Es ist dramatisch bestellt um die Nachrichtenlage und Debattenkultur in Deutschland, wenn es erst eines eindringlichen Auftrittes ausgerechnet bei Markus Lanz in den Öffentlich-Rechtlichen und einer Titelstory am nächsten Tag in der Bild-Zeitung bedarf, bis der Weckruf eines Berliner Oberstaatsanwaltes bei Politik und Gesellschaft Gehör findet. Immerhin Gehör findet, denn der Schritt hin zu politischem Handeln ist noch einmal ein ganz anderer. Selbst dann noch, wenn der Auftritt des Juristen Ralph Knispel ein düsteres Bild malt, das einen eklatanten Notstand im Sicherheitssystem der Hauptstadt attestiert, der durchaus auf die Bundesrepublik insgesamt, wenn nicht sogar schon auf große Teile Westeuropas übertragen werden muss.
TE wurde bereits 2017 auf Oberstaatsanwalt Knispel aufmerksam und sprach ausführlich mit dem Berliner Juristen in seinem basisch ausgestatten aktenvollen Büro. Im Jahr darauf klopften wir erneut in Moabit an und Knispel konnte leider immer noch keine Entwarnung geben, im Gegenteil: die Lage hatte sich noch einmal verschlechtert.
Wie sprachen mit dem Berliner Oberstaatsanwalt Ralph Knispel in seiner Funktion als Chef der Vereinigung Berliner Staatsanwälte – aus dieser Position heraus kann und will er Tacheles sprechen. Zur Gefahrenlage hinsichtlich der Familienclans in Berlin berichtete Knispel gegenüber TE :
„Tatsächlich ereignen sich im Umfeld krimineller und vielfach arabischer Großfamilien zahlreiche – darunter schwerwiegende – Straftaten, die zur Verunsicherung der Bevölkerung führen und die Berliner Polizei vor teilweise nicht lösbare Probleme stellen. Ob diese kriminellen Kreise die Stadt „beherrschen“, ist eine Frage der Sichtweise. Jedenfalls beherrschen Straftäter aus diesen Kreisen weite und bestimmte Teile der Kriminalität: Namentlich gilt das insbesondere für den Betäubungsmittelhandel, das Rotlichtmilieusowie in großem Umfang die sonstige organisierte Kriminalität. Auffällig sind dabei die verschiedenen Ethnien. Als besonders problematisch erweist sich die Tatsache, dass die auf kriminellem Wege erlangten finanziellen Mittel in wenigstens vordergründig legale Projekte investiert werden, die zur Mehrung des jeweiligen Vermögens führen. Insbesondere im Bereich arabischer Großfamilien befindet sich nicht unerhebliches Immobilieneigentum, das zu lukrativen Vermietungen dient. Mithin haben sich diese Großfamilien in großem Maße sowohl im kriminellen als auch im öffentlichen Leben etabliert.“
Weiter berichtete Ralph Knispel, wie schwer es geworden ist, polizeilich noch durchzugreifen und wie wenig erfolgreich es letztlich ist, wenn immer neue „Fachleute“ ihre Sicht der Dinge dazugeben:
„In einigen Teilen Berlins treten bestimmte Bevölkerungskreise mit Migrationshintergrund der Polizei gegenüber derart auf, dass vielfach nur in größerem Kräfteansatz aufgetreten werden kann. Die Strafverfolgungsbehörden stehen in dem jeweils erforderlichen Maße im Austausch mit verschiedenen Wissenschaftlern, mithin auch Islamwissenschaftlern. Gleichwohl sei angemerkt, dass diese Fachleute in nur geringem Umfang zur Aufklärung von Straftaten oder Überführung von Beschuldigten beizutragen vermögen.“
Der Oberstaatsanwalt konnte auch über Erfahrungen mit sich in Untersuchungshaft befindenden Beschuldigten arabischer Herkunft berichten:
„Ihre Erziehung und Vita lässt sie sowohl bei der Begehung der Straftaten als auch im anschließenden Verlauf der Strafverfolgung überaus selbstbewusst auftreten. So trägt es sich dann auch zu, dass sie im Vollzug gegenüber Bediensteten und Mitgefangenen sehr dominant auftreten. Zudem ist für die Strafverfolgungsbehörden wahrnehmbar, dass die justizielle Ahndung keineswegs zur Ächtung, sondern eher zu Anerkennung und Bewunderung führt. Die Strafvollstreckung muss aus unserer Sicht nicht US-amerikanischen Vorbildern angeglichen, sondern es muss dem bestehenden Recht uneingeschränkt zur Geltung verholfen werden. Dazu gehört unabdingbar die angemessene personelle sowie technische Ausstattung der Vollzugsanstalten, damit die dort Beschäftigten ihrer Tätigkeit in der vorgesehenen Form nachkommen können. Personelle Defizite dürfen dort nicht herrschen und schon gar nicht zu Einbußen für die Sicherheit führen. Wenn den bestehenden Gesetzen Rechnung getragen und nicht ob des jedenfalls in Berlin dramatischen Personalmangels schwerlich vertretbare Entscheidungen getroffen würden, entspräche die Strafe auch wieder ihrem eigentlichen Sinne. Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass die unzureichende Ausstattung bei der Justiz und den Haftanstalten nicht erst ein Phänomen der aktuellen Regierung Berlins ist; gleichwohl trägt die derzeit die politische Verantwortung und muss sich deshalb an ihrem Handeln messen lassen.“
TE wollte weiter wissen: Warum ist es für die Polizei so schwer, Einblick in die Clans zu bekommen?
„Die überaus klandestin agierenden Personen verfügen in großem Maße über nichtdeutsche Wurzeln und bewegen sich in Kreisen, die deutschen Strafverfolgungsbehörden schwer oder überhaupt nicht zugänglich sind; dies gilt gleichermaßen für religiöse wie sonstige Lebensformen. In den Großfamilien bestehen zudem so starke persönliche Verbindungen, dass es Fremden und insbesondere Polizeibeamten oder Vertrauenspersonen schier unmöglich ist, sich in diese Kreise zu begeben oder sich in ihnen auf legale Weise zu bewegen.
Wegen der Größe der Familien, aber auch der im Lauf der Jahre entstandenen Verbindungen beschränken sich die Aktivitäten der so genannten Clans nicht etwa auf das Stadtgebiet, sondern erstrecken sich auf sowohl das übrige Bundesgebiet als auch das Ausland. Die der Polizei und den Strafverfolgungsbehörden vorliegenden Erkenntnisse zu den kriminellen Gruppierungen sind – aus unterschiedlichen Quellen gespeist – durchaus weit reichend. Gleichwohl ist die Justiz gehalten, strafbare Handlungen in einem der Strafprozessordnung und dem Grundgesetz entsprechenden Verfahren nachzuweisen. Insbesondere daran werden trotz der nicht gerichtsverwertbaren Erkenntnisse Verurteilungen scheitern. Die Staatsanwaltschaft beobachtet mit außerordentlicher Sorge die insbesondere in den Kreisen junger, aber auch durchaus bürgerlicher Menschen gewachsene Akzeptanz von strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen bestimmter Personenkreise gerade aus dem künstlerischen Bereich. Neben der justiziellen Unnachgiebigkeit bei Straftaten bedarf es auch der gesellschaftlichen Ächtung nicht hinnehmbaren gesetzeswidrigen Verhaltens. Wenngleich die VBS (Vereinigung Berliner Staatsanwälte) derzeit nicht behaupten wird, Berlin sei verloren, so müssen wir dennoch feststellen, dass die Aufklärung und Strafverfolgung in erschreckendem Umfang nicht mehr sichergestellt ist. Die über viele Jahre rückläufige und im Vergleich zu anderen Bundesländern deutlich abfallende Aufklärungsquote in Berlin spiegelt dies deutlich wider. Die über einen langen Zeitraum in Berlin vollzogenen Einsparungen haben dazu geführt, dass Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte nicht mehr in der Lage sind, ihrem verfassungsmäßigen Auftrag zu entsprechen.“
(Das Interview ist in Ausgabe Tichys Einblick 05/2018 erschienen)