Gegner einer Cannabis-Legalisierung werden jetzt sagen, sie hätten es schon immer gewusst und Befürworter ggf. versuchen, eine breit angelegte Studie zu torpedieren. Jedenfalls werden den Verharmlosern von Cannabis-Produkten von den Grünen bis tief hinein in die FDP-Fraktion gerade ein paar ziemlich dicke Brocken in den Weg gelegt hat, wenn ein aktueller Befund über die Wirkung der Droge so eindeutig, wie verheerend ist: „Menschen, die regelmäßig Cannabis konsumieren, haben häufiger Psychosen.“
So hat das renommierte Medizinmagazin The Lancet Psychiatry eine Studie in Auftrag gegeben, um herauszufinden, ob der regelmäßige Konsum von Cannabis mit seinem „tendenziell“ halluzinogenen Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) möglicherweise für ein erhöhtes Risiko verantwortlich sein könnte, an einer Psychose zu erkranken.
Nun wäre es gewagt, zu widersprechen, dass der Anteil des THC maßgeblich für die Qualität der Droge, also für die Quantität des Konsums wäre. Jetzt kam aber heraus: Umso höher der Anteil, desto riskanter psychisch zu erkranken. Besonders verheerend, wenn auch noch eine familiäre, soziale oder genetische Dispositionen vorliegen.
Braucht es also demnächst, wenn Cannabis-Produkte staatlich legalisiert werden sollten, eine Art Unbedenklichkeitsbescheinigung für den Cannabis-Konsum, also eine Bestätigung, dass der Nutzer psychisch stabil genug ist, dem prognostizierten Psychosen-Risiko zu widerstehen? Wird es im Beipackzettel stehen?
Die Studienmacher waren sehr fleißig: Ein Team rund um die Wissenschaftlerin Marta Di Forti vom Londoner Institut für Psychiatrie, Psychologie und Neurowissenschaft hatte an elf verschiedenen Orten in Europa und in Brasilien Daten erhoben, als sie beispielsweise über neunhundert an einer Psychose erkrankte Patienten nach ihrem Cannabis-Konsum befragten und die Ergebnisse mit denen einer gesunden Kontrollgruppe verglichen.
Was dabei herauskam, müsste eigentlich in den deutschen politischen Pro-Cannabis-Parteien von FDP bis Grüne für eine gerüttelt Maß an Verstörung sorgen, wenn deren Forderungen nach einer Legalisierung ab heute Studienergebnisse gegenüber stehen, die besagen, dass der tägliche Konsum von Cannabis in etwa ein dreimal so hohes Risiko bedeutet, an einer Psychose zu erkranken. Und hier sind Personen aller Altersklassen gemeint. Für Minderjährige und junge Leute dürfte das Risiko noch einmal eklatant höher sein. Für die so Cannabis-euphorisierten Parteien nur ein zu billigender Kollateralschaden?
Hinzu käme, so die Studie, dass die wirkmächtigen Inhaltsstoffe immer konzentrierter gezüchtet würden, was bedeutet, dass mit ansteigendem Wirkstoffgehalt, das Risiko wächst, psychisch zu erkranken. An manchen Orten, wo besonders „hochwertiges“ Cannabis verkauft wird, wie in London und Amsterdam, sei das Risiko demnach sogar noch einmal um 30-50 Prozent höher als ermittelt.
Für den Berliner Tagesspiegel kann diese Untersuchung zwar keinen klaren Beweis für Cannabis als Ursache von Psychosen führen. „Doch sie zeigt, dass dort, wo Cannabis frei erhältlich ist, auch mehr Menschen an Psychosen erkranken. Fünf von zehn solcher Psychosefälle in Amsterdam stehen in Zusammenhang mit häufigem, täglichem Cannabiskonsum, in London sind es drei von zehn.“ Jede zweite Psychose in Amsterdam wäre demnach direkte Folge des Konsums von Cannabis.
Studienleiterin Marta Di Forti erklärte, es sei angesichts der Legalisierungsinitiativen in verschiedenen Ländern von besonderer Bedeutung für die öffentliche Gesundheit, auch die möglichen Nebenwirkungen täglichen Hanf-Konsums zu berücksichtigen. Nun dürfte der halluzinogene Effekt des THC im Cannabis für die meisten Konsumenten alles andere als eine Nebenwirkung sein – im Gegenteil, das Weggleiten aus der Normalität in eine mehr oder weniger intensive Halluzination ist der ersehnte Effekt.
Ebenfalls besonders bedenklich: Überall dort, wo Cannabis legalisiert wird, steigt auch der THC-Gehalt in der angebotenen Droge. Und mit ihm also auch das Psychose-Risiko, wenn die Signalübertragung von Nervenzellen im Gehirn absichtsvoll und dann unabsichtlich dauerhaft durcheinander gebracht wird.
Dieter J. Meyerhoff, Biomediziner an der Universität von Kalifornien in San Francisco, sagte auf Anfrage von Journalisten des deutschen Science Media Centers: „Dies ist eine sehr sorgfältig durchgeführte Studie, die versucht zu erklären, warum die Inzidenz der Psychosen europaweit so sehr variiert.“
Macht Kiffen also tatsächlich blöde, wie es der Volksmund den Erkrankten gegenüber sehr despektierlich sagt? Eine neue umfangreiche Studie jedenfalls will nun herausgefunden haben, was beispielsweise die Ärztezeitung schon Anfang 2016 so ähnlich befand: „Wer über viele Jahre hinweg fast täglich eine Tüte qualmt, muss bereits im mittleren Lebensalter mit deutlichen Gedächtnislücken rechnen.“ Hier wurde eine Studie noch in eine andere Richtung, als der Suche nach Psychosen, konkret, wenn man an 5.000 Probanden herausgefunden haben will: „Wer es auf eine Zehnjahresdosis bringt – also 3.650 Joints in 25 Jahren qualmt -, muss damit rechnen, dass er sich eines von 15 Wörtern weniger beim RAVLT merken kann als absolute Abstinenzler.“