Tichys Einblick
Anscheinend hoffnungslos

Kein Ende des Krieges in Syrien: Zu viele Fronten, zu viele Interessen

Der Krieg in Syrien geht weiter. Auf Stabilisierungen folgen Destabilisierungen. Alte Interessen kollidieren, neue Interessen entstehen und weitere Flüchtlingswellen machen sich auf den Weg. Es ist keine Lösung für Syrien in Sicht.

BRENDAN SMIALOWSKI/AFP/Getty Images

Die Meldungen sind zunächst widersprüchlich. Laut syrischen Staatsmedien hat Israel Luftangriffe über syrischem Staatgebiet geflogen. Im Norden des Landes soll am späten Sonntagabend eine Stellung der Armee angegriffen worden sein mit dem Ziel, die Rebellenverbände gegen Assad zu entlasten. Israel lehne bisher jede Stellungnahme ab. Laut syrischer Staatsmedien soll lediglich Sachschaden entstanden sein; die Angriffe hätten den Zweck gehabt, den Vorstoß gegen Aufständische zu unterbinden.

Eine Offensive der syrischen Armee gegen diese „Aufständischen“ näherte sich der israelischen Grenze, die den Rebellen bisher auch Schutzzone gewesen sein muss in der Annahme, Israel würde Gefechte hier nicht zu lassen. Und Israel bestätigt die Annahme nun. Eine syrische „Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ mit Sitz in London nennt als Ort des Gefechtes ein Gebiet, rund vier Kilometer entfernt von einer Pufferzone zwischen Syrien und den Golanhöhen.

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Viele Player beanspruchen in dieser Gemengelage die Deutungshoheit für sich. Klar scheint allenfalls, dass Assad weitere militärische Erfolge erzielt hat, als seine Soldaten vor einer Woche die Stadt Daraa aus der Hand der Rebellen oder Aufständischen befreit hatten. Wenn nun Israel den Rebellen eine Verschnaufpause verschaffen wollte, dann ist das eine weitere Eskalationsstufe in diesem Konflikt, bleibt aber zunächst eine Behauptung der syrischen Staatsmedien, dann, wenn sich Israel nicht dazu äußern will.

Bedenklich erscheint hier außerdem, dass die Hamas vom Gaza-Streifen aus gerade alle Möglichkeiten nutzt, israelische Kräfte zu binden. Die Welt kommentiert: „Israel wehrt sich mit schweren Luftangriffen gegen die Hamas, es sind die heftigsten Kämpfe seit Jahren. Die ersten sprechen schon von Krieg. Währenddessen wächst die wahre Gefahr am Golan heran.“ So viele Geschoße wie in den letzten Tagen sollen seit 2014 nicht mehr auf Israel abgefeuert worden sein.

Sicher spielen auch die aktuellen Gespräche zwischen Putin und Trump eine wichtige Rolle. Niemand kann voraussagen, ob und was die beiden Staatsmänner vereinbaren werden und inwieweit das die eingefahrenen Positionen in Syrien verändern könnte. Es geht also möglicherweise darum, schnell noch Tatsachen zu schaffen, die diese Gespräche beeinflussen können. Wenn stimmt, was Assad-feindliche Aktivisten berichten, dann waren bei den Angriffen auf Rebellen bei Daraa auch russische Kampfjets beteiligt, deren Erfolge nun von israelischen Kampfjets zunichte gemacht werden sollten. Eine gefährliche Situation.

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Ebenfalls bedeutsam bleibt die Rolle des Iran als Assad-Unterstützer. So sind die Aufständischen nahe der israelischen Pufferzone auch Schutzschild gegen iranische Interessen gegen Israel. Nun bombardiert Israel nicht erst seit gestern Stellungen in Syrien. Laut Neuer Züricher Zeitung wurden schon in der Vergangenheit iranische Militärbasen und solche der libanesischen Hizbollah in Syrien bombardiert. Immerhin hat Israel in Gesprächen mit der russischen Führung erreicht, dass diese dafür gesorgt hätte, eine Pufferzone für das iranische Militär zu Israel einzuhalten. Israel soll allerdings weiter auf einem kompletten Abzug der iranischen Verbündeten Assads bestehen. Diese Einheiten sollen aus zehntausenden von schiitischen Milizionären bestehen, aufgebaut von Kommandanten, die direkt dem iranischen Revolutionsführer Khamenei unterstehen, so zumindest die Neue Züricher Zeitung. Mittlerweile sollen diese Einheiten allerdings integraler Bestandteil der syrischen Armee und ihrer Elitetruppen sein.

Mit Spannung erwarten die am Konflikt Beteiligten, was das Treffen zwischen Trump und Putin in Helsinki ergibt. Syrien wird hier Masterthema sein. Die Welt fragt: „Ist das Land für die USA noch Teil einer Nahost-Strategie – oder nur noch Verhandlungsmasse für einen Deal mit Russland?“ Und die Zeitung spekuliert bereits, dass Trump Putin das erdölreiche Nordsyrien anbieten könnte, um im Gegenzug einen Abzug der iranischen Kräfte aus Syrien zu erreichen. Inwieweit diese Schwächung der Schlagkraft Assads allerdings eine erneute Wendung im Krieg um Syrien bedeutet, müssen dann Militärexperten beurteilen.

Nun ist, was Trump mit den nordsyrischen Gebieten in die Waagschale werfen könnte, ein überwiegend von Kurden bewohnter Teil des Landes. Es werden also möglicherweise wieder einmal die Kurden sein, welche die bittere Pille schlucken müssen, den hohen Blutzoll ihrer Kämpfer gegen den IS erneut nicht honoriert zu bekommen. Aber noch steht die Militärallianz mit den Amerikanern gegen den IS. Wird Trump sie beenden zugunsten eines Abzuges der Iraner aus Syrien? Und wie wird Putin seinerseits diesen Abzug bewerkstelligen können?

Der Krieg in Syrien geht weiter. Auf Stabilisierungen folgen Destabilisierungen. Alte Interessen kollidieren, neue Interessen entstehen und weitere Flüchtlingswellen machen sich auf den Weg. Es ist keine Lösung für Syrien in Sicht. Es sterben weiter täglich Zivilisten und Soldaten. Seit Ausbruch des Konfliktes sind hunderttausende zivile Opfer zu beklagen. Wir leben im 21. Jahrhundert. Die Welt könnte auch für Syrer ein schönerer Ort sein. Assad allerdings ist längst nicht mehr der alleinig Schuldige.

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