Lassen Sie uns über Sex reden, auch wenn es weh tut. Wenn es schmerzhaft werden könnte, auf was für traurige Ideen Frauen kommen, wenn sie sich erst mit der eigenen und dann zwanghaft auch mit männlicher Sexualität beschäftigen bzw. wenn vermeintlich moderne Frauen ein Geschäft dahinter wittern, welches Alexander Schimmelbusch für die WELT als „Wanderhuren-Economy“ bezeichnet, wenn er über das Prostitutionsanbahnungsportal Ohlala erzählt.
Nun hätte man denken können, Frauen werden täglich glücklicher, nun, wo sie beispielsweise an der Uni Bielefeld Kurse besuchen können, die sich mit der weiblichen Ejakulation beschäftigen und SPIEGEL-Bento titelt: „Seit es den „Womanizer“ und den „Satisfyer“ gibt, reden Frauen auf einmal über Masturbation“. Eine launige Geschichte, die etwas über eine neue weibliche Sexualität erzählen will, aber nicht darüber hinaus kommt, über die Saugleistung eines angeblich schon millionenfach verkauften Sextoys zu schwärmen, das mittels Silikontunnel … ach, ersparen wir uns hier die Details, kann ja jeder selbst nachlesen.
Aber warum sollen nicht auch Männerverachtende bzw. sozial irgendwie desolate Frauen glücklich werden? Es gibt übrigens genug Ehefrauen, Freundinnen und Bekannte, die auch Männern gegenüber kein Geheimnis aus ihrer vibrierenden Waffenkammer machen und das Silikonzeugs mehr oder weniger offen herumliegen lassen, wenn nicht gerade die Großeltern zum Kaffeekränzchen kommen. Nun ist diese neue Frauenfreakshow das eine, die Seemannsbraut für Männer ist deshalb für Frauen noch lange keine akzeptierte Mitbewohnerin, wenn männliche Onanie das große Pfui ist und weibliche jetzt als ein Akt der Befreiung ausgelobt wird.
Aber gut, nun wird halt noch erfolgreicher weiblich masturbiert und wenn Mann es pragmatisch sehen will, könnte er dahin kommen, dass so auch ein stückweit der Frust aus dem Schlafzimmer verbannt werden könnte bzw. der Mann sich wieder ganz traditionell seinen eigenen Bedürfnissen widmen kann, weg von dieser lästigen Emanzen-Philosophie „Erst sie, dann er, wenn überhaupt.“
Schön wäre es vielleicht, aber jetzt hat Frau doch noch ein entscheidendes Defizit entdeckt: erfolgreiche Masturbation ist ja schön und gut, aber wie komme ich dabei an die Kohle des gut situierten Mannes? Wie erobere ich mir diese Selbstverständlichkeiten der jahrzehntelangen Quersubventionierung zurück, die nicht selten auf einer professionalisierten Sexerpressung fußte?
Liebe Leserin, lieber Leser, Sie glauben nicht, dass es heute noch solche eiskalt kalkulierenden Frauen gäbe? Dann möchte ich Ihnen die neue Onlineplattform Ohlala.de vorstellen, so wie sie Alexander Schimmelbusch in seinem Artikel einleitet:
„Die Plattform Ohlala macht der Großstadtbewohnerin mit Geldsorgen in etwa folgendes Angebot: Wenn du bereit bist, einen Steuerberater oder Start-up-Gründer oral zu befriedigen, kannst Du in diesem Monat noch mal deine Wuchermiete bezahlen.“
Hinter Ohlala steckt eine Gründerin, die sich Pia Poppenreiter nennt oder – um Himmelswillen – die tatsächlich so heißt. Poppenreiter macht jetzt schon den zweiten Anlauf im horizontalen Gewerbe, zuletzt soll sie mit einer Art Lieferservice für die professionelle Prostituierte gescheitert sein.
Die Unterscheidung zwischen professioneller und amateurhafter Prostitution ist für diese Geschichte wichtig. Dann nämlich, wenn man sich drauf einigt, dass die Professionelle darauf besteht, „Hure“ genannt zu werden, wenn Hobbyhuren für Professionelle „Nutten“ sind, Ehefrauen, die sich ihrem Mann nur hingeben, weil es ihnen auf die Finanzierung eines Luxus ankommt, der über den Hartz4-Regelsatz hinausgeht. So in etwa erklärte es jedenfalls einmal eine Hure im Interview gegenüber dem Autor hier.
Nun also die Professionalisierung der Nutte hin zur Hure über das Datingportal Ohlala? Davon würde die Gründerin natürlich nichts wissen wollen. Ein Gespräch mit Poppenreiter für das Magazin Gründerszene führte eine Pauline Schnorr. Von Schimmelbusch über Poppenreiter bis Schnorr – wären diese Namen nicht verbürgt, man müsste sie allesamt erfinden. In einem Roman würde sich jeder Autor mit solchen Benennungen übrigens unglaubwürdig machen.
Poppenreiter will ihr Ohlala nicht als Escort-Marktplatz verstanden wissen. Sie wählt für ihr Geschäftsmodell den Begriff „emanzipiertes Lifestyle-Angebot“ und nennt die Geschäftsanbahnung des Fünfzigers für Handbetrieb und des Hunderters für Eindringen „paid dating“, was, so Schimmelbusch, implizieren würde, „dass es bei Transaktionen, die über die Site zustande kommen, nicht ausschließlich um Kopulation geht.“
Das Ohlala-Logo kommt mit geschwungener weiblicher Schreibschrift in weiß auf rosa Grund daher, fast so, als wäre es eine neue Damenhygiene-Marke im Supermarktregal. Die Startseite wirbt mit folgendem Text: „Finde jetzt Dein bezahltes Date. Sofort. Anonym. Unkompliziert.“ Begrüßt wird man hier mit dem Satz: „Willkommen in der wundervollen Welt des Instant Paid Datings.“ Eine rosa-hellblaue Internet-Welt, wie erstellt von einer ambitionierten und ausgiebig womangenizerten Grafikdesignerin aus Berlin/ Prenzlauer Berg.
Gut situierte Männer werden hier aufgefordert, ihr Profil zu erstellen. Dann sollen sich an Geld interessierte Frauen ebenfalls mit ihrem Profil vorstellen, das allerdings bleibt unsichtbar, so lange, bis das Portal die männlichen mit den weiblichen Profile nach bestimmten Algorithmen zusammenführt. Dann darf gechattet werden über die sexuellen Wünsche des Herren, die Angebote der Dame und natürlich über die finanziellen Details, die Wunsch und Angebot erst so richtig in Schwingungen bringen sollen, wie das rote Licht im Puff um die Ecke.
Was aber bedeutet das in der Praxis? Nach der Nivellierung des Prostitutionsgesetzes gilt eine solche Verabredung als so genannter „Prostitutionsvertrag“. Die Entgeltforderungen sind also einklagbar, wenn der berühmte „diskrete Umschlag“ nicht vor oder nach dem Vollzug auf dem Nachtisch abgelegt wurde. Vor Inkrafttreten des neuen Prostitutionsgesetzes waren solche Vereinbarungen zunächst einmal eines: sittenwidrig. Huren können sich nun theoretisch auch in der gesetzliche Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherungen versichern lassen.
Aber wie sieht das bei den Ohlala-Damen aus? Ist es hier nur eine Teilzeitbeschäftigung? Ab wann muss versteuert werden und wie? Mal von solchen Fragen abgesehen, dürften die Verkehrsregeln auch eine entscheidende Rolle spielen. Denn wer bezahlt, bestimmt die Musik. Professionelle Huren wissen um ihre Bringschuld, wissen aber zu ihrer eigenen Sicherheit oft auch um eine Reihe von einschneidenden Maßnahmen, die unangenehme Entwicklungen vermeiden helfen.
Was passiert mit diesen Ohlala-Hobbyhuren, wenn das Wollen des Mannes dann doch ganz anders aussieht, als verabredet, wenn während des Treffens klar wird, dass der Mann anders will als die Frau oder umgekehrt? Das Potential für brenzlige Situationen dürfte hier besonders hoch sein, wo ein allzeit verfügbares „Nein“ zum Sex aufgehoben wurde über ein ultimatives „Ja“ zum Geld.
Ja doch, die meisten professionellen Huren könnten über solche misslungenen Treffen echte Horrorgeschichten erzählen. Aber auch über solche Treffen, die aus dem Ruder liefen, die dann aber glimpflich ausgingen, als Routine und Erfahrung der Professionellen wirkte.
Prostitution wandert in den großen Städten zunehmend aus den angestammten Bordellen und Puffstraßen in über die ganze Stadt verteilte Wohnungen ab. Diese Wohnungsprostitution ist mit nicht zu unterschätzenden Gefahren verbunden. Aber die einzelnen Wohnungen sind immerhin noch polizeibekannt. Die Treffpunkte der Ohlala-Hobbyhuren hingegen werden in den einzelnen Chats erst noch vereinbart, sie entziehen sich also jedweder Kontrolle oder Überwachung.
Nein, Ohlala ist nicht Tinder, auch wenn die Farbwelt von Ohlala eine Verwandtschaft andeuten will. Und Tinder ist zwar eine kommerzielle Website, aber das Geschäft findet in der Regel ausschließlich zwischen Portal und Kunden statt, nicht zwischen Mann und Frau und als Leistung für unverbindlich verabredeten Sex, nicht als ein von Ohlala angebahnter Deal zwischen Nutte und Freier. Ob sich also Ohlala eine La Ola verdient, darf hier zunächst professionell bezweifelt werden.