Tichys Einblick
Heuchelei beim DFB

Katar: Fußball WM 2022 im Land der LGBTQ-Feinde

Ausgerechnet der sich mit Regenbogenaktionen schmückende DFB verhandelt mit Qatar Airways, dem Staatskonzern des homosexuellenfeindlichen WM-Gastgeberlandes über ein Sponsoring.

IMAGO / Sven Simon

Nein, die Debatte um die Fußballweltmeisterschaft in Katar ist weiß Gott nicht erst kontaminiert, seit Regenbogenland und die UEFA aneinander geraten sind über die verbotene EM-Vielfalt-Beleuchtung der Münchner Allianz-Arena. Der Querverweis nach Katar ist zudem Hinweis an die Fußballverbände, dass die Probleme nach der EM nicht aufhören, sondern gerade erst anfangen, da im Wüstenemirat weiter eine restriktive Haltung insbesondere Homosexuellen gegenüber aufrechterhalten wird.

Alles was fast schon vergessen war, kocht wieder hoch: Was waren das für mittelalterliche Anwandlungen einer sich als korrupt erweisenden FIFA-Führung, als nach der betrügerischen Zusage der WM 2022 nach Katar Sepp Blatter, der damalige langjährige Präsident des Verbandes homosexuelle Fußball-Fans allen Ernstes aufforderte (da das in Katar nun einmal illegal sei ) auf gleichgeschlechtlichen Sex während der WM zu verzichten. Aus Respekt vor dem Gastgeberland Katar, so hieß es.

Anschließend entschuldige sich Blatter zwar, aber seine Innenwelt war hier schon unwiderruflich in der Außenwelt angekommen.

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Und jetzt auch noch der Deutsche Fußballverband (DFB), eingeklemmt zwischen Geschäftssinn und einem Restflämmchen echter Freude am Ballsport: Der DFB verhandelt mit Qatar Airways, die Fluglinie hatte schon in den EM-Stadien mit Bandenwerbung darauf aufmerksam gemacht, mit wem die Fußballfans nach Katar fliegen sollen. Die Fluglinie ist einer der wichtigsten Staatskonzerne des Landes.

Die Verhandlungen haben zwei Gründe: Zum einen wird die WM 2022 unwiderruflich in Katar stattfinden. Und wo sich die Fußball-Welt nicht verweigert und die FIFA den Pakt mit den Feinden einer selbstbestimmten Sexualität eingegangen ist, sind die nationalen Fußballverbände in der Klemme. Zum anderen hat der DFB gerade nach langer Zusammenarbeit die Verträge mit Lufthansa beendet, die Airline wollte das Budget kürzen.

Aber auch hier betritt der DFB kein Neuland, der deutsche Rekordmeister Bayern München hat es bis hin zum Bruch mit Lufthansa bereits Jahre früher vorgemacht: „Für großes Aufsehen sorgte der Deal 2018, als der Klub die 16 Jahre währende Partnerschaft mit der Lufthansa beendete und stattdessen auf Qatar Airways umstieg. Die staatliche Fluggesellschaft zahlte jährlich deutlich mehr. Qatar Airways löste auch den Flughafen von Doha als Ärmelsponsor ab“.

Sportschau Online schreibt zur Geschäftsanbahnung: „Verhandlungen des DFB mit Qatar Airways sorgen wegen der Menschenrechtslage im Ausrichterland der WM 2022 für große Empörung. Der krisengeschüttelte Verband arbeitet weiter an der Demontage seines Ansehens.“

Eine besonders kritische wie aufgebrachte Intervention kam jetzt vom grünen Bundestagsabgeordneten Cem Özdemir, der per Twitter kommentierte, die EM-2021 hätte gezeigt, wie weit sich Fußball von Europa entfernt hätte. Özdemir kritisiert, dass fast alle EM-Sponsoren aus Asien, den USA oder Katar stammen würden. Sein Rat: „Wenn der DFB einen nachhaltigen Weg gehen will, sollten die Gespräche mit Qatar Airways nicht geführt werden.“

Kommt hier auch Cem Özdemir nicht elf Jahre zu spät, da Katar den Zuschlag von der Fifa schon 2010 erhalten hatte? Die Diskussion erinnert ein wenig an die Gaspipline Nordstream-2, wo das Geschrei erst auf den letzten Metern besonders laut wurde.

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Wer sich heute darüber aufregt, dass das Emirat Katar die Menschenrechte verletzt, der hätte es längst besser wissen können – hätte beispielsweise wissen können, dass Katar als Austragungsort der WM 2022 mutmaßlich mit Schmiergeldern ausgekungelt wurde und es selbst nach Bekanntwerden dieser Schummeleien nicht zu einer Auflösung der Verträge zwischen dem Weltfußballverband und Katar gekommen ist.

Darüber geriet die Sache mit den Menschenrechten schon fast ins Abseits. Klar, hier und da in Politik und Medien folgte man einer gemeinsamen Empörungslinie – aber auch nicht mehr. Ja, ein niederländischer Rollrasen-Produzent hatte jüngst auf lukrative Einnahmen verzichtet, nachdem der britische The Guardian Ende Februar dieses Jahres berichtet hatte, dass alleine beim Bau der Stadien in Katar in zehn Jahren etwa 6500 Gastarbeiter aus Indien, Pakistan, Nepal, Bangladesch und Sri Lanka ums Leben gekommen sind. Die meisten sollen der starken Hitze zum Opfer gefallen sein, Katars Stellungnahme war, dass doch „in den Sommermonaten die Arbeit unter freiem Himmel in den Mittagsstunden untersagt ist.“

Klar, auch hier wäre es hilfreich zu wissen, wie gefährlich Bauarbeiten in diesen Breitengraden generell sind und unter welchen mit einer Arbeitssicherheit unvereinbaren Bedingungen gearbeitet wird. In Deutschland sind im selben Zeitraum übrigens ähnlich viele Menschen auf Arbeit tödlich verunglückt. Aber die Zahl bezieht auf alle Branchen gemeinsam. Die Zahl der Beschäftigten am Bau liegt hier bei rund 900.000 Tätigen. In Katar sind insgesamt etwas mehr als eine Million Gastarbeiter (in allen Branchen zusammengenommen) tätig, für die WM sollen noch einmal 500.000 hinzukommen.

Also wozu die ganze Aufregung? Wo doch Katar schon signalisiert hat, dass man Regenbogenflaggen in den eigenen Stadien akzeptieren würde? „Regenbogenflaggen werden bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in den Stadien „respektiert“. Das wird berichtet mit Verweis auf eine Aussage des Geschäftsführers Nasser Al-Khater. So habe Katar verkündet, dass es sich den Fifa-Regularien, die Toleranz und Inklusion förderten, füge.

Aber die Akzeptanz wird erwartungsgemäß leider da enden, wo die Kameras nicht mehr hinschauen (dürfen). So werden queere Personen innerhalb der Gesellschaft Katars einfach weiter auf sämtlichen Ebenen diskriminiert werden.

Katar selbst lässt nichts unversucht, die homophob-islamischen Gesellschaftsstrukturen irgendwie umzudeuten: Auf die Frage, ob homosexuelle Paare ihre Zuneigung auf den Straßen zeigen könnten, erklärte Hassan Al Thawadi, der Cheforganisator der Fußball-WM 2022 in Katar im Dezember 2019: „Es gehört nicht zu unserer Kultur, öffentlich Zuneigung zu zeigen, unabhängig von der sexuellen Orientierung. Und wir bitten die Menschen, das zu respektieren.““

Aber Homophobie kann man nicht akzeptieren oder respektieren! Gelebte Homosexualität ist im Gegenteil sogar zu einem Merkmal aufgeklärter freiheitlicher und demokratischer Gesellschaften geworden inklusive übrigens einer ebenso notwendigen Debatte um den Umgang mit Homosexualität in der Gesellschaft.

Katar? Sepp Blatters Bitte um Enthaltsamkeit an schwule Fußballfans gehört sicherlich zum düstersten Kapitel der FIFA – streng genommen noch weit vor der Erregung über die Bestechungsskandale.

Und – vergiftetes Thema: Was dem Westen allerdings präsent bleiben sollte, wenn es darum geht, die entsetzlichen Verfolgungen von Schwulen in Katar zu kritisieren: Östliche EU-Mitgliedsstaaten wie Polen und Ungarn benehmen sich in dieser Frage so, dass es schon fast ein Paradoxon ist, dass ausgerechnet Polen und Ungarn so starke Kritiker einer islamisch-invasiven Religion im eigenen Land sind.

Die ungarische Republik hat jüngst ein Gesetz zum Thema LGBTQ (Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender) beschlossen, das in der EU für Empörung und ein Vertragsverletzungsverfahren sorgte. Den genauen Inhalt dürften wenige kennen. TE dokumentierte die zentralen Passagen des ungarischen Gesetzes in deutscher Sprache. Und da heißt es:

„Um die Erfüllung der Ziele dieses Gesetzes und die Verwirklichung der Rechte des Kindes zu gewährleisten, ist es verboten, Personen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Inhalte zugänglich zu machen, die pornografisch sind oder die Sexualität in unangemessener Weise darstellen oder die eine Abweichung von der dem Geburtsgeschlecht entsprechenden Selbstidentität, eine Geschlechtsumwandlung oder Homosexualität propagieren oder darstellen.”

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Hier wurde also quasi der Begriff einer homosexuelle Propaganda eingeführt. Aber wann ist etwas Propaganda und wann nicht und was traut sich ein ungarischer Lehrer dann noch über Homosexualität Positives zu unterrichten, will er nicht riskieren, dass er angezeigt wird und unter Umständen seine Pension verliert? Nein, es geht nicht nur um eine positive Bemerkung, es geht hier sogar laut Gesetz um die „Darstellung“ von Homosexualität, die verboten wurde!

Die WM 2022 in Katar ist eigentlich eine Unmöglichkeit. Sie hätte niemals stattfinden dürfen und kam auch nicht auf faire Weise zustande – diese WM hat schon jetzt das Potenzial, zu den hässlichsten Sportereignissen aller Zeiten zu werden.

Und das ist schon deshalb schade, weil hier hunderttausende Menschen seit über zehn Jahren dafür arbeiten, diese kontaminierte WM für die Welt irgendwie noch schön auszurichten – über 6500 Arbeiter haben für die größenwahnsinnige wie groteske Idee ihr Leben gelassen, man müsse eine Fußball-WM in einem Emirat in der Wüste stattfinden lassen, ein Land, von dem die wenigsten überhaupt wissen, wie die Hauptstadt heißt (Doha).

Nein, an Schwulenfeindlichkeit ist rein gar nichts Exotisches, es ist auch keine Frage der Kulturen. Schwulenfeindlichkeit ist ein krimineller Akt gegen die Menschlichkeit überall dort auf der Welt, wo sie noch nicht niedergerungen wurde – egal, ob ganz weit weg oder nebenan.

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