Tichys Einblick
Interview mit Michael Ballweg

Michael Ballweg: Der Querdenker-Chef ist für einen Mega-Lockdown?

Kurz und hart statt lang und quälend? Querdenker-Gründer Michael Ballweg sucht in dieser Frage den Dialog mit der Bundesregierung. Ab Frühjahr soll wieder demonstriert werden und über eine Stiftung das leidige Thema Finanzen transparent werden.

picture alliance/dpa | Felix Kästle

Dem Gründer der Querdenker-Bewegung ist ab Frühjahr 2020 gelungen, was beispielsweise eine Sahra Wagenknecht mit ihrer neuen Sammelbewegung „Aufstehen“ auch unter größtem Aufwand einfach nicht gepackt hat:
Wo die linke Ikone scheiterte, konnte der Mann aus Stuttgart Hunderttausende versammeln. Aber mit dem Zuspruch wuchsen auch die Angriffe. Zuletzt sah sich sogar das Bundeskriminalamt genötigt, der Querdenken-Bewegung eine Art Persilschein auszustellen. Was freilich den bayrischen Ministerpräsidenten Söder nicht davon abhalten konnte, nach dem Verfassungsschutz zu rufen.

Wir sprachen Michael Ballweg auf eine Reihe der gröbsten Anwürfe an. Und Ballweg antwortet auch noch ruhig auf die vierte und fünfte Nachfrage, wenn dem Gesprächspartner Alexander Wallasch die Antwort noch nicht abschließend genug erschien.

TE: Sind sie enttäuscht von einer Reihe Ihrer Anhänger, solche, die Ihnen gegenüber heute kritischer denken oder sich ganz abgewandt haben? Die Ihre Rolle explizit hinterfragen?

Michael Ballweg: Nein, bin ich gar nicht, weil das ist ja gerade der Sinn und Zweck von Querdenken, dass man sich eine eigene Meinung bildet. Und natürlich sind wir eine junge Bewegung, die ganz frisch gestartet ist. Und wir haben aufgrund der Corona-Maßnahmen auch wenig Zeit, uns persönlich zu vernetzen. Dadurch, dass der persönliche Kontakt fehlt, kann ich nachvollziehen, dass dann viele nach dem 29.08. auch ein bisschen verzweifelt sind und überlegen: Was ist der richtige Weg?

TE: Was hat es auf sich mit dem 29. August?

Michael Ballweg: Der erste und der 29. August 2020 waren für uns riesige Kraftakte, diese tollen, diese erfolgreichen und friedlichen Demonstrationen auf die Beine zu stellen. Solche, die auch im Nachhinein einen riesigen Effekt auf die Welt hatten. Ich habe Kontakte in die USA oder auch in andere Länder, die das sehr wohl verfolgt hatten. Von daher waren das zwei absolute Wirkungstreffer, die von der Wirkung her hier in Deutschland vielleicht nicht so sichtbar sind, weil viele wie ich gehofft haben, dass wir die Pandemie schneller beenden können. Was aber leider im letzten 2020 noch nicht geklappt hat, weshalb wir jetzt im Jahr zwei der Pandemie sind.

TE: Österreich protestiert in Massen auf der Straße, die Unzufriedenen dort sind Ihnen im Moment weit voraus …

Michael Ballweg: Ich würde nicht sagen, weit voraus – wir müssen ja zwei Sachen sehen: Ich habe hier den 21-seitigen Schriftsatz liegen von der Berliner Polizei mit dem Verbot der Demo am 31. Dezember mit fadenscheinigen Begründungen. Das sollte sich jeder mal zu Gemüte führen.
In Österreich wurde später angefangen zu demonstrieren. Ich freue mich jetzt, dass die aktiv werden, ich freue mich auch, dass ich auf den Videos Rufe höre nach Freiheit, Frieden und Demokratie. Also dort scheint man sehr wohl die Demonstrationen in Deutschland verfolgt zu haben. Ich habe gehört, dass die Polizeieinsatzführung in Österreich die Demonstration auflösen wollte und die Polizeikräfte vor Ort sich dann dagegen entschieden haben. Das ist in Deutschland in der Form nicht passiert.

Was wir jetzt aber auch in Österreich sehen, ist dasselbe Muster wie in Deutschland, auf einmal sollen das alles Rechte sein, die dort demonstrieren und Antidemokraten. Das gleiche, was in Deutschland passiert ist, weil wir früher angefangen haben, passiert jetzt auch in Österreich. Man wird sehen – ich hoffe, dass die österreichische Polizei da demokratischer aufgestellt ist als die deutsche. Wobei ich auch hier sagen muss: Das ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.
Wir werden Österreich natürlich jetzt aktiv beobachten. Und ich hoffe und wünsche den Österreichern, dass es ihnen besser geht, als uns in Deutschland, was das Versammlungsrecht betrifft. Ich befürchte allerdings, nachdem die Kanzlerin gestern gesagt hatte, sie hätte sich mit Sebastian Kurz abgestimmt, dass wir in den österreichischen Medien demnächst ähnliche Berichte lesen werden, wie hier bei uns über Querdenken.

TE: Nun droht Ihnen und Ihrer Bewegung – offen angeregt beispielsweise vom bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) – eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Das ist ja keine Kleinigkeit. Das führt im Ernstfall auch zu einer Ächtung innerhalb der sozialen Medien samt sofortiger Löschung usw. Das wiederum wäre doch für jede Bewegung fatal.

Michael Ballweg: Bisher ist noch nichts passiert, in Baden-Württemberg werden wir angeblich schon beobachtet, die Pressemitteilung dazu liest sich wie ein Sammelsurium von Zitaten vom Innenminister. Wobei der Verfassungsschutz ja eigentlich unabhängig ist und da auch verschiedene Stufen einhalten muss. Auch das werden wir aufarbeiten oder auch nicht, denn ich habe auch das Gefühl, dass die Regierung versucht, uns da mit einer Art Beschäftigungstherapie lahm zu legen. Ich frage mich allerdings auch, über welche Art von Ressourcen der Verfassungsschutz verfügt. Weil am Ende muss er ja die Hälfte der Bevölkerung beobachten.

TE: Möglicherweise aber braucht er diese Ressourcen ja gar nicht, weil er diese Menschen bereits in den Bewegungen – in Ihrer Bewegung – untergebracht hat? Wie groß ist denn ihre Sorge, dass diese V-Männer bei Ihnen aktiv sind?

Michael Ballweg: Ich würde lieber nochmal einen Schritt zurückgehen: Wir nutzen unsere Winterpause auch, um unsere Organisation zu stärken. Ich hatte einleitend erwähnt, dass die Bewegung sehr schnell gewachsen ist. Man hatte wegen der Lockdowns auch wenig Möglichkeiten, sich persönlich zu treffen oder persönlich auszutauschen. Das ist ja auch jetzt immer noch nicht möglich.

TE: Aber als Sie sich das letzte Mal ausgetauscht haben, gab es ein großes Problem, da haben Sie sich ausgetauscht in Gegenwart eines selbsternannten Königs von Deutschland in einer Räumlichkeit, die sich von der Bundesrepublik Deutschland losgesagt hat. Da kann so ein Austausch schon mal deftig nach hinten losgehen, oder?

Michael Ballweg: Wir haben versucht, wieder ein großes Treffen zu organisieren. Sind dabei aber gescheitert, eine Räumlichkeit zu finden – es sind ja immer noch Treffen bis einhundert Personen erlaubt – aber wir haben keine Möglichkeit gefunden, eine Räumlichkeit anzumieten. Von daher stehe ich nach wie vor dazu. Das war auch zum damaligen Zeitpunkt die einzige Location, die uns angeboten wurde, die verfügbar war. Und bevor wir kein Treffen gemacht haben, haben wir gesagt, dann machen wir das Treffen dort. Es ist einfach extrem schwierig, vielleicht unvorstellbar für Außenstehende oder auch Beobachter, ein Treffen zu organisieren, wo man dann die notwendigen Räumlichkeiten findet …

TE: Für AfD-Leute ist das sicher vorstellbar. Die haben damit aber deutlich größere Probleme als Sie, was man so liest.

Michael Ballweg: Sicher, aber ich bin kein Freund von irgendwelchen Parteien, das muss ich auch dazu sagen. Alles, was im Moment regierungskritisch ist, wird entsprechend behindert. Da stellt uns vor große Herausforderungen. Es bedeutet viel Aufwand, Organisationen aufzubauen. Wir sind stark gestartet. Jetzt nutzen wir die Zeit im Winter, um das zu vertiefen.

TE: Das ist mir jetzt fast etwas zu positiv. Wir müssen auch über solche Dinge sprechen wie Konten, Spendenpolitik, was hätten Sie transparenter gestalten können, wo waren die Fehler? Wie entkräften Sie die Anwürfe? Warum zeigen sie nicht lückenlos auf, was reingekommen ist, wo es verblieben ist oder wo es noch hingehen soll? Die Kritik kommt ja hier nicht von der Regierung oder den Medien zu Ihnen, sondern auch aus den eigenen Reihen.

Michael Ballweg: Spende ist ja das falsche Wort. Es geht um Schenkungen. Ich habe immer gesagt, ich habe alle meine Rentenversicherungen gekündigt. Ich habe meine Firma, mein Hauptprodukt, verkauft. Damit bin ich in die Finanzierung gegangen. Was sollte man daran denn bitte transparent gestalten?

TE: Transparent gestalten könnte man, welche Gelder reingekommen sind, in welcher Höhe, wofür sie verwendet wurden usw.

Michael Ballweg: Moment, es ist doch ein ganz normaler Prozess, dass man eine Organisation gründet und dass es dann Jahresabschlussberichte gibt. Ich muss auch ehrlich sagen, wir sind natürlich durch die Demos vollkommen ausgelastet und mit dem, was draußen herum noch läuft. Wenn ich jetzt die, die uns da angreifen … es kommt ja nicht aus der Bewegung.

TE: Ja, schon, das mögen vielleicht keine Aktiven sein, aber selbst da gibt es ja welche, die sich von Ihnen losgesagt haben.

Michael Ballweg: Wer hat sich denn losgesagt?

TE: Schon bei ihrer Versammlung mit dem König von Deutschland sollen doch einige Leute schon während der Veranstaltung sich von ihnen losgesagt und den Raum verlassen haben.

Michael Ballweg: Sie waren ja nicht dabei, die sind gegangen, weil die Polizei gekommen ist, weil sie nicht verhaftet werden wollten, weil sie auch keine Ordnungswidrigkeitsanzeige haben wollten.

TE: Sie hatten da intern keine Auseinandersetzung deswegen?

Michael Ballweg: Natürlich gibt es Auseinandersetzungen, ob der Ort der richtige war, ob die Art, wie es kommuniziert wurde richtig war…

TE: Mit Konsequenzen in der Zusammenarbeit mit Ihnen?

Michael Ballweg: Aber sie haben es doch in der Einleitung angesprochen, natürlich muss man aufpassen, hat man irgendwelche V-Leute dabei – wir hatten mit der Maskenaktion einen Testlauf unserer Kommunikationsstruktur durchgeführt, sie wurde geleakt. Daraus ist medial ein Riesenthema entstanden, da haben wir gemerkt, dass unsere Kommunikationskanäle nicht sicher sind.

TE: Was war da genau?

Michael Ballweg: Es gab doch diese E-Mail mit der Maskenverteilaktion an Schulen über unseren internen Verteiler. Das ging dann über den Kölner Express raus, auf einmal war es in allen Zeitungen, ein Ministerium hat dann sogar Warnungen verschickt an die Schulen, die Schulen haben alle Eltern informiert, und so ist dann eine richtige Lawine losgetreten worden. Aus einer internen „Email“, wo wir mal getestet haben, wie durchlässig ist denn unser Verteiler – können wird denn überhaupt per E-Mail kommunizieren? Aus dem Grund haben wir uns entschieden, oder deshalb war die Einladung zu diesem Treffen so kryptisch, aber natürlich haben wir auch gelernt aus den Fehlern, die wir machen, dass wir da beim nächsten Mal eben anders machen müssen. Und dass man im Vorfeld viel mehr telefonisch abstimmen muss.

TE: Jetzt waren wir aber noch bei den Konten und bei den Spenden. Und sie sagten, dass es natürlich eine Jahresabschlussbericht geben muss. Ist es nicht sinnvoll, den schnellstmöglich abzuliefern, um den Kritikern mal den Wind aus den Segeln zu nehmen?

Michael Ballweg: Was heißt „den Wind aus den Segeln nehmen“?Also ich kenne jetzt keinen Unternehmer oder keine Person, die sich engagiert, die ihr privates Vermögen einsetzt und dann dafür auch noch …

TE: Na, vielleicht hätte man das ja trennen müssen vorher. Dass Zuwendungen und Geschenke eben nicht an Sie ins Privatvermögen fließen, sondern erst einmal an einen anderen Ort. Das ist doch möglich, wenn man eine Bewegung hat, wenn man einen Verein gründet oder wie auch immer. Dafür gibt es doch in Deutschland deutlich bessere Regularien als in vielen anderen Ländern, oder?

Michael Ballweg: ­Das ist von Anfang an ein separates Konto und ich habe auch die Stiftung gegründet oder die Stiftung angemeldet, ich weiß nicht, warum sich das so lange hinzieht. Also das Rechtskonstrukt ist auf dem Weg. Und ich muss auch jedem sagen, der letztendlich kritisiert…

TE: Ist das eine Neiddebatte?

Michael Ballweg: Nein, das ist keine Neiddebatte. Es organisiert sich ja sowieso jede Querdenkeninitiative selbst. Das Thema mit den Schenkungen haben viele aufgenommen, auch viele Youtuber und viele andere. Das ist ein Modell, was vielleicht unkonventionell ist, aber es funktioniert und wir sind in dieser schwierigen Zeit alle gefordert, handlungsfähig zu bleiben.

TE: Aber die Schenkungen gehen doch zentral an Sie, nicht an die einzelnen Gruppen.

Michael Ballweg: Doch, jede Gruppe hat – also ich spreche immer nur für Querdenken 711 – jede Querdenkeninitiative ist unabhängig und kümmert sich selbst um die Finanzierung.

TE: Die Leute regen sich doch konkret auf, weil sie die Vorstellung haben, dass diese Schenkungen einen sehr großen Rahmen haben und weil sie wissen wollen, wo das bleibt. Ich glaube nicht, dass das, was darüber bisher berichtet wurde, die Leute befriedigt.

Michael Ballweg: Ich bin heute Morgen nicht aufgestanden, um die Erwartung von irgendjemand zu erfüllen. Ich gebe hier den Ball direkt an die Landesregierung in Hessen weiter, die sollen möglichst schnell jetzt mal die Stiftung zur Gründung freigeben. Ich warte da drauf, natürlich wird die Stiftung sich dann allen Verpflichtungen, die zwecks Offenlegung da sind, stellen … Erwarten sie denn von irgendeiner Privatperson unterjährig, bevor die Steuererklärung fertig ist, einen Transparenzbericht? Wenn wir Transparenz machen, dann machen wir es richtig. Dann müssen die rechtlichen Sachen entsprechend aufgestellt sein, dann muss das juristisch sauber sein und bis dahin bin ich halt in dieser Zwickmühle, dass ich keine rechtliche Organisation habe.

TE: Die Frage ist, glaube ich, viel einfacher. Niemand möchte einer Bewegung hinterherlaufen, wo sich der Gründer der Bewegung bereichert. Die Leute wollen Ihrer Bewegung folgen, weil sie regierungskritisch ist; sie wollen aber nicht jemandem folgen, der sich bereichert.

Michael Ballweg: Dazu kann ich drei Dinge sagen: Uns zu folgen, dazu wird ja keiner gezwungen. Und es muss auch keiner Geld schenken. Und drittens, zu dieser Neiddebatte, ich habe das ganze Jahr unentgeltlich gearbeitet.

TE: Sorry, faktisch stimmt das ja nicht, Sie haben auf ihren Privatkonten offensichtlich jede Menge Geld, über das Sie nicht sprechen wollen, wenn wir davon ausgehen, dass die Schenkungen nicht gering waren. Also das Geld läuft doch auf ihren Namen und gehört faktisch im Moment Ihnen, es stimmt doch einfach nicht.

Michael Ballweg: Aber das ist doch eine Behauptung, die gar nicht stimmt. Wer behauptet denn, dass da Riesensummen zusammengekommen sind?

TE: Dann lassen Sie es keine Riesensummen sein, es ist jedenfalls nicht nichts auf Ihr Konto gekommen. Und wenn Sie sagen, Sie haben unentgeltlich gearbeitet, ist das für Normalbürger nicht zu verstehen, weil das Geld ja auf Ihrem Privatkonto liegt aktuell.

Michael Ballweg: Nein, das ist doch ein separates Konto…

TE: Aber Sie können doch darüber verfügen und jederzeit abheben.

Michael Ballweg: Nein, eben nicht…

TE: Weil?

Michael Ballweg: Oder doch, könnte ich, wäre möglich. Aber nochmal: Das größere Problem sitzt in der Bundes- und den Landesregierungen. Wenn sich die Leute dann lieber über so etwas echauffieren, sollen sie es machen. Es ist ja keiner gezwungen, mitzumachen.

TE: Angela Merkel und die Ministerrunde haben ihre neuen Lockdown-Verschärfungen verkündet – heute muss man Michael Ballweg fragen, was gestern noch absurd anmutete: Sind Sie damit schon zufrieden oder nicht hart genug?

Michael Ballweg: Auch die neuen Maßnahmen dienen nur dazu, den Lockdown zu verlängern und in die Länge zu ziehen. Das ist ja wieder einmal an Inkonsequenz nicht zu überbieten. Ich habe schon mehrfach gesagt: Ich bin niemand, der an die Wirksamkeit von Lockdowns glaubt, es gibt ja auch viele Studien dazu. Wenn man sich aber einmal in die Position des Gegenübers versetzt – wie müsste denn ein Lockdown aufgebaut sein, damit er funktioniert, dann müssten natürlich die Fabriken geschlossen werden, dann müssten die Flughäfen geschlossen werden, dann müssten auch die Medien in einen Notbetrieb gehen, weil in den Redaktionen und in den Sendern wird ja sicherlich auch viel und eng zusammengearbeitet.

TE: Aber das ist doch den Freunden Ihrer Bewegung gar nicht mehr zu vermitteln. Dass Sie zum einen gegen den Lockdown demonstriert haben im August und da Hunderttausende bewegt haben und Sie jetzt eine Steigerung de Lockdown befürworten. Das ist eine Zäsur. Jedenfalls sehen das viele Menschen heute so, die Querdenken gegenüber positiv aufgestellt sind. Sie haben doch bei Ihren Freunden den Eindruck hinterlassen, Corona sei vielleicht eine etwas schwierige Grippe und dass man im Grunde genommen überhaupt keinen Lockdown bräuchte. Den Eindruck haben ja viele, falscher Eindruck?

Michael Ballweg: Nee, das ist ein richtiger Eindruck.

TE: Aber dann können Sie doch keinen Mega-Lockdown fordern. Das passt doch nicht.

Michael Ballweg: Es ist ja so, die Bundesregierung spricht nicht mit uns. Wir haben verschiedenste Forderungen gestellt. Wir haben jetzt ein Dreivierteljahr die Forderung gestellt, die Maßnahmen sofort aufzuheben. Wir haben der Bundesregierung ein Angebot gemacht, in der Form, dass wir einen zwei Wochen langen Mega-Lockdown akzeptieren würden, wenn es danach wieder brummt und damit der Bundesregierung auch einen Ausweg geboten.

TE: Das ist aber schlecht kommuniziert worden, oder? Das ist doch, was viele nicht in der Form wahrgenommen haben geschweige denn nachvollziehen können. Von diesem Angebot hat doch niemand wirklich etwas gehört auf der Straße.

Michael Ballweg: Die Medien haben ja wieder nicht darüber berichtet. Aber die Medien haben sehr wohl darüber berichtet, dass wir eine Demo-Pause machen. Auf jeden Fall hat die Bundesregierung dieses Angebot ausgeschlagen. Die Bundesregierung möchte offensichtlich bis mindestens 30. Juni einen Lockdown.

TE: Was bitte heißt „ausgeschlagen“ und wie kommen Sie auf den 30. Juni?

Michael Ballweg: Es hat sich keiner von der Bundesregierung gemeldet und gesagt, wir machen jetzt gemeinsam einen Ausweg. Es hat sich gar niemand gemeldet. Die einzigen, die Einspruch erhoben (zum Mega-Lockdown), die Industrie hat sich tatsächlich gewehrt und hat angekündigt, in den Widerstand zu gehen, wenn die Fabriken geschlossen werden. Und bis zum 30. Juni – ich weiß aus sicherer Quelle, dass es für Künstler Auftrittsverbote gibt bis zum 30. Juni, von daher kann man ja davon ausgehen, dass die Einschränkungen, wenn das jetzt schon kommuniziert wird, es gibt keine Konzerte bis 30. Juni.

TE: Die Grünen mit ihrer großen Demonstrationsgeschichte sind da merkwürdig ungerührt. MdB wie der Grüne Konstantin von Notz machen sich per Twitter schon darüber lustig, nach dem Motto, die Querdenker hätten jetzt die Corona-Gefahr erkannt. Ist das zynisch angesichts der Verbotslage?

Michael Ballweg: Die Grünen haben sich zur Corona-Pandemie und zum Thema Grundrechte nicht besonders gut und demokratisch dargestellt, von daher wundert mich das jetzt nicht.

TE: Was hätte man auf den Demos besser machen können?

Michael Ballweg: Natürlich kann man immer alles besser machen, aber ganz ehrlich, wir haben keine Werbeagentur, die hier Claims entwickelt und Dinge macht, wir sind eine demokratische Bewegung aus der Mitte der Gesellschaft, die aus Freiwilligen besteht. Und auch der ganze Auf- und Abbau usw. wurde ja von Freiwilligen in Eigenregie gemacht oder in koordinierter Verantwortung, dass wir da Gruppen gebildet haben. Wir hatten am 31. Juli beispielsweise für die Demo am Folgetag noch keine Stromaggregate, weil alle Anbieter, weil vielleicht auch die Bundesregierung versucht hat alle großen Verleiher zu motivieren, nicht mehr an uns zu verleihen. Wir haben die Aggregate logistisch teilweise aus dem Ausland angekarrt.

TE: Das heißt, dass Sie tatsächlich der Bundesregierung unterstellen wollen, dass die bei Aggregatherstellern anrufen und sagen, leihen sie das nicht den Querdenkern? Oder ist es nicht doch eher so, dass die Verleihfirmen Angst haben, es sich sonst mit anderen wichtigen Kunden zu verscherzen?

Michael Ballweg: Wir wissen von großen Verleihfirmen, dass die gesagt haben, sie haben dann Sorgen, dass sie keine Aufträge mehr von der Bundesregierung bekommen, wenn sie jetzt an uns verleihen.

TE: Also dasselbe Prinzip wie die Veranstaltungsorte, über die wir vorhin sprachen?

Michael Ballweg: Genau.

TE: Eine persönliche Frage: Dieser esoterische Jahrmarkt auf Querdenker-Demos ist ja für viele charmant und wer Ihnen zuhört, ahnt auch im Hinblick auf Ihrer Leidenschaft für die Meditation, dass dieser Tummelplatz auch ein Spiegel Ihres Inneren sein könnte – hätte man das zugunsten einer größeren Klarheit zurückhaltender kommunizieren müssen? Warum glauben heute viele, die Querdenker, ja, das ist so ein esoterisches Völkchen?

Michael Ballweg: Der Eindruck ist mir gar nicht unrecht, ich fand das auch ein großes Kompliment, dass die nach der Demo in Nürnberg über uns geschrieben haben, wir seien Little Woodstock. Die Frage ist doch immer, wie soll denn eine Demonstration aussehen? Was wir wollen, sind friedliche Demonstrationen, auf denen die Leute Energie tanken können. Ich bin ja ein Mensch, der energetisch arbeitet. Die Bundesregierung bietet allen Menschen im Moment ein Energie-negatives Umfeld an mit Maskenpflicht, mit Repressionen, mit „man darf sich nicht mehr unterhalten“. Und wir bieten eben aus unserer Sicht ein Energie-positives Konzept an. Es gibt ja keine Konzerte mehr, es gibt nichts mehr, was Menschen Freude macht. Zumindest im Veranstaltungsbereich.

TE: Haben Sie eine Vorstellung davon, wie das bei vielen Menschen ankommt, wenn Sie von einer energetischen Herangehensweise sprechen? Schreckt das möglicherweise mehr Menschen ab, als dass es vereinnahmt? Da ist doch ein überschaubarer Kreis, der in Gänze versteht, was energetisches Arbeiten meint. Und dann dieses gefühlte Übergewicht freikirchlicher Aktivitäten auf den Demos…

Michael Ballweg: Ob die Menschen das energetische Thema verstehen? Sie müssen das ja gar nicht verstehen, sondern sie merken es ja einfach, wenn sie dort sind auf der Demo, wie fröhlich die Menschen sind. Wie ungezwungen die Menschen sind, wie einfach man miteinander in Kontakt kommt. Das ist ja das, was Energie-positiv heißt. Das muss man nicht verstehen. Zwei Dinge aber versteht jeder Mensch: Ich habe die Möglichkeit, daheim zu sitzen, mich von den Medien berieseln zu lassen und der Regierung zu vertrauen, dass sie das Beste tut, was für die Bevölkerung notwendig ist in so einer Lage. Oder ich habe die Möglichkeit zu sagen, ich bin mit den Regierungsmaßnahmen nicht einverstanden. Und ich möchte mich gerne mit Menschen austauschen, die das genauso sehen. Dafür ist dann die Demonstration der richtige Ort.

TE: Gibt es eine Zukunft mit Ihnen an der Spitze der Querdenker? Wo sehen Sie sich da selbst?

Michael Ballweg: Mir geht es darum, in einem Land zu leben, in dem wir eine freiheitlich-demokratische Grundordnung haben, in der jeder seine Meinung sagen darf, und in dem diese Spaltung – die durch wen auch immer systematisch erzeugt wird – einfach aufhört. In der auch die Menschen wieder in kleineren Einheiten friedlich zusammenleben können. Und da kann sich jeder überlegen, wo passe ich hin, wo möchte ich sein? Das ist übrigens auch das Prinzip bei Querdenken. Wer bei 711 nicht mitmachen möchte, dann kann er ja zu 7141 Ludwigsburg gehen oder wo es ihm gefällt. Und natürlich werde ich dieses Jahr komplett weitermachen. Und nur, weil wir mal ein bisschen Energie tanken müssen bzw. einfach auch mal ein bisschen Struktur schaffen müssen – es kommen ja jeden Tag neue Probleme auf.
Ich bin ja auf die Straße gegangen, weil Videos von Wolfgang Wodarg gelöscht wurden. Weil Sucharit Bhakdi zensiert wurde. Das waren ja meine Hauptthemen, weil ich gesagt habe, es gibt in einer Demokratie zwei wichtige Grundrechte, die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit. Und beides gleichzeitig war eingeschränkt.

Generell, wenn wir über Meinungsfreiheit sprechen: Meinungsfreiheit bedeutet für mich: Dass der Herr Bhakdi und der Herr Wodarg ihre Meinung sagen dürfen. Und dass das dann nicht einfach gelöscht wird. Meinungsfreiheit heißt für mich auch, dass man solche Themen in einem öffentlichen Diskurs besprechen kann. Es wird über die Menschen gesprochen und nicht mit den Menschen. Die Frage ist doch, warum die Menschen so große Angst haben vor dem, was Herr Bhakdi sagt, dass man ihn offensichtlich weder einlädt zu einer Diskussionsrunde, noch das ihm eine öffentliche Plattform geboten wird. Man könnte das – und da wäre der Herr Lanz sicher ein geeigneter Moderator, es gibt ja auch gute Fernsehformate – man könnte ja diesen ganzen Diskurs führen und dann würden ja keiner sagen, hier wird etwas hintenrum entschieden. Man kann ja auch diese ganzen Themen und Vorwürfe in einer Talkshow vor Millionen Zuschauern debattieren.

TE: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Alexander Wallasch

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