Wie schon bei der alten Dame (CDU-Wählerin) und dem jungen Mädchen (Grüne) passierte die Auswahl der Gesprächspartner zufällig. Einziges Kriterium war, dass die Partei, welche die Angesprochenen vorgaben, wählen zu wollen, hier noch nicht besprochen wurde. Der hier im Folgenden gesprächsbereite Wahlberechtigte saß gerade in der Straßenbahn in Leipzig. Und erklärte ziemlich überzeugt, überhaupt nicht wählen zu wollen. Nicht ohne Abwahlrecht. Aber man sei ja gleich am Bahnhof, das könne man dort besser miteinander besprechen, als hier in der Bahn.
Am Bahnhofshofvorplatz muss er laut lachen, weil dort mittlerweile per Lautsprecher Wagner und Beethoven gespielt werden, weil man damit die Junkies abhalten will. Und es würde prima funktionieren, die Drogen machen wohl geräuschempfindlich, das Sitzen dort sei dann unter der Beschallung mit klassischer Musik nicht mehr zu ertragen. Die Linken und die Grünen fänden das menschenfeindlich, aber es wirkt ja, meint er grinsend.
Aber nun wollen wir auch wissen, warum er nicht wählt, seine Zeitungsauswahl würde doch darauf hindeuten, dass es schon ein gewisses Angebot für ihn gäbe, oder nicht? Nein, das Problem sei für ihn nicht das Wahlrecht, sondern das fehlende Abwahlrecht. „Nur ein Idiot geht zu einem Vermögensverwalter und erteilt ihm eine Blankovollmacht für vier Jahre ohne Widerrufsrecht bei Missbrauch.“
Er will einen Volksvertreter, der seine Interessen vertritt auf Widerruf. Leipzig wäre dann beispielsweise in fünf Stadtviertel aufgeteilt, jedes Viertel würde einen Bevollmächtigten bestimmen und nach Berlin schicken. Fertig. Wenn er nicht spurt, wird er eben ausgetauscht. Abwahlrecht. „Klar, an der Auswahl des Delegierten meines Viertels kann ich mich ja gerne beteiligen. Man setzt sich zusammen und bestimmt den Besten. Mehr braucht es nicht. Die Amerikaner machen es ja nicht anders. Eigentlich sogar die halbe Welt, wenn man sich Frankreich und England anschaut. Es geht doch schlicht um die Entmachtung der Parteien. Nicht zuerst die Partei sollte bestimmt werden, sondern umgekehrt.“
Für ihn ist das Asylrecht eine große Spinnerei, das gäbe es nirgends sonst auf der Welt in der Form. Hier stimme er zu einhundert Prozent mit Donald Trump überein.
Mit diesem ganzen Parteinsystem würde doch die persönliche Verantwortung ausgelagert und gecancelt. Für ihn heißt die AfD übrigens nur A. für Deutschland“. „A.“, weil noch längst nicht klar ist, ob das „A“ für „Alternative“ oder für das Wort mit A … stehe. Er ist skeptisch, denn eine Alternative für Deutschland könne nur eine Systemalternative sein.
Zum Abschied empfiehlt er noch einen Besuch im Leipziger Barfußgässchen. Da findet jeder am Abend, was er braucht: Gute Atmosphäre in traditioneller Architektur, aber niemals miefig. „Da ist immer was los und das gefällt mir.“