Man kann heute sagen, der Spiegel hat die Relotius-Affäre (damals, als ein vielfach preisausgezeichneter Autor über Jahre massenweise gefälschte Reportagen ablieferte) hinter sich gelassen. Der sowieso voranschreitende Rückgang der Leserzahlen wurde jedenfalls nicht noch wesentlich beschleunigt. Und das lag sicher nicht daran, dass sich das Blatt vermeintlich umfangreich nach Canossa bewegt hätte. Es war vielmehr einer Erwartungshaltung geschuldet: Viele Leser und Nichtmehrleser waren nicht empört, einfach, weil sie davon nicht überrascht waren – sie hatten es dem Blatt wohl schlicht zugetraut, solchen Mist regelmäßig zu machen.
Der nächste große Fall liegt jetzt bei den Hamburgern in ihrem Glaspalast auf dem Tisch. Hat der Spiegel gemeinsam mit der Süddeutschen Zeitung durch Auslassung und eine ideologisch verengte Berichterstattung über die Ibiza-Videos eine österreichische Regierung zu Fall gebracht?
Ab sofort wird nicht mehr bereut
Dieses Mal ist die Bombe sogar noch explosiver, aber die Redaktion und die Chefetage des Blattes sind heute schon viel abgebrühter als noch bei Relotius, als der Spiegel seine langen Pseudobüßerseiten veröffentlichte und gelobte, was er nun alles besser machen wolle, was aber erwartungsgemäß nie passierte.
Wie TE hier schon berichtet hat, war, was der Spiegel da veröffentlichte und was dann zum Fall der österreichischen Regierung führte, dieses Mal akribischer vorbereitet als diese dem gegenüber wie Gentleman-Fälschungen aussehenden Arbeiten von Relotius.
Bevor wir zu den skandalösen polit-ideologischen Auslassungen des Spiegels kommen, noch kurz ein Wort zum stundenlangen Video selbst – hin zu einer Rückerinnerung an die Berichterstattung im Mai 2019, auch der anderen, nicht am Video herumbastelnden Blätter. So legte T-Online damals Wert darauf, festzustellen, dass das Video illegal aufgezeichnet wurde. Und T-Online spekulierte ebenfalls darüber, dass das Video dem Spiegel und der Süddeutschen Zeitung per Geheimdienst zugespielt worden sein könnte. Der Spiegel, so schrieb das Portal weiter, hätte behauptet, keine gesicherten Belege zur Identität der Überbringer zu haben. Beispielsweise Baden-Württembergs Datenschützer bewerteten die Aufzeichnung damals als „kriminelles Unrecht“.
Ein dubioses Video – dubios verkürzt
Aber wenn dem so war, was ist dann die Veröffentlichung gewesen? Die Herkunft des Videos war sogar so dubios, dass sich laut T-Online der Vorsitzende des Deutschen Journalisten Verbandes genötigt sah, zu erklären, dass es „undenkbar“ sei für Journalisten, am Ende solche illegalen Aufnahmen selbst zu machen. Ein Medienexperte merkte dann an, dass es aber kein „absolutes Verwertungsverbot“ solcher illegalen Videos für Journalisten gäbe. Dieses fitzelkleine Fensterchen aus dem strafrechtlich relevanten Bereich heraus, hin zur erhofften Auflagenexplosion, hatten dann offensichtlich auch Spiegel und Süddeutsche genutzt.
Es wurden ein paar Andeutungen im hinteren Bereich der begleitenden Artikel gemacht, dass Strache und sein Begleiter möglicherweise selbst nur ihre Spielchen mit dem Lockvogel machten und trotz des vorgeblichen Interesses nie müde wurden, zu betonen, nichts Illegales machen zu wollen. Aber die beiden berichtenden Blätter protestierten nicht und stellten nichts richtig, als die überwiegende Zahl der Medien die vergiftete Story so übernahm, wie Spiegel und Süddeutsche Zeitung offensichtlich wollten, dass ihre Story gelesen wird – das Video wurde nie in der Gesamtheit in der zur Verfügung stehenden Länge veröffentlicht. Die Medien waren also gezwungen, durch die polit-ideologische Brille dieser beiden Blätter zu schauen, wollten sie vom Interesse profitieren. Es ist eine Frage der Proportionen: Haben Spiegel und Süddeutsche im Fall Strache ein Video manipulativ gekürzt, um es als Belastungsmaterial präsentieren zu können, und Entlastendes im Kleingedruckten versteckt? Ganz offensichtlich wurden die Vorwürfe zu Schlagzeilen, die Entlastung zur Fußnote.
Aber mutmaßlich hatten Spiegel und Süddeutsche Zeitung schon 2019 in Kauf genommen bzw. bedacht, dass doch noch irgendwo bei irgendwem die Strache entlastenden Passagen auftauchen könnten. Sehr schnell und routiniert formierten sich nämlich jetzt die Verteidigungslinien, nachdem OE24 und dann zunächst die WELT mit dem Finger auf Spiegel und Süddeutsche Zeitung gezeigt hatte und in etwa befand, dass damals etwas mit der Veröffentlichung nicht ganz koscher gewesen sein kann – um es höflich auszudrücken.
Was ist relevant?
Denn wenn es darum geht, Politiker nach bewährtem Muster zu Fall zu bringen, und man nicht gleich Gift in den Becher rühren will, dann wurden viel früher noch Sexskandale inszeniert – heute geht es offensichtlich eher um Drogen- und Korruptionsfallen. Aber diese dann noch medial zu verbreiten – gehört das jetzt ebenfalls schon zum geheimen System der Vernichtung eines unliebsamen politischen Gegners?
In der Talkshow bei Anne Will soll der Co-Leiter des Spiegels kurz nach Veröffentlichung gesagt haben, man habe nur die politisch relevanten Passagen zeigen wollen. Aber wie wenig relevant waren dem Spiegel demnach die entlastenden Passagen? War deshalb nur relevant, was man zeigte, weil es zum gewollten Sturz der Regierung in Österreich führte?
Die Kronenzeitung berichtet aktuell, dass Mitglieder des österreichischen Untersuchungsausschuss zum Ibiza-Video empört darüber sind, dass „140 von 180 Seiten“ der Abschrift der illegal aufgezeichneten Gespräche geschwärzt wären. Aber geschwärzt zum Schutze Straches und seines Begleiters oder um weiteres Entlastungen zu vertuschen?
Die Mimimi-Fraktion wird aktuell u.a. via Twitter angeführt von Bastian Obermayer, der bei der Süddeutschen Zeitung als Investigativ-Journalist angestellt ist und viel zu verlieren hat: Obermayer war auch international an diversen Investigativ-Kooperationen beteiligt und wurde dafür preisausgezeichnet. Würde er jetzt über seine Mitarbeit an dem Strache-Coup stolpern, würde das auch auf seine bisherigen Arbeiten ausstrahlen.
Besonders bizarr übrigens, wie Obermayer nichts dabei findet, sein nasses Taschentuch so weit auszuwringen über der eigenen Schlechtleistung, dass er sich auf üble Weise nass macht, wo er per Twitter zu den neusten Erkenntnissen ganz unumwoben mitteilt: „Wenn ein Politiker Korruption ablehnt, ist das aus guten Gründen von geringerem Nachrichtenwert als andersrum.“ Das soll nun die Rechtfertigung sein? Weil es einfach im Falle Strache nicht laut genug Wumm gemacht hätte zu sagen, was ist?
„Weil es normal sein sollte. Wenn ein Politiker Korruption anbietet, hat er in der Politik nichts mehr verloren.“ So geht der Tweet bei Obermayer weiter. Dabei interessiert es ihn aber herzlich wenig, dass möglicherweise gewisse politische Kreise schon vor Ibiza befanden, Strache hätte in der Politik nichts verloren. Und das die Ibiza-Situation eben genau das gewesen sein könnte: Eine Falle für den Politiker, zu der dann auch die Arbeit von Blättern wie Spiegel und Süddeutscher ebenso wie die von Obermayer zwangsläufig gehörten.
Da mag es nur noch interessant sein, zu wissen, an welcher Stelle dieser Falle Spiegel, Süddeutsche und Obermayer ins Boot geholt wurden bzw. bereitwillig mitruderten Richtung Staatskrise in Österreich. Und das offensichtlich nicht einmal nur aus monitären, sondern viel mehr auch aus ideologischen Gründen.