Dietmar Schilff ist gebürtiger Braunschweiger und seit 1979 bei der Polizei. Fast schon seine gesamte Laufbahn hindurch ist Schilff gewerkschaftlich organisiert in der Gewerkschaft der Polizei (GdP). In seiner aktuellen Position als Stellvertretender Bundesvorsitzender war er am 1. Mai Hauptredner der Maikundgebung auf dem Bremer Domshof. Gekommen waren drei-viertausend Bürger. Wäre er in Braunschweig geblieben, wäre er auf bis zu siebentausend Teilnehmer getroffen. Aber in Braunschweig übernahm Frank Bsirske, Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, das gewerkschaftlich-rote Zepter.
In Bremen wollten nun allerdings längst nicht alle Teilnehmer hören, was Schilff zu sagen hatte. Etliche Banner und Plakate wurden hochgehalten mit der Aufschrift: „Keine Polizei am 1. Mai. Der 1.Mai ist unser Tag.“
Nun folgte auch die Mai-Kundgebung in Bremen einer traditionell linken Choreografie. Das liegt in der Natur der Sache. Rot ist die dominierende Farbe. Der Kapitalismus, der Staat, der ihn organisiert und die Polizei, die ihn schützt und verteidigt, sind nun mal die traditionellen Feindbilder.
Was Schilff in Bremen allerdings schwarz auf weiß entgegengehalten wurde, muss noch einmal als Eskalationsstufe durchgehen, wenn der von den Bremer Gewerkschaftlern geladene Braunschweiger Kollege der Polizeigewerkschaft (die GdP ist DGB-Gewerkschaft mit Sonderstellung) auf Bannern lesen musste: „Deutsche Polizisten – Mörder und Faschisten“. Oder: „Weg mit den Polizeigesetzen, die den Faschismus vorbereiten.“
Hintergrund: Das bremische Polizeigesetz soll an drei Stellen überarbeitet werden: „bei der Überwachung der Telekommunikation, bei der Videoüberwachung im öffentlichen Raum und beim Einsatz von elektronischen Fußfesseln. Die Innenbehörde hatte hierzu im Januar einen Entwurf vorgelegt, der seither mit den Fraktionen der Regierungskoalitionen abgestimmt wurde.“
Nun ist Dietmar Schilff alles andere als ein Hardliner, wenn er beispielsweise dafür wirbt, Deutschland als reiches Land habe die Möglichkeit, unwahrscheinlich viel für Zuwanderer zu tun – gegen Rassismus, gegen Ausländerfeindlichkeit. Schilff forderte in Bremen „Vielfalt, Solidarität und Gerechtigkeit in Deutschland“ (Motto der Veranstaltung). Ebenso, wie er auch dazu aufforderte, klare Kante gegen die AfD zu zeigen.
Kritik an seinem Auftritt wurde schon vor der Veranstaltung laut, beispielsweise von der Linksjugend Solid, die sich gegen eine Verschärfung des Polizeigesetzes aussprach, das nur dazu dienen würde, „Arbeitskämpfe, Streiks und Demonstrationen wie beim G20-Gipfel zu verhindern oder stark einzuschränken.“ Ausgerechnet einen Polizisten als Hauptredner wollte man da nicht. Die Bremer DGB-Vorsitzende Annette Duering hielt dagegen und am Hauptredner fest.
In einer schriftlichen Stellungnahme vom 20. April heißt es: „Wer den Gewerkschaftskollegen Dietmar Schilff für Polizeieinsätze und ihren Verlauf verantwortlich macht, also gezielt jedwede Verantwortung in einen Topf wirft, handelt fahrlässig und entgegen unseren gewerkschaftlichen Werten von Solidarität und Respekt.“ Zum Wesensmerkmal der Einheitsgewerkschaft gehöre „die Debatte und das Ringen um gemeinsame Positionen.“
„Wer so etwas hochhält, hat nicht alle Latten am Zaun“, kommentierte später Dietmar Schilff die Banner vom Rednerpult aus. Inwieweit hier strafrechtlich relevante Überschreitungen stattgefunden haben, ermittelt aktuell noch die Bremer Polizei.
Anette Duering ist telefonisch erreichbar und distanziert sich sofort. Sie hätte sich sehr aufgeregt über diese Banner und die vorwiegend jungen Leute, die sich damit in Szene setzen wollten. Ein direktes Eingreifen, so befand man vor Ort, hätte aber auf der Kundgebung zu viel Aufmerksamkeit generiert. Also entschied man sich stattdessen dazu, diese Banner einfach mit eigenen DGB-Fahnen zuzustellen. Aber da begannen die Bannerträger den vor ihnen stehenden Fahnenträgern des DGB in die Kniekehlen zu treten.
Duering würde diese Gruppe, so sagt sie am Telefon, wohl eher in Richtung Aufbauorganisation der KPD verorten. 50-60 Leute seien das schätzungsweise gewesen. Aber eben auch teilweise Gewerkschaftsmitglieder. Die Keimzelle vermutet sie bei Daimler/Bremen und auch in der autonomen Szene.
Nun muss man Duering zu Gute halten, dass diese Gemengelage an Positionen und Haltungen innerhalb des Gewerkschaftsbundes der acht Einzelgewerkschaften schon hausintern hochkompliziert sein muss, vernünftig zusammenzubringen und vor allem: zusammenzuhalten. Aktuell wird gerade viel Kraft investiert, sich von der AfD abzugrenzen, es gibt sogar Argumentationskarten in Boxen, die Gewerkschaftern helfen, Gegenpositionen einzunehmen, wenn AfD-Positionen diskutiert werden: „Wir stellen den Positionen und Forderungen der Rechtspopulisten gewerkschaftliche Positionen und Argumente entgegen.“
Hier gegen Rechts aktiv zu werden, fällt den Gewerkschaften offensichtlich traditionell leichter. Die Übergriffigkeiten aus den eigenen Reihen in den Griff zu bekommen fällt deutlich schwerer. Radikale linke Positionen waren schon historisch betrachtet nie gewerkschaftsfremde Positionen. Mit dem Ergebnis, dass der DGB in Bremen zunächst einmal ein stückweit hilflos agiert, wenn die „eigenen Leute“ Banner („Deutsche Polizisten – Mörder und Faschisten“) zeigen, deren Aufschriften aktuell von der Polizei überprüft werden auf strafbare Inhalte. Von Polizisten übrigens, die teilweise ebenfalls unter dem Dach des DGB organisiert sind in der Gewerkschaft der Polizei.