Ein verwunschenes Schloss namens Kanzleramt lud heute zum 11. Integrationsgipfel ein, inhaltlich schon völlig zugewuchert von den Verheerungen der Politik der Bundeskanzlerin. Das Treffen wurde überschattet von der Trauer um die Ermordeten eines mutmaßlichen Amoklaufs des Wahnsinnigen von Hanau.
Beim 11. Integrationsgipfel ging es vornehmlich darum, weitere Migration nach Deutschland so angenehm wie möglich für die Neuankommenden zu gestalten. Unter anderem wurde diskutiert, schon in den Herkunftsländern der Migranten ein Verständnis für das Leben in Deutschland zu schaffen und in Deutschland selbst alle Register zu ziehen, um Vorbehalte aber auch offene Ablehnung der Einwanderung mit allen nur möglichen alten und neu zu schaffenden Abwehrmitteln zu bekämpfen.
Griechenland hat angesichts des Andrangs an seinen Grenzen die europäische Grenztruppe Frontex zur Hilfe gerufen und Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, hörte stattdessen den türkischen Präsidenten um Hilfe rufen. Auch bei Röttgers fehlte schon, wie jetzt im Kanzleramt der Prinz aus der realen Welt zum Wachküssen.
Am Nachmittag nach den Gipfel die Pressekonferenz der Kanzlerin. Neben Vertretern mehrerer Migrantenvereinigungen in Deutschland, mit dabei die Minister Hubertus Heil (Arbeit und Soziales) und Peter Altmeier (Wirtschaft) sowie Anette Widmann-Mauz, Integrationsbeauftragte der Bundesregierung. Wir konzentrieren uns hier auf die Sprechbeiträge der Bundeskanzlerin.
Teilgenommen am Integrationsgipfel Nummer elf hätten, so eröffnet die Bundeskanzlerin, Menschen aus „allen gesellschaftlichen Bereichen.“ Klar, nur kritische Stimmen wurden eben schon ganz ausgeblendet.
Ein erstes Ergebnis sei erreicht: Es wird einen Kabinettsausschuss geben zukünftig, der sich mit Rechtsextremismus und Rassismus in Deutschland beschäftigen wird – aus diesem Ausschuss würde in Zukunft fortlaufend berichtet werden.
Hauptthema des elften Treffens sei, so die Kanzlerin, die Umsetzung des „nationalen Integrationsplanes“ gewesen, den Anette Widmann-Mauz ausgearbeitet hätte. Und hier im Speziellen das Thema der „Vorintegration“ von Migranten, die im Zuge des neuen Einwanderungsgesetzes zu uns kämen bzw. „vielleicht auch im Zuge der Resettlement-Programme des UNHCR“.
Es wäre im Weiteren darum gegangen, wie man diese Menschen auf ein Leben in Deutschland vorbereiteten kann, sowohl sprachlich als auch „durch ein bestimmtes kulturelles Wissen.“
Die Pläne der UN und der EU zur Neuansiedlung und Einwanderung erfahren also von deutscher Seite aus eine mustergültige Umsetzung, während sich gewissermaßen auf den Vorposten der EU, auf den griechischen Inseln vor der türkischen Küste gerade dramatische Szenen abspielen, Boote voller Migranten werden zur Umkehr aufgefordert, die Insulaner wollen und können einfach auch nicht mehr.
„Spannend“ fand derweil Merkel in ihrem Dornröschenschloss den Ideenaustausch um diese Vorintegration, um die Phase 1 des nationalen Integrationsplanes. Für Merkel war das Thema „genau richtig gesetzt“ angesichts des gestrigen offiziellen Inkrafttretens des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes.
Deutschland also auf Wolke Sieben oder doch nur hinter der großen Dornenhecke, während Griechenland verzweifelt nach mehr Frontex ruft und die Asylantragsannahme gleich mal komplett aussetzt. Deutschland müsse sich Zeit lassen, man könne nicht alles sofort und vom ersten Tag an lernen, fügt die Kanzlerin ihrem ersten Redeabschnitt der Pressekonferenz noch beschwichtigend an.
Fünfundzwanzig Minuten referieren dann die genannten weiteren Gesprächspartner der Pressekonferenz, dann ist die Kanzlerin wieder an der Reihe. Positiv findet sie es beispielsweise, dass der Familiennachzug jetzt besser angelaufen sei. Die Rotation der Diplomaten im Ausland wäre jetzt für bestimmte Visa bearbeitende Mitarbeiter ausgesetzt worden – „eine Dienstleistung, die dann aber auch schneller und besser gehen wird.“
Es geht der Bundeskanzlerin also ausgesprochen um eine weitere Beschleunigung von Zuwanderung in Zeiten großer Sorge um die Abwehr illegaler Massenzuwanderung nach EU-Europa – siehe den Ansturm an der griechischen Grenze.
Herr Rinke von Reuters fragt die Kanzlerin dann folgerichtig, ob die Fachkräfteanwerbung nicht auch überschattet wird von der Entwicklung an der griechischen Grenze. „Was könnte man gerade mit Blick auf Griechenland tun?“, will der Journalist wissen.
Rechtsextremismus und Rassismus ständen für sich als Thema, so die Kanzlerin. „Aber natürlich setzen wir uns auch mit den anderen augenblicklichen Entwicklungen auseinander. Aber das muss ja trotzdem bearbeitet werden, dass wir den nationalen Aktionsplan umsetzen, dass wir das Fachkräfteeinwanderungsgesetz umsetzen. Denn das sind ja gerade Dinge, die sich mit Ursachen von Flucht auch beschäftigen. Und die legale Möglichkeiten geben sollen, die auf unsere Bedürfnisse als Gesellschaft (…) reagieren sollen. Das wollen wir richtig machen.“
Was für eine Sprache ist das, die da so buchhalterisch unbeirrt offensichtlich diverse bestehende Pläne abarbeite und erfüllen, ein Soll erfüllen will oder sogar noch übertreffen? Eine Sprache wie aus einer anderen, einer kälteren Welt? Oder nur die Spiegelung einer Spracherfahrung und -erziehung aus Jahrzehnten Leben in der Deutschen Demokratischen Republik? Die Sehnsucht nach dem Fünfjahresplan von gestern. Oder die Skalierung der Arbeitsweise der DDR auf 2020.
„Die Türkei hat sehr viel geleistet mit der Aufnahmen von Flüchtlingen aber teilweise vielleicht sogar Migranten.“ Ja, vielleicht sogar Migranten. Hat Merkel doch was dazu gelernt? Nein, schon wenige Sätze weiter alles wieder über Bord geworfen, wie wir gleich hören werden.
„Die Situation hat sich für die Türkei noch einmal ganz drastisch entwickelt durch das was aktuell in Idlib passiert.“ Es passiert? Was passiert? Und welche Rolle spielt die Türkei über diese passive Rolle hinaus, die ihr hier von der Bundeskanzlerin zugeschrieben wird? Dass sich die Situation für die Türkei erschwert hätte, „ist verständlich“, sagt sie.
Ja, aber wenn sie es versteht, dann soll sie auch darüber berichten. Sollte erzählen von der islamistischen Hochburg Idlib und von der Unterstützung der Türkei für die rebellischen Islamisten. Nein, dieser Konflikt soll nie enden, es soll nie eine Einigung mit Assad geben, wo doch aber im Grunde jeder weiß, dass es ohne ihn leider ebenfalls keine geben wird.
Für Merkel ist es allenfalls „völlig inakzeptabel“, das Erdogan seine Forderungen nach mehr Unterstützung jetzt auf dem Rücken von „Flüchtlingen” austrägt. Also sie meint die Idlib-Flüchtlinge, wo immer gerne auf die Frauen und Kinder verwiesen wird und so die Islamisten unter den Tisch fallen. Zur Erinnerung: Idlib ist Hochburg des Islamismus.
Das alles sei sehr wichtig, betont Merkel, damit hätte sie sich am Wochenende sehr viel beschäftigt, sagt sie und reibt sich dabei ein ums andere Mal die Hände.
Ein weiterer Journalist fragt nach, will endlich Klartext: „Ist die Öffnung der Grenzen zur Türkei für sie eine Option?“ Oder „Sollte die Grenze auf jeden Fall so dicht bleiben, wie sie ist?“ Die Frage der Fragen also. Die Tagesfrage. Die Frage danach, ob sich 2015 wiederholen könnte, weil die Kanzlerin der Deutschen es so will. Das wollen die Deutsche wissen. Eigentlich ganz Europa.
Und die Antwort ist leider erschreckend, weil sie einmal mehr deutlich macht, dass Angela Merkel nach wie vor an ihre Mission von 2015 oder früher glaubt: Aus ihrer Sicht hat sie schon damals alles richtig gemacht. Was Deutschland und Europa also tief erschrecken sollte, kommt sprachlich fast ganz harmlos daher: „Für mich ist die Option, mit der Türkei zu sprechen, damit wir zu dem Zustand zurückkommen, den wir hatten. Nämlich dass die Türkei auch durch die zusätzlichen Belastungen die Möglichkeit bekommt, ihre Verpflichtungen auch zu erfüllen mit unserer Unterstützung. Aber auf der anderen Seite (ist) dies alles nicht – deshalb hab ich gesagt, für mich ist das inakzeptabel – nicht auf dem Rücken der Flüchtlinge auszutragen.“
Merkels Mimik im Anschluss unterstützt noch einmal die Bedeutung des gerade Gesagten. Völlig klar: Im Zweifel würde diese Frau nicht zögern, alles noch einmal genau so zu machen. Selbst, wenn fünf Millionen mehr kämen oder die Sintflut selbst nach ihr.