Was kommt als nächstes? Die Forderung, Moscheen in Deutschland den Botschaften ausländischer Länder gleichzustellen? Dahingehend, dass deutsches Recht hier nur noch bedingt durchzusetzen ist, dahingehend, dass Moscheen unter einem übergeordneten Schutz stehen, aber mindestens unter einem ausgeweiteten Schutz des türkischen Staates, also dem Erdogans?
Eines jedenfalls ist längst Alltag in Deutschlands Moscheen unter der Regie von Ditib (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V.): „Alle Entscheidungen werden in Ankara getroffen und über die Religionsattachés in den Konsulaten in die Landesverbände und einzelne Moscheen hinein getragen. Die Attachés sind türkische Diplomaten.“
Knapper formuliert: Diejenigen, die in den Moscheen tatsächlich etwas zu sagen haben, genießen diplomatischen Schutz. Das musste vor wenigen Tagen auch eine gemäßigte Berliner Muslima erfahren, die durch die Neuköllner Sehitlik-Moschee schon seit Jahren u.a. Besuchsgruppen und Schulklassen führt und nun vom türkischen Religionsattaché Ahmed Fuat Candir des Hauses verwiesen wurde.
Und das wohl auch noch auf besonders unsanfte Art und Weise:
„Pinar Cetin musste ihrem zweijährigen Kind die Ohren zuhalten, so laut war die verbale Auseinandersetzung mit dem türkischen Religionsattaché Ahmed Fuat Candir in der Sehitlik-Moschee. Die 36-jährige Politologin war umringt von fünf Männern. Candir verwies Cetin der Moschee. Sie würde ein falsches Islambild vermitteln und dürfe keine Moscheeführungen veranstalten. Das alles hörte eine Schulklasse aus Hessen, die sich über das von Cetin geleitete Präventionsprojekt Bahira informieren wollte.“
Genanntes Projekt Bahira wurde übrigens seit 2015 im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ mit jährlich 130.000 Euro vom Bundesfamilienministerium und je 16.200 Euro von der Bildungs- und Justizverwaltung des Berliner Senats finanziert.
Auf der Projektseite Bahira im Internet heißt es: »BAHIRA trägt zur Sensibilisierung und Qualifizierung von Moscheegemeinden bei, die sich dem Thema Radikalisierungsprävention widmen möchten. Zugleich möchte BAHIRA die Moscheegemeinden als Orte und als „Anbieter“ von Radikalisierungsprävention etablieren.« Damit wird es wohl nun nicht nur in Berlin, sondern auch in neunhundert weiteren Ditib-Moscheen vorbei sein. Aktuell in der Sehitlik-Moschee in Neukölln. »Nach diesem Eklat zog der Träger „Violence Prevention Network“ (VPN) die Konsequenz und beendete das Kooperationsprojekt mit der einstigen Vorzeigemoschee in Neukölln.«, berichtet der Tagesspiegel.
Schon einmal in 2016 kam es zu einem erheblichen Eingriff des türkischen Religionsamtes, als der gesamte Vorstand der Sehitlik-Moschee kurzerhand abgesetzt wurde. Wenn also die seit 2015 hunderttausende Euro umfassende Förderung durch das Bundesfamilienministerium hier in der Moschee greifen soll, um radikale Strömungen zu unterbinden, dann ist das Abwehrmittel der Wahl für das Religionsministerium in Ankara ganz einfach: Dann werden eben gemäßigte Töne aufwandsfrei nach Hause geschickt. Bzw. es werden vom deutschen Steuerzahler so hoch subventionierte Projekte gegen Islamisierung per Erlass aus Ankara im Handstreich wirkungslos gestellt.
Zynisch könnte man anmerken: Wenn es das Familienministerium nicht selbst versteht, dann muss man dankbar sein, dass diese wirklosen Ausgaben nun von der anderen Seite nach Jahren endlich beendet wurden.
Die Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke, Sevim Dagdelen, kommentiert die Vorfälle so: „Wer Ditib aus politischer Rücksichtnahme auf die türkische Regierung von den Sicherheitsbehörden nicht beobachten lassen will, handelt fahrlässig und spielt mit der Sicherheit der Bevölkerung in Deutschland. Der islamistisch-nationalistische Moscheeverband wird von Ankara aus gesteuert und stiftet nachweislich Unfrieden. Ditib ist nicht gemeinnützig, sondern gemeingefährlich.“
Thomas Mücke (VPN) erinnert sich gegenüber der Berliner Zeitung: „Früher waren die Gespräche möglich. Doch in den letzten zwei Jahren hat sich Ditib verändert.“ Angefangen hätte es mit dem Militärputsch in der Türkei. Und mit dem jetzigen Führungspersonal der Moschee wäre eine Zusammenarbeit sinnlos.
Im Wesentlichen geht es wohl darum, Material zu liefern, damit sich die Länder endlich darüber einigen können, ob Ditib offiziell nur als Verdachtsfall oder nunmehr als Beobachtungsobjekt eingestuft werden muss. Auf Anfrage der Süddeutschen heißt es aus dem Bundesinnenministerium, man wolle sich nicht dazu äußern: Erklärt wurde nur, dass „einzelnen Ditib-Moschee-Gemeinden zurechenbare Personen verfassungsfeindliche nationalistisch-religiöse Aktivitäten entwickelten und entsprechende Äußerungen tätigten.“