Tichys Einblick
Verstörende Reaktionen

Klammheimliche Freude?

Zahl und Art der klammheimlichen Freude und Genugtuung über das Bremer Attentat sind verstörend.

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Es dauerte keine 24 Stunden von der Veröffentlichung des Bildes aus dem Krankenhaus mit einem blutüberströmten Gesicht, bis sich auch aus dem vermeintlich bürgerlichen Lager Sympathisanten der mutmaßlich linksradikalen Angreifer gegen Frank Magnitz zu Wort meldeten und auf diese oder jene perfide Art ihre klammheimliche Freude und Genugtuung über die schwerwiegende Körperverletzung kundzutun.

Selbst noch – oder sogar insbesondere – Prominente aus Politik und Medien vergreifen sich auf eine Weise im Ton, die bedenklich bis schockierend erscheinen muss. Wenige scheuen sich, einige scheinen direkt stolz darauf zu sein, sich verbal als so etwas wie Stadtindianer 2.0 vorzustellen. Der historische Bezug einer klammheimlichen Freude über den Buback-Mord durch die RAF wird hier fast automatisch zur erwünschten düsteren Bezugsgröße.

Klammheimliche Freude?

Erschwerend kommt hinzu, dass eine Reihe von Politikern und Medienleuten nichts daran finden, jetzt in großer Scheinheiligkeit einen Angriff auf Leib und Leben eines politisch Andersdenkenden zu verurteilen – freilich nicht, ohne zu relativieren – den sie zuvor indirekt oder sogar direkt (taz) gefördert, gebilligt, wenn nicht herbeigeschrieben haben. Für die politische Karriere ist man zu einer Demutsgeste bereit, die klammheimliche Freude allerdings quillt mal mehr, mal weniger üppig hervor.

Bild schreibt am 8.01.2019 dazu:

„Am 28. Dezember hatte sie einen Text ihres Korrespondenten Ralf Sotschek (64) veröffentlicht. Diskussions-Thema: „Mit Rechten reden“. Darin kommt der Autor zu dem Ergebnis, es sei „naiv zu glauben“, man könne das „braune Fußvolk (….) etwa in Chemnitz“ bekehren.

Als vermeintlich gutes Beispiel führt er stattdessen die sogenannte „Gruppe 43“ an: Sie sei ab 1946 durch London gezogen, um Faschisten zu verprügeln, „wann immer die öffentlich auftraten“. Folge: „Die Faschisten waren von der Straße vertrieben.“ Fazit des Autors: „Heutzutage bräuchte man sehr viele ‚Gruppen 43‘.“

Bitter: Wenige Tage nach dem Artikel explodierte ein Sprengsatz vor einem AfD-Büro, nun der Prügel-Überfall auf den Bremer AfD-Politiker (Motiv noch unklar). Auf BILD-Nachfrage schreibt die „taz“- Chefredaktion: „Der Artikel war nicht als Aufruf zu Gewaltattacken gemeint.“

Sotschek selbst räumte ein, sein Text sei „vielleicht missverständlich ausgedrückt“. Der Redakteur zu BILD: „Ich lehne Prügelattacken und Sprengstoffanschläge entschieden ab.“ Die „taz“ titelt heute: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“.“

Der grüne MdB Cem Özdemir ist sich nicht zu schade, dem Schwerletzten kurz nach dem Aufwachen einen Hashtag #nazisraus vor das Krankenbett zu twittern. Wir haben berichtet.

Der ehemalige Stern-Herausgeber Andreas Petzold fühlt sich beschwingt genug, wenige Stunden nach dem Attentat Jörg Meuthen dafür zu tadeln, dass der das Foto des Verletzten veröffentlicht hätte. Meuthen würde damit versuchen, den Überfall „emotional auszuschlachten“, sagt ausgerechnet der ehemalige Chefredakteur und Ex-Herausgeber des Stern, Fachmann für solches Ausschlachten.

Schlimmer noch: Petzold fühlt sich bemüßigt, seine Kompetenz in der Sache in einem weiteren Twitter-Kommentar daraus abzuleiten, dass sein Großvater „von der Gestapo erschossen (wurde) wg Verschwörung. Das reicht mir #20Juli #Stauffenberg“.

Ungeahndet
Berliner Tageszeitung „taz“: Gewaltaufruf gegen Regierungskritiker
Nun ist der Großonkel des Autors hier sogar direkter Beteiligter an der Vorbereitung des Attentats auf Hitler gewesen und dafür von Richter Freisler zum Tode verurteilt und am Schweinehaken in Plötzensee aufgehängt worden, bis der Tod eintrat. Aber niemals käme der Autor hier auf die Idee, damit irgendeine verbale Zurechtweisung zu rechtfertigen, wie das Petzold hier macht. Wie viel peinlicher kann einer eigentlich noch sein? Als sich Erika Steinbach seiner via Twitter annimmt, wird es dem Ex-Herausgeber des Stern zuviel und zieht sich raus: „Bitte nehmen Sie mich aus Ihrer Unterhaltung raus, Danke Ihnen und einen guten Start ins neue Jahr.“ Nun dürfen wir unterstellen, dass seine guten Wünsche vergiftet sind, aber dieser kontaminierte Sound des Elfenbeintürmlers zeiht sich durch seinen Twitter-Account, flankiert von immerhin noch 14.310 Followern.

Und während Polizisten-Schläger Joschka Fischer neuerdings den Lobbyisten für einen Cannabisproduzenten gibt, waren in der Redaktion von Claas Relotius die Tastaturen in Sachen Frank Magnitz offensichtlich ebenfalls waidwund vor Klammheimlichkeit. Ist das nur bekifft oder schon gemeingefährlich, wenn sich Ansgar Siemens für den SPIEGEL erdreistet, den Anschlag auf das Leben eines Bundestagsabgeordneten zu kommentieren mit den Worten: „Frank Magnitz (…) telefoniert den ganzen Tag über mit Journalisten und Parteifreunden; er empfängt Kamerateams und einzelne Reporter.“ Also zu suggerieren: Naja, wer so was macht, dem kann es so schlecht nicht gehen. Aber woher weiß Siemens eigentlich, was der Schwerverletzte den „ganzen Tag“ über macht? Sitzt er neben ihm am Krankenbett oder hat er sich am Ende an der Arbeitsweise des Ex-Kollegen Claas Relotius orientiert? Weiter heißt es da beim SPIEGEL-Autor, Magnitz wolle die Tat für eine politische Botschaft nutzen. Natürlich geht es noch unanständiger. Geht es eigentlich immer.

Vom SPIEGEL direkt zum sozialdemokratischen Bundespräsidenten. Der hatte unlängst ebenso, wie Außenminister Heiko Maas (der gratulierte zum Engagement der Band) ein Konzert der linksradikalen Kombo Feine Sahne Fischfilet mit den Worten: „Wir sind mehr!“ empfohlen. Die WELT berichtete über die Band: „Aus ihrer Verachtung für Recht und Ordnung und ihre Ablehnung des staatlichen Gewaltmonopols haben die Musiker kein Geheimnis gemacht.“ Eben dieser Bundespräsident äußert sich jetzt zum Anschlag auf den AfD-Abgeordneten in einem eilig geschriebenen Brief dahingehend, dass unsere Demokratie Kontroverse bräuchte, „den Schlagabtausch (was für eine Wortwahl!) mit Argumenten, auch wenn dieser einmal scharf sein mag. Politische Gewalt aber – gleich von welcher Seite – dürfen wir niemals zulassen.“

Noch in seiner Weihnachtsansprache hatte Steinmeier gewarnt vor Zuständen wie in Frankreich. Auch Deutschland wäre nicht geschützt vor brennenden Barrikaden (Gelbwesten): Nun darf man allerdings sicher sein, dass der neuerliche Anschlag auf einen AfD-Abgeordneten wieder ein paar tausend regierungskritischen Bürgern mehr Angst gemacht und sie zum Schweigen gebracht hat. Das gilt es zu benennen als Bundespräsident, nicht, die Bürger aufzufordern, noch unterm Weihnachtsbaum zu streiten, während auf der Straße in Nebengässchen aufeinander eingeprügelt wird.

Die Liste hier kann noch viel länger sein, aber der Bedarf, sich mit diesen bigotterien und klammheimlichen Freuden zu beschäftigen ist gottseidank endlich. Und ist der eine Gewalt herbeiwünschende Hetzer weg (Georg Diez ist nicht mehr bei den SPON-Kolumnisten), springt schon der nächste in die Lücke, wenn beispielsweise Margarete Stokowski nichts dabei findet, heute im Windschatten des Anschlags auf Magnitz sofort an die Mordversuche per Auto in Bottrop und Essen zu erinnern, fast so, als gelte es, eines mit dem anderen zu rechtfertigen, zu negieren.

Wie verroht ist wer und seit wann?

Frau Stokowski lebt in einer Welt, die „immer noch von Rassismus und Frauenhass geprägt ist“. Den Hass ihrer eigenen Klientel sieht sie offensichtlich nicht, sie scheint immun gegen Bilder, die blutverschmiert einen alten weißen Mann mit offener Stirnglatze zeigen, dann nämlich, wenn sie sich nicht zu schade ist, den Angriff auf diese Weise journalistisch zu begleiten. Letztlich allerdings ist immerhin Stokowski damit stringent. Stringenter als Außenminister Heiko Maas, der heute ähnlich wie Steinmeier sein eigenes jahrelanges Tun gegen Andersdenkende mit markigen Worten gegen Gewalt relativieren wollte.

Wir erinnern uns, weil wir eben auch darüber berichtet haben, als die Frage im Raum stand, ob und warum Autorin Stokowski zur Gewalt gegen Andersdenkende aufgerufen hat. Stokowski war es übrigens auch, die sich – wieder in einer Kolumne – erregte, dass das Innenministerium eine linksradikale Internetseite verboten hatte, die explizit zur Gewalt gegen Andersdenkende aufrief. Eine Gefahr von links konnte die Autorin nicht entdecken, das sei doch „eher abstrakt“. So abstrakt, wie die klaffende Wunde am Schädel des Bundestagsabgeordneten aus Bremen?

Weitere Beispiele verbaler Entgleisungen und klammheimlicher Freude gibt es zuhauf in diesen Stunden. Uns reicht’s.

P.S.: Inzwischen hat die Bremer Staatsanwaltschaft das Attentat auf einen schweren Sturz des Schwerverletzen, verursacht durch einen körperlichen Angriff „herabgestuft”. Es wird interessant sein, zu sehen, wie jene das aufnehmen und nun kommentieren, die ihre klammheimliche Freude zum Ausdruck brachten, bevor sie das wissen konnten.

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