Die EU-Außengrenzen bleiben für illegale Einwanderer weiterhin durchlässig. Auch nach bald sechs Jahren illegaler Massenzuwanderung fehlt der Wille der EU und einiger Mitgliedsstaaten – allen voran Deutschland unter der Regierung Merkel – dieser im Wortsinne grenzenlosen Einwanderung etwas entgegenzusetzen. Längst wird der Zuzug insbesondere in die Sozialsysteme nicht mehr von politischen Entscheidern in Europa geregelt, sondern von solchen in anderen Staaten, nicht zuletzt der Türkei.
Die übergeordneten Leitplanken mögen zwar die Flucht- und Migrationspläne der UN sein. Aber es gibt auch besonders fleißige Handwerker dieser Verwerfung im außereuropäischen Ausland: Der türkische Präsident Erdogan scheint aktuell bestrebt zu sein, ein Loch nach dem anderen in den imaginären Grenzzaun schneiden zu lassen. An der türkischen Küste setzen täglich Migranten aus der Türkei kommend auf die griechischen Inseln über, in Libyen verdichtet sich der Verdacht, das Erdogan mittlerweile über seine Militärberater Einfluss auf diese illegale Migrationsroute in die EU nimmt. Außerdem schaffen türkische Aufenthaltspapiere die Basis dafür, dass Migranten Visa erhalten für einen dreimonatigen Aufenthalt in Deutschland;TE hatte darüber berichtet, dazu gleich mehr.
Der grüne Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir hat jetzt mit einem Fragenkatalog an die Bundesregierung eine kleine zwar, aber doch eine weitere Variante illegaler Zuwanderung aus der Türkei nach Deutschland offengelegt. Für die Bundesregierung antwortete dem grünen Abgeordneten am 7. Mai 2021 Staatssekretär Hans-Georg Engelke.
Und so sollen die besagten Schleusungen laut AAZ vor sich gegangen sein: Die Organisation der Reisen funktioniere nach dem immer gleichen Prinzip: „Das Schleusernetzwerk sei auf die Gemeinden zugegangen und habe diese darum gebeten, bei der Ausstellung der Pässe behilflich zu sein. Dazu wurden Einladungen aus Deutschland etwa zu Umwelt- oder Kulturveranstaltungen besorgt. Als Gegenleistungen seien Zuwendungen an die Gemeinde geflossen.“ Die so Reisenden hätten für die Pässe zwischen 6.000 und 8.000 Euro bezahlt inklusive einer Busfahrt nach Deutschland. Der Augsburger Abgeordnete Cemal Bozoglu (MdL) nennt diesen Vorgang „Menschenschmuggel über Tarn-Austauschprogramme“.
Die Polizei in München hat mittlerweile Ermittlungen aufgenommen.
Cem Özdemir fragt bei der Bundesregierung nach:
„Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über einen „Menschenschmuggel“ aus der Türkei nach Deutschland vor, an dem nach Medienberichten auch türkische Behörden mit „Tarn-Austausch- programmen“ beteiligt sein sollen, und wenn ja, welche (…)?“
Antwort des Staatssekretärs Hans-Georg Engelke vom 7. Mai 2021:
„Der Modus Operandi der Einreise türkischer Staatsangehöriger unter mutmaßlich missbräuchlicher Nutzung von türkischen Dienstpässen, sog. „Graue Pässe“, ist der Bundesregierung bekannt.
In diesem Zusammenhang hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Bundespolizei strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet und den zuständigen Strafverfolgungsbehörden der Länder zur Prüfung vorgelegt (…).“
Cem Özdemir:
„Wie viele Menschen sind nach Erkenntnissen der Bundesregierung über solche „Tarn-Austauschprogramme“ (…) nach Deutschland eingereist, und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Unterstützung aus Deutschland (beispielsweise durch Institutionen, Vereine, Firmen, Personen)?“
Engelke:
„Nach Kenntnis der Bundesregierung hat die Bundespolizei im Rahmen der Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs seit August 2020 insgesamt 89 türkische Staatsangehörige festgestellt, bei denen der Verdacht bestand, dass sie türkische Dienstpässe missbräuchlich für die Einreise in das Bundesgebiet verwendet haben. Die Frage einer Unterstützung aus Deutschland im Sinne der Fragestellung ist Gegenstand der strafrechtlichen Ermittlungen (…).“
Laut Engelke steht die Bundespolizei seit Januar 2021 mit den türkischen Behörden in engem Austausch. Ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Einschleusens von Ausländern sei eingeleitet und den zuständigen Strafverfolgungsbehörden der Länder zur Prüfung vorgelegt worden. Die Bundesregierung führe, so Engelke weiter, hierzu seit April 2021 auch Gespräche mit türkischen Regierungsvertretern. Zu Inhalten vertraulicher Gespräche äußere sich die Bundesregierung aber grundsätzlich nicht. „Für Nichtbeamte, die für Projekte lokaler Verwaltungen ins Ausland reisen, hat die Türkei die Ausstellung von Dienstpässen ausgesetzt.“
Özdemir will weiter wissen, welche Arten von Pässen das seien, die die türkischen Behörden ausgeben. Und zu welcher Form der Einreise nach Deutschland diese befähigen. Und: Welche Konsequenzen die Bundesregierung daraus zöge.
Engelke:
„Grundsätzlich unterliegen türkische Staatsangehörige, die im Besitz eines gültigen und anerkannten Passes oder Passersatzes sind, der Visumpflicht (…). Dabei müssen stets die Einreisevoraussetzungen nach Art. 6 Schengener Grenzkodex erfüllt sein.
Nach der Anlage B, Nr. 1 zu § 19 Aufenthaltsverordnung sind Inhaber seitens der Türkei ausgegebener dienstlicher Pässe (Dienst-, Ministerial-, Diplomaten- und anderer dienstlicher Pässe in amtlicher Funktion oder im amtlichen Auftrag Reisende) für die Einreise und den Kurzaufenthalt vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit, soweit sie keine Erwerbstätigkeit ausüben.“
Sofern im Rahmen der Einreisekontrolle Zweifel am Reisezweck festgestellt würden, können die mit der grenzpolizeilichen Kontrolle beauftragten Behörden diese Personen allerdings auch zurückweisen, weiß Engelke. „Da der Modus Operandi bekannt ist, hat das Bundespolizeipräsidium die mit der Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehres beauftragten Behörden bereits Ende des Jahres 2020 hierzu sensibilisiert.“
Entlang des Prinzips Hoffnung könnte dieses kleine, aber feine Schlupfloch daher vielleicht bald gestopft werden. Aber was hat Cem Özdemir da genau erfahren? Was ist die Lehre, die man daraus ziehen könnte? Es ist skandalös, aber wahr: Im Zuge eines Austausches von türkischen Beamten bzw. Scheinbeamten gibt es faktisch eine Aufhebung der Visa-Pflicht für Deutschland. Diese Lücke wurde jetzt vielfach genutzt und teuer bezahlt von Illegalen, die es sich leisten können.
Gemessen allerdings an einem Skandal, über den TE schon Anfang 2020 berichtete , sind diese Edel-Illegalen kleine Fische: Bekannt wurde Anfang letzten Jahres, dass Afghanen in der Türkei quasi per Fingerschnippen ein Visum für die EU erhalten.
Damalige Anfrage von TE beim BAMF: „Können Sie mir bitte mitteilen, wie viele Asylbewerber Antrag gestellt haben im vergangenen Jahr und in den ersten Monaten 2020, die mit einem Schengen Visa eingereist sind? Im speziellen bitte die genauen Zahlen der Asylanträge von Afghanen, die über die Türkei mit Visa nach Deutschland eingereist sind.“
Antwort eines Sprechers des BAMF: „Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass mir keine Statistik im Sinne Ihrer Fragestellung vorliegt.“
Welche Motivation steckt dahinter, dem nicht nachzugehen, wer über die Türkei mit Schengenvisum nach Deutschland einreist. Anfang 2020 schrieben wir: „Auf der Internetseite der Deutschen Vertretungen in der Türkei steht es nach wie vor schwarz auf weiß unter „Visa für afghanische Staatsangehörige“: „Afghanische Staatsangehörige mit legalem Aufenthalt in der Türkei (d. h. Ikamet, Flüchtlingsausweis oder Visum) können Schengenvisaanträge in der Türkei beantragen. Schengenvisa, auch „C-Visa“ genannt, werden erteilt für Aufenthalte unter 90 Tagen zu Zwecken wie Besuchs- und Geschäftsreisen.““
Ende Mai 2021 steht es dort nach wie vor: Dem ist wirklich nichts mehr hinzuzufügen.