Soviel öffentliche Debatte um Standpunkte eines Universitätsprofessors in Deutschland gab es wohl zuletzt, als Professor Christoph Schlingensief mit politischen Aktionen für mediale Aufmerksamkeit sorgte. Aber Schlingensief operierte in der freien Kunst, Professor Stefan Homburg aus Hannover wäre für die Anhänger Schlingensiefs ein trockener Fisch gewesen, wie man in Norddeutschland sagt. Denn er ist Finanzwissenschaftler und mathematisch versiert. Homburg hat u.a. nachgerechnet, was das Robert-Koch-Institut in Deutschland in Sachen Corona vorgerechnet hatte und kam zu anderen Ergebnissen.
Darüber berichtet er öffentlich, nimmt also kein Blatt vor den Mund. Damit fällt er auch in den sozialen Medien auf – Homburg bekommt neben Kritik auch viel Zustimmung. Die Medien sind ebenfalls aufmerksam geworden. Seine Argumente werden hier aber oft nicht fachlich gekontert, sondern man kritisiert vordergründig die vermeintlich politische Dimension seiner Stellungnahmen. Der Tagesspiegel beispielsweise bezeichnet Homburg als „raunende(n) Corona-Kritiker“. An seiner Universität in Hannover spricht der linke AStA von „politischem Aktivismus“ des Professors und baut Kapitalismuskritik gleich mit ein in eine ätzende Stellungnahme gegen den Wirtschaftswissenschaftler. Im Schlepptau des AStA nennen Universitätsobere Homburgs Kritik an den Corona-Maßnahmen eine „unerträgliche Verharmlosung“ der Geschichte, sehen aber keine rechtliche Möglichkeit, „den Äußerungen und Aktivitäten von Herrn Univ.-Prof Dr. Stefan Homburg zu begegnen.“ Man distanziere sich „dezidiert“.
In der Folge wird in den sozialen Medien und auch in der Presse spekuliert und diskutiert, ob und wann Homburg entlassen wird oder ob er es schon ist. Hat der Beamte aus seiner Lebenszeitstelle einen Schleudersitz gemacht? Tatsächlich spricht auch eine Stellenausschreibung, mit der eine Professur für „Öffentliche Finanzen“ neu besetzt werden soll, für die Annahme, Homburg sei gefeuert worden. Fragen wir ihn einfach mal.
TE: Professor Homburg, Ihre Professur wurde unlängst neu ausgeschrieben. Sind Sie überhaupt noch an der Universität tätig?
Prof. Stefan Homburg: Ich bin unverändert geschäftsführender Direktor des Instituts für Öffentliche Finanzen. Wie ich schon im Interview mit Ihnen am 1. Mai 2020 erwähnte, also vor der Lokalposse mit dem AStA, möchte ich mit Vollendung des 60sten Lebensjahres in den Ruhestand gehen. Und zwar aufgrund einer lange gehegten Lebensidee „30/30/30“: Dreißig Jahre, um Professor zu werden, dreißig Jahre Professor sein und dann dreißig Jahre – wenn’s gut geht – ohne Druck leben und forschen. Das hat mit Corona nichts zu tun. Als Ergebnis erschien jetzt die Stellenausschreibung. Bisher habe ich nur einen Antrag auf vorzeitigen Ruhestand gestellt, über den noch nicht entschieden wurde. Nähme ich den Antrag morgen zurück, würde ich bis 2029 im Amt verbleiben.
Hatten Sie denn Sorge um Ihre Position?
Fällt Regierungskritik bei beabsichtigtem Ruhestand leichter?
Wenn man schaut, wer überhaupt öffentlich Kritik an den Corona-Maßnahmen übt, findet man fast ausschließlich Persönlichkeiten, die entweder pensioniert sind wie beispielsweise Wolfgang Wodarg oder Sucharit Bhakdi oder die kurz vor der Pensionierung stehen wie Klaus Püschel und ich. Das hat seinen Grund, wie ich aus zahlreichen Zuschriften etwa von Klinikdirektoren weiß, die mich in meiner Kritik an den unverhältnismäßigen Beschränkungen bestärken und zugleich bedauern, mich nicht öffentlich unterstützen zu können, da sie als Mittvierziger ihre Karriere nicht beschädigen wollen.
Was leiten Sie daraus ab?
Es gibt einen großen latenten Widerstand, der aus Furcht vor Repressionen schweigt. Das hatten wir in der deutschen Geschichte leider schon einmal.
Haben Sie mittlerweile jemanden mit einer Corona-Erkrankung kennengelernt?
Nein, aber das tut auch nichts zur Sache. Ich orientiere mich an sozialmedizinischen Fakten, und die sprechen entschieden gegen eine gefährliche Pandemie.
Wo haben Sie sich in ihrer Kritik an den Corona-Maßnahmen möglicherweise geirrt?
Was ich ab März in zahlreichen Beiträgen geschrieben und gesagt habe, stimmt nach wie vor und wird täglich weiter erhärtet. So hatte ich seinerzeit prognostiziert, es werde nicht zu einer Überlastung der Krankenhäuser kommen, während Minister Spahn die Kliniken zwang, Operationen abzusagen, auch bei Herz- oder Krebserkrankten. Wie ist es gekommen? Die Krankenhäuser haben für über 400.000 Mediziner, Pfleger und Krankenschwestern Kurzarbeit anmelden müssen, weil sie stark unterausgelastet waren. Die Bundesregierung hat die Gefahr des Coronavirus infolge der Fehlberatung durch das Robert Koch Institut vollkommen überschätzt. Mittlerweile sind die Corona-Sterbefälle fast auf Null gesunken. Parallel dazu werden die Maßnahmen immer weiter eskaliert und verschärft, etwa durch den spät eingeführten Maskenzwang und neuerdings durch die Isolationsquarantäne für Kinder oder die Zwangstests für Reiserückkehrer.
Was erwarten Sie für die nähere Zukunft?
Die Regierungen und leider auch Teile der Wissenschaft haben das Leitbild evidenzbasierter Politik aufgegeben und schüren im Wechselspiel mit vielen Medien eine unbegreifliche Hysterie. Bisher hat die Bevölkerung das hingenommen. Der Widerstand nimmt aber täglich zu, und das macht Hoffnung. Womöglich werden die Verantwortlichen schon bald einlenken müssen oder ihre Ämter verlieren. Die sozialen, wirtschaftlichen, medizinischen und psychischen Kollateralschäden der völlig überzogenen Maßnahmen sind einfach immens.
Vielen Dank für das Gespräch.