Tichys Einblick
Es wird immer schlimmer

„Kleine Germanen“: animierte Schulerziehung oder Propaganda?

Als begleitender Film zur Mitte-Studie?

Screenprint: Youtube/Little Dream Entertainment

Heute startet in ein paar ausgewählten deutschen Kinos der Animations- und Dokumentarfilm „Kleine Germanen“. Glaubt man den Vorankündigungen, wohl eine Art Zeichentrickdokumentation. Vor den ersten Aufführungen soll hier die Vorgeschichte erzählt werden, anhand von Interviews mit den Machern des Films und Presse-Kommentaren dazu.

Über den Inhalt und die Machart von „Kleine Germanen“ (Drehbuch, Produktion und Regie: Mohammad Farokhmanesh und Frank Geiger) heißt es, sie bestehen aus einer ungewöhnlichen Verbindung aus Dokumentar- und Animationsfilm. Die Filmemacher wollen damit auf ein „kaum aufgearbeitetes Problem unserer Gesellschaft aufmerksam“ machen: Kinder, die von ihren Nazi-Eltern in einer rechtsextremen Ideologie erzogen werden.

Was dann im Weiteren phasenweise klingt wie aus einer Schulfibel der untergegangenen DDR oder einer Handreichung der Kahane Stiftung, steht da tatsächlich so in der Vorankündigung zum Film:

„Der Dokumentarfilm blickt (…) über die traditionellen Strukturen rechtsextremer Gruppierungen hinaus in einen Teil unserer Mittelstandsgesellschaft, der immer stärker von rechtspopulistischen Strömungen geprägt ist – und konfrontiert den Betrachter mit Protagonisten, die ihre Kinder im Geist einer demokratiefeindlichen Welt erziehen.“

Ein begleitender Film zur Mitte-Studie?

Der rote Faden der Geschichte soll aus Zeichentrick bestehen, zwischendurch wird allerdings mit Götz Kubitschek der böse Wolf in Originalaufnahmen vorgeführt. Die Zeichentrickfigur Elsa, ein kleines Mädchen – analog Rotkäppchen? – „spielt mit ihrem Opa Soldat, „mit ausgestrecktem rechten Arm hat sie „Für Führer, Volk und Vaterland!“ gerufen und war ganz stolz darauf. Heute blickt sie auf eine Kindheit zurück, die auf Hass und Lügen gebaut war und versucht zu verstehen, was diese Erziehung aus ihr und ihren eigenen Kindern gemacht hat.“

Die deutsche Filmbewertung schreibt unter einem Sepia-Bild von Kubitschek und Gattin in ihrer Dunkelholzkate im Rittergut Schnellroda: „Äußerst feinfühlig arbeitet sich der Dokumentarfilm von Mohammad Farokhmanesh und Frank Geiger an das Thema heran. Dafür erzählt er die Lebensgeschichte von Elsa.“

Eine fiktive Geschichte in Animationstechnik in einem als Dokumentarfilm ausgewiesenen Streifen oder doch die reale Geschichte einer Elsa? Laut WELT soll es um eine reale Geschichte gehen, aber besagte Elsa – heute erwachsen, wollte nicht vor der Kamera sprechen. (Trailer zum Film: hier)

Weiter heißt es da im Sprachduktus einer dieser „Handreichungen“ für Kindergärten aus dem Hause Amadeu Antonio Stiftung: „Durch seine Einfühlsamkeit gelingt es dem Dokumentarfilm, ein Gespür für das Klima in diesen Peergroups zu vermitteln. Dem durch die Ängste entstehenden Druck von außen wird ein innerer Druck entgegen gesetzt. Diskurse sind alleine dadurch beinahe unmöglich.“

„Rund 500 Schulen wollen den Film ihren Schülern zeigen.“, schreibt wieder die WELT. Kleine Germanen scheint also auch hier seine Förderer gefunden zu haben, denn auch so etwas muss ja erst einmal querfinanziert werden, von der politischen Funktion einmal ganz abgesehen. Denn nicht vergessen darf man, dass auch dieser Film im direkten Vorfeld der EU-Wahl präsentiert wird.

Den hohen propagandistischen Wert – sie erfahren gleich, warum wir es hier so nennen dürfen – liefert der Regisseur gleich selber beispielsweise gegenüber dem Deutschlandfunk-Online ab: Bebildert ist das Gespräch mit Geiger dort mit einem Bild aus seinem Animationsfilm mit der Unterschrift:

„Standbild aus dem Film „Kleine Germanen“: Die Comic-Figur des Mädchen Elsa salutiert in SS-Uniform. (Little Dream Entertainment)“

Dort erklärt Regisseur Frank Geiger, mit seinen Zeichentrickbildern soll „den Zuschauern Emotionen vermittelt werden“. „Wie fühlt es sich an, in so einer Familie aufzuwachsen“, sei seine Leitfrage. Also in einer Familie mit einem Opa, der noch im Krieg gedient hat und bei der SS war? Gibt es solche Opas heute noch? Wie alt müssen die sein, wenn es keine Kindersoldaten waren? Klingt das nicht viel mehr nach einer sehr düsteren Version von Loriot oder Sketchup?

Ihm sei wichtig gewesen, die emotionale Dimension in seinem Film zu vermitteln, erzählt Geiger. Na klar, so funktionieren düstere Filme, es soll einen gruseln. Und Geiger erzählt dort weiter, dass Indoktrination „weitreichende Folgen“ habe, denn sie erzeuge Angst: Nein, er meint nicht seine filmische Arbeit, sondern Eltern mit Nazi-Genen, die ihre Kinder am Küchentisch das Essen mit Scharf-Rechts versauen.

„Angst ist das zentrale Motiv. Das ist das, was die Eltern empfinden und an ihre Kinder vermitteln. Sie sagen ihnen: ‚Pass auf, diese Welt ist gefährlich.“

Nein, auch hier bleibt Geiger ganz bei sich und seiner Arbeit, hier geht es nicht um eine Mahnung vor dem Untergang der Welt durch Klimakatastrophen, hier wird nicht etwa in der Hauptstadt des Reichs des Bösen der „Klimanotstand“ ausgerufen.

Den Hintergrund der eingespielten Szenen mit realen rechten Protagonisten erklärt Geiger mit irgendetwas, dass wohl irgendwie nach angewandter Psychoanalyse klingen soll: „Wir waren neugierig. Die Rechten werden nicht mehr nur als die Monster wahrgenommen, die aus dem Nichts daherkommen, sondern da ist etwas in der Kindheit passiert, was jedem anderen auch passieren könnte.“

In der WELT wiederum heißt es in einer Vorbesprechung zum Film:

„Es gibt keine Statistiken über „völkische Erziehung“, auch Geiger und sein Co-Regisseur Mohammad Farokhmanesh können nicht sagen, wie viele Kinder in Deutschland „völkische Erziehung“ genießen, ob es Hunderte oder Zehntausende sind. Durchaus benennen lassen sich die Elemente einer solchen Erziehung: Abschottung gegenüber der Umgebung, Widerstand gegen das verhasste „System“, Gehorsam gegenüber Älteren, Achtung für Traditionen, Zusammenhalt in der Familien- und Ideologieblase sowie das Schüren von Ängsten gegenüber allem Fremden.“

Schauen wir hier einmal der Reihe nach:

„Abschottung gegenüber der Umgebung“ – Was kann da gemeint sein? Ist hier schon Nazi, wer heute vorsichtiger geworden ist, wenn Helikoptereltern ihre Töchter abends aus der Stadt abholen und Kinder nicht mehr wie früher unbewacht auf die Straße gehen dürfen? Ist das dann der Nazi in der Nachbarschaft?

„Widerstand gegen das verhasste „System““ – Was meint hier „Widerstand“? Wenn sich jemand im Park oder vor dem Bahnhof auf eine Bierkiste stellt und sich öffentlich verbal gegen Merkel positioniert?

„Gehorsam gegenüber Älteren“ – Worum geht es hier? Um unangebrachten Respekt gegen mutmaßliche Naziopas und Klimavergifter? Geht es hier um das, was die Amadeu Antonio Stiftung in ihrer Handreichung für Kindergärten erzählt, woran man Kinder von Nazi-Eltern erkennen könne? Um Gehorsam und blonde Zöpfe?

„Achtung für Traditionen, Zusammenhalt in der Familie“ – gut, dass muss nicht mehr kommentiert werden. „Kleine Germanen“ – Nazi ist halt der, der Weihnachten mit dem SS-Opa feiert und der dann selbstredend traditionell aus Orangenschalen geschnitzte Hakenkreuze am Tannenbaum aus dem Westerwald hängen hat?

Der WELT-Artikel von Hanns-Georg Rodek endet mit den Sätzen:

„Es ist das Gleichnis von dem unerkannt wuchernden Krebs, von der langsamen Umwandlung einer Gemeinschaft und ähnelt der inneren Rückeroberung, von der die Neurechten in Deutschland träumen.“

Wessen politische Sprache ist das, Herr Rodek, mit dem „wuchernden Krebs”?

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