcke in „schwarzrotgold“ im Magazin der Bundesregierung. Was ist das für eine Journalistin, die für die Grünen Wahlkampf macht, die sich dabei
übel verheddert und die im Magazin der scheidenden Bundeskanzlerin einem Verlust elitärer Deutungshoheit ausgerechnet jener Elite nachjammert, der sie selbst meint anzugehören?

Nachdem die Agentur zum goldenen Hirschen TE mitteilte, nicht mehr Agentur für das Magazin zu sein, berichtet das Bundespresseamt gestern Vormittag etwas anderes. Zusätzlich teilt uns ein Sprecher des Bundespresseamtes mit, dass jede Ausgabe von „schwarzrotgold“ weit über 1 Million Euro kostet:

„Danke für Ihre Anfrage, die ich als „ein Sprecher des Bundespresseamtes“ (ohne Namensnennung) gerne so beantworte:

Das Magazin schwarzrotgold erschien in den vergangenen Jahren regelmäßig bis zu viermal im Jahr mit einer Auflage von ca. 4.5 bis 5 Millionen Exemplaren. Dabei fielen Kosten von rund 1,3 Millionen Euro pro Ausgabe an. Je nach Umfang der Auflagen differierten diese Zahlen. Neben der Printausgabe wird eine digitale Ausgabe bereitgestellt.
Die Agentur „Zum Goldenen Hirschen“ war und ist mit der Gestaltung und Produktion von schwarzrotgold als unser Rahmenvertragspartner beauftragt.
Die Auswahl der Inhalte und Gesprächspartner findet themenabhängig durch das Bundespresseamt statt.

Bereits im letzten Jahr wurde entschieden, im Bundestagswahljahr zunächst zwei Ausgaben zu realisieren und den Zeitraum direkt vor der Bundestagswahl auszusparen. Ob danach eine dritte Ausgabe erscheint, ist noch nicht entschieden.“

Nachtrag:
Die Internetseite schwarzrotgold.de steht aktuell zum Verkauf bei einem bayrischen Unternehmen, die beispielsweise „Papas Brotzeitbrettl“ verkaufen, für 3,99 Euro gibt’s einen 40ml „Schnapsl fia’n Papa“ oder für 9,99 Euro ein Blechschild zum Hinhängen mit Aufdruck „Masskrugpflicht“ statt Maskenpflicht. Verlangten die Besitzer der Website zu viel Ablöse? Denn die Seite schwarzrotgold.de ist ungenutzt, lediglich ein Kontakt und das Verkaufsangebot stehen dort.

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