Tichys Einblick
Stadtverwahrlosung

Köln Ebertplatz: Innenstädte, wo Politik und Medien nicht hinsehen

Gegenüber dem Deutschlandfunk sagt Peter Pauls, der Chefautor des Kölner Stadtanzeigers über den Ebertplatz, Politiker würden sich in Rechtfertigungen flüchten. Trotz langer Vorstrafenregister komme es nicht zu Verurteilungen.

Die TE-Recherche sendet dem Autor hier zunächst eine üppige Sammlung von Links nur der letzten Wochen über Vorkommnisse am Kölner Ebertplatz. Tenor fast aller Artikel: Unhaltbare Zustände, Angsträume, nicht mehr das Köln von früher usw. Besonders im Fadenkreuz: der unterirdische Teil des Platzes. Typische 1970er Jahre Betonunterführung wie es sie in fast allen deutschen Großstädten so oder ähnlich gibt.

Selbst Braunschweig hat mitten im Innenstadtbereich so eine Unterführung, die früher belebt war, wo es eine Vielzahl von Ladengeschäften gab, der man aber heute nicht mehr vertrauen mag. Da geht nach 20 Uhr keiner mehr gerne durch. Städtebauliche Sünden begünstigen eine gewaltbereite Drogenszene, in der unmittelbaren Nähe Prostitution, Spielhallen, Discos, Bars und Clubs. Mitten in der Stadt, aber aus genannten Gründen längst keine 1A-Lage mehr. Also auch billiger Mieten, die alternativen Projekten Raum bieten, die hier sonst so zentral keine Gelegenheiten gefunden hätten.

Der Kölner Ebertplatz ist ganz sicher ein besonders prägnantes Beispiel einer solchen Subkultur oder eben Verwahrlosung – wie man es betrachtet, bleibt eine Frage des Standpunktes. Zuletzt wurde hier ein junger Mann spätabends mit einem Messer auf offener Straße in den Oberkörper gestochen. Der Mann konnte vor Ort reanimiert werden, verstarb aber kurz danach im Krankenhaus. Verdächtige wurden festgenommen. Sowohl Tatverdächtige wie Opfer stammen aus Afrika. In Braunschweig übrigens eine ähnliche Klientel: Rund um die Bruchstraße, die mitten in der Innenstadt 50-100 Prostituierten Arbeitsräume bietet, halten sich durchgängig bis zu fünfundzwanzig Schwarzafrikaner auf, die  hier ihre Kunden für den Kokainhandel finden. Ein bundesweites Phänomen also, das in der größeren Stadt nur in noch stärkerem Maße auftritt – und wo noch der Handel mit Crack hinzukommt.

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Gespräche mit den Anliegern des Kölner Ebertplatzes bringen keine weiteren Erkenntnisse. Wer sprechen mag, der spricht, viele nicht. Einige wiegeln sogar ab, so schlimm sei es gar nicht. Ein südeuropäischer Restaurantbesitzer muss lachen. Er käme aus einer Ecke Europas, wo kriegsähnliche Zustände herrschen würden. Köln sei ein friedlicher Ort, der Ebertplatz sei ein friedlicher Ort. Also im Vergleich. Denn auf die Frage, ob er sich als Frau noch abends oder nachts in die Passagen und Unterführungen des Ebertplatzes trauen würde, verneint er, nein, das wäre zu gefährlich, „aber das weiß man als Frau doch.“, fügt er lächelnd an.

„Ebertplatz – Ein Angstraum mitten in Köln“ titelte schon Mitte 2016 die Kölnische Rundschau. Was unterirdisch Angst macht, setzt sich oberirdisch in schon bizarr anmutenden Szenen fort, wenn mitten in den Blumenbetten drei Männer Würstchen grillen. Warum sie das hier machen würden, fragt der Reporter: „Hier ist es lustig, hier laufen so viele kaputte Typen rum“, sagt ein Mann in Jeansjacke und vertreibt seinen Hund vom Fleisch. Hier gibt’s fast jeden Tag Schlägereien“, erzählt er, „das ist Stadtkino“.

Ja,. Ein Kino gibt es auch am Ebertplatz. Die junge Dame, die nachmittags dort tätig ist, verweist auf den Geschäftsführer, der käme erst später, sie selbst möchte nicht dazu sagen. Sie fügt aber an, dass die Zeitungen schon die Wahrheit berichten, übertrieben sei das nicht. Auch sie geht abends nicht mehr in die Unterführungen, wählt einen anderen Weg. Im Programmkino läuft aktuell „Hexe Lilli rettet Weihnachten“, es gibt also noch Eltern, die es schaffen, ihre Kinder hier vorbei an den Dealern und Kriminellen ins sichere Kino zu schaffen. Denn wäre das nicht so, würde man hier wohl in Endlosschleife  „Scarface“, „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ und vielleicht noch „Der Pate“ bringen.

Das Fernsehen war neulich auch mal da. Und nun ist es das eine, privat in einem Wohnzimmer zu filmen und etwas ganz anderes, dafür einen solchen öffentlichen Platz auszuwählen. Wenn man einen Nachtdreh ausgerechnet in der Unterführung am Kölner Ebertplatz durchführt, dann darf man das blauäugig nennen. Der Aufnahmeleiter zog folgerichtig die Reißleine und beendete den Dreh vorzeitig, berichtet der Express. Die Crew war unplanmäßig in einem Wohnzimmer der ganz anderen Art gelandet. Die Film-Crew sei massiv gestört worden. Die als leichte Mädchen verkleideten Komparsinnen waren da sicher auch nicht hilfreich. Die Folge waren lautes Geschrei und massive Bedrohungen. Dunkle Geschäfte vertragen nun mal keine Scheinwerfer.

Was sagt die Kölner Polizei zu alledem? Auch der Polizeipräsident spricht von baulichen Sünden. Schiebt es auf die Architektur. Man könne nur Nadelstiche setzen, immer wieder präsent sein, „aber das alleine löst das Problem nicht.“ Eine Woche später wären sie wieder vor Ort, die Kranken, die Drogenabhängigen, die Dealer.

Nun haben auch rechte Hooligans die Probleme am Ebertplatz für sich entdeckt und wollten anscheinend erledigen, was die Polizei nicht in den Griff bekommt. Ansässige Künstler wurden angepöbelt und bedroht, eine Schwarzafrikanerin musste in ein nahegelegenes Lokal flüchten. Gegen einen 55-Jährigen leiteten die herbeigerufenen Beamten ein Strafverfahren wegen volksverhetzender Äußerungen gegen Schwarzafrikaner ein. Das ist korrekt nach den Buchstaben des Gesetzes verfahren, lädt aber möglicherweise nur weiter ein, der Polizei Unfähigkeit oder zweierlei Maß vorzuwerfen.

Vor wenigen Wochen stach ein Schwarzafrikaner mit einer abgebrochenen Flasche auf zwei türkische Männer ein. Ein Streit zwischen Dealer und Kunden? Die Initiative „Köln gegen Rechts“ befürchtet eine neue Eskalation aus einer ganz anderen Richtung. „Es steht zu befürchten, dass am Ebertplatz ein Schauplatz rechtsextremistischer Hetze und Gewalt entsteht“, erklärte ein Sprecher. „Insbesondere aus dem extrem gewaltbereiten Spektrum der sogenannten Bürgerwehren und der Hooliganszene ist von weiteren Aktionen auszugehen. Jetzt gilt es dringend zu verhindern, dass sich extrem rechte Gewalt in Köln etabliert.“ Verkehrte Welt? Was für Lösungsansätze sind das eigentlich? Nein, ganzheitlich sieht sicherlich anders aus.

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Das alles ist schlimm. Sehr schlimm sogar. Weil es in der Nachbarschaft und nicht mehr nur im Fernsehen oder auf der Kinoleinwand passiert. Weil es Plätze in deutschen Städten gibt, ganze Areale, die besonders für Frauen No-Go-Areas geworden sind. Nein, neu ist das nicht. Neu ist die rasante Ausdehnungs-Geschwindigkeit und die demgegenüber offen eingestandene Hilflosigkeit von Polizei und Staat. Auch das Rezept, hier beispielsweise zunächst eine alternative Kunstszene zuzulassen und billigen Arbeitsraum anzubieten um dann auf eine Gentrifizierung, auf einen so genannten sozioökonomischen Strukturwandel zu hoffen, erweist sich als völlig wirkungslos.

Die 1980er Jahre sind längst vorbei. Es gibt diese Aufbruchsstimmung der Jugend nicht mehr. Und es gibt Kokain und Crack. Schon die 1968er erlebten diesen rasanten Zerfall ihrer neuen Lebenswelten unter einem steigenden Drogenangebot. Nur das es damals Haschisch, LSD und später Heroin war.  Diese Verwahrlosung der Innenstädte passiert ja nicht zum ersten Mal. „Nach Hasch kam die „Berliner Tinke“ — eine Opiat-Aufschwemmung in Essigsäure -, danach Heroin.“, schrieb der Spiegel 1977. Das Titelbild berichtete: „Harte Welle in Deutschland. Heroin. Der tödliche Schuss.“

Nein, solche Orte können wohl nie ganz befriedet werden. Drogen, Prostitution, Spielsucht, Obdachlosigkeit und Armut sind zwar nicht die einzigen, aber die besonders auffälligen Fingerprints westlicher Großstädte. Kommen noch, wie nun mit der Flüchtlingskrise, auf einen Schlag hunderttausende Menschen mit allzu großen Hoffnungen nach Deutschland, mit Wunschvorstellungen, die sich in Luft auflösen, dann werden damit neue Verlorene rekrutiert für diese düsteren Unterführungen und Plätze der Republik.

In Nordrheinwestfalen hinzugekommen zur sowieso schon hohen Kriminalität in Städten wie Köln sind 4.300 Delikte von Diebstahl und körperlicher Gewalt pro Monat alleine von Zuwanderern, die sich illegal im Land aufhalten. Gegenüber dem Deutschlandfunk sagt Peter Pauls, der Chefautor des Kölner Stadtanzeigers über den Ebertplatz, Politiker würden sich in Rechtfertigungen flüchten. Trotz langer Vorstrafenregister der mutmaßlichen Täter komme es nicht zu Verurteilungen: „Wer einen klaren Blick hat weiß, dass das eine andere Klientel ist (als früher). Und es wirft natürlich, sagen wir mal, einen Schatten auf die Willkommenskultur, das ist ganz klar, weil es ein unhaltbarer Zustand ist.“

Pauls Fazit muss dann wohl leider für viele deutschen Großstädte gelten: „Dunkelstellen (und) Bausünden müssen beseitigt werden, nicht nur, weil sie Bausünden sind, sondern weil sie Sicherheitsrisiken sind und weil sie auch nicht mehr in die moderne Zeit und Gesellschaft passen.“ So wurde zunächst unsere Gesellschaft nachhaltig und in kürzester Zeit umgebaut, jetzt sollen wir also daran gehen, unsere Städte umbauen. Oder gleich ganz neu zu bauen.

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