Tichys Einblick
Welche Motive wirklich?

Katarina Barley will Scheidungen steuerlich fördern

Konnte die Bundesjustizministerin das Elend der Verlassenen nicht mehr mit ansehen? Jedenfalls möchte Katarina Barley jetzt Entlastungen für Trennungsfamilien durchsetzen.

© Odd Andersen/AFP/Getty Images

Kennen Sie diese Väter auch, die auf einmal mit hängendem Kopf, abgemagert und blass durchs Viertel gehen, alleine mit den Kleinen auf dem Weg zum Kindergarten oder beim Einkaufen im Supermarkt? Nun braucht so ein Elend heutzutage nicht einmal die ultimative Tragödie. Für diese jammervolle Körperhaltung, den geknickten Gesichtsausdruck, für die Hoffnungslosigkeit solcher Vaters reicht es schon, wenn die Frau einfach nur weg ist. Freiwillig.

Jeder kennt diese Typen aus dem Bekanntenkreis oder den Betrieben, Männer, denen die Frau abhanden gekommen ist und die nun schwer angeschlagen zombiartig durchs Leben schleichen, als hätte man ihnen das Rückgrat gegen ein ziemlich wackliges Konstrukt ausgewechselt – kurz vor dem Zusammenbruch und immer auch behaftet mit dem Nimbus des Versagers. Wem die Frau wegläuft, der hat was falsch gemacht, der hat etwas nicht richtig gemacht, der ist sogar im ungünstigsten Falle einem Konkurrenten gegenüber direkt unterlegen.

Der Verlierer unterwegs mit den Wochenendkindern. Und die Kinder unterwegs mit dem labilen und neudepressiven Vater, dem die anderen jetzt immer so mitleidig hinterher schauen, nicht wenige sogar mit Abscheu. Väter, die zu Erbsenzählern werden müssen, wenn nun zwei Wohnungen zu bezahlen sind, wenn der Hausstand neu angeschafft werden muss, weil der alte bei der Frau in der ehemals gemeinsamen Wohnung geblieben ist – eben der Kinder zuliebe. Ältere Väter, die bei Ikea um die Erstausstattungen für die Studentenküche herumschleichen, weil das einmal gemeinsam eingekaufte wertvolle Porzellan aus dem Antiquitätengeschäft in der bisherigen Wohnung verbleiben sollte.

Konnte die Bundesjustizministerin dieses Männerelend nun nicht mehr mit ansehen? Jedenfalls möchte Katarina Barley jetzt Entlastungen für Trennungsfamilien durchsetzen. Der finanzielle Druck, der hinter diesen Lebenskatastrophen steckt, ist ihr zu hoch. Nun gehören Politikerfamilien zu den besonders von Scheidung bedrohten Verbindungen. Aber niemand möchte ernsthaft glauben, dass Natalia Wörner und Heiko Maas Entlastungen bräuchten, weil die Maas-Familie nun eine Trennungsfamilie wäre. Generell ergreift bei Trennungen auch häufiger die Frau die Initiative als der Mann. Heiko Maas ist hier also auch nicht repräsentativ für sein Geschlecht.

Nun hat Katarina Barleys Initiative auch ein Geschmäckle, dann, wenn sie höchstpersönlich zur Gruppe jener zählt, die jetzt von Steuervergünstigungen profitieren sollen: Die Justizministerin ließ sich scheiden, aus einem wurden zwei Hausstände, die gemeinsamen Kinder haben seitdem zwei Kinderzimmer, die sie im Wochenwechsel bewohnen dürfen – fühlt sich das schon an wie Urlaub? Wahrscheinlich eher nicht. Beispielweise die Mietbelastung wurde dadurch von einem Tag auf den anderen verdoppelt und die Fahrkosten steigen an. Hinzukommt, dass beide Ehepartner nach der Scheidung wieder in die ungünstigere Single-Steuerklasse wechseln müssen.

Die Bundesjustizministerin weiß, dass davon jährlich Familien mit etwa 200.000 Kindern betroffen sind. „Unerwartete Kosten wirken in Konfliktsituationen wie Brandbeschleuniger“, sagte die Ministerin gegenüber der Osnabrücker Zeitung und weil sie schon mal dabei war, schnürte Barley gleich das ganz große Paket, wenn sie in diesem Zusammenhang (?) einen Vorstoß unternahm, lesbische Paare bei der Geburt eines Kindes heterosexuellen Paaren gleichzustellen und beispielsweise durchsetzen will, dass die Partnerin der Gebärenden automatisch als Mit-Mutter anerkannt wird.

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Das bestehende Abstammungsrecht bilde ebenfalls nicht mehr die heute gelebten Familienkonstellationen ausreichend ab, argumentierte die Ministerin weiter. Alle sollen etwas glücklicher werden dank steuerlicher Entlastungen: Es gehe hier ebenso um Regenbogenfamilien wie um Scheidungsfamilien und Kinderwunschpaare. Dass ihre eigene Scheidung nichts besonderes Düsteres war, außer das nachher weniger Geld zur Verfügung stand, meinte Katarina Barley wohl, wenn sie darüber informierte, dass mittlerweile jede dritte Ehe auseinandergehe.

Nun sind Steuererleichterungen grundsätzlich zu begrüßen, dann, wenn sie Kinder treffen. Aber wie soll hier verhindert werden, solche Geldgeschenke zum Nachteil der Kinder noch als Ermunterung zu verstehen? Nachteilig dann, wenn man die formell intakte traditionell zusammenlebende Familie noch als Vorteil für Kinder begreifen will.

Was wäre eigentlich falsch daran, wenn Ehepaare in der Krise intensiver und zeitaufwendiger darüber nachdenken müssten, ob sie sich gleich trennen sollten, wenn dadurch bestimmte Vergünstigungen wegfielen? Jeder Beziehungsfähige erinnert sich doch an Momente, wo er fast hingeschmissen hätte und schaut heute dankbar auf eine wiederhergestellte Harmonie. Im Nachhinein ist es doch völlig gleich, ob hier für den Moment finanzielle Beweggründe eine Rolle spielten, wenn beispielsweise ein Zusammenleben durchaus auch mit mehr an Komfort verbunden ist.

Mal davon abgesehen, dass so ein Zusammenraufen für die Kinder in den allermeisten Fällen die bessere Lösung ist: „Auf die Trennung ihrer Eltern reagieren Kinder oft mit Ängsten und Störungen, viele haben später im Leben Probleme, Beziehungen einzugehen und aufrechtzuerhalten, sagen Statistiken.“

Was hier sogar noch viel gravierender sein könnte: Die Regierung ist per Grundgesetz dazu verpflichtet, die Familie unter besonderen Schutz zu stellen. Und die Mütter und Väter des Grundgesetzes meinten damit ganz sicher nicht die Familie mit einem zweiten Wohnsitz und einem zweiten Schlafzimmer für den von der Mutter verlassenen Vater des Hauses oder eben umgekehrt.

Die Gleichstellung der getrennten Familie gegenüber der intakten, welcher gegenüber der Staat eine besondere Fürsorgepflicht hat, wäre danach möglicherweise nicht einmal verfassungsgemäß und unterliegt jedenfalls ganz sicher nicht nach Gutdünken dem Zeitgeistgeschmack einer höchstselbst betroffenen Frau Ministerin.

Die Sozialdemokratin Katarina Barley nimmt sich einfach ein Beispiel an ihrem Ministerkollegen Hubertus Heil, der gerade den Rentnern von morgen mit der Euro-Puderdose hinterher gejagt ist. Aber wird diese zweifelhafte am Zeitgeist orientierte Klientelpolitik der darniederliegenden Sozialdemokratie wirklich die verlorenen Wähler zurückbringen? Macht es Sinn, die Entwertung überlieferter gesellschaftlicher Übereinkünfte der Reihe nach ad absurdum zu führen? Nein, aber möglicherweise wird so im Gegenteil noch eine Sehnsucht geweckt nach einer neuen Berechenbarkeit von Politik, nach einem Zusammenleben, das wieder auf tradierten Werten beruhen soll. Wer weiß.

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