In Sachen Claas Relotius darf es längst nicht mehr nur darum gehen, ob hier das Genre „Reportage“ irgendwie kontaminiert wurde. Der Fall ist deutlich brisanter, wenn immer mehr Texte des Autors bekannt werden, die sich so oder so mit der Massenzuwanderung ab 2015 beschäftigen, die ein ums andere Mal mittels einer Lügengeschichte die illegale Masseneinwanderung – initiiert und legitimiert durch die deutsche Kanzlerin – rechtfertigen sollen. Besonders brisant deshalb, weil der Vorwurf der „Lügenpresse“ von rechts eben genau hier angesetzt hatte und der SPIEGEL als einflussreichstes Leitmedium in Deutschland nun auch als Herausgeber von Lügengeschichten zur großen Zuwanderung in der Kritik steht.
So hat Claas Relotius laut Angaben des SPIEGEL in den vergangenen Jahren auch Geschichten erfunden über Rassismus in Deutschland, Kinder in Syrien, über „Rechte” in den neuen Bundesländern und über tote „Flüchtlinge” in einem Kühllaster. Nein, Claas Relotius hat nicht einmal vor solchen Tragödien halt gemacht und sie noch mit seinen Fantasien ausgeschmückt.
Und um die sowieso bereits fragwürdige Rolle des Magazins in der Propaganda zur Flüchtlingskrise seit 2015 komplett zu machen, kam nun noch heraus, dass Relotius auch die so genannten Rettungsaktionen deutscher Nichtregierungsorganisationen (NGO) vor der libyschen Küste zumindest in Teilen im Fantasiemodus aufgeschrieben hatte unter der weinerlichen Überschrift: „Der Kapitän weint“. Der allerdings weint überhaupt nicht. Im Gegenteil: Er ist richtig wütend auf den Autor, wenn Claus-Peter Reisch, Kapitän der Lifeline via Twitter mitteilt: „Der #Relotius-Text über mich liest sich wie eine literarische Geschichte, die so nicht stattgefunden hat aufgepeppt mit ein paar Fakten, die z.T. auch noch falsch sind. Die Co-Autor*innen können einem dafür leid tun, was aus ihrer Arbeit gemacht wurde.“
Aber warum – das muss man hier deutlich nachfragen – empört sich der NGO-Kapitän erst am 28. Dezember 2018? Hatte er den Text im Spiegel nicht gelesen, als der im Juli 2018 veröffentlicht wurde? Sicher wird er ihn gelesen haben. Mutmaßlich mag er sich aber damals gedacht haben, dass diese Lügengeschichte seiner Sache dienlich sein könnte. Darauf konnte ja schließlich auch Relotius bauen, als er sie zur Veröffentlichung frei gab. Eine Win-Win-Situation? Möglicherweise sogar eine konspirative? Auch hier besteht also dringender Bedarf an weiterer Aufklärung.
Besagter Artikel hält aber noch viel mehr Skandal-Potenzial bereit, denn er wurde nicht von Relotius alleine geschrieben, sondern mitunterschrieben von Özlem Gezer, Felix Hutt und Timofey Neshitov. Es sind also – neben den Vorgesetzen und der Dokumentation beim SPIEGEL – mindestens drei weitere Autoren involviert in den wohl größten Skandal der deutschen Mediengeschichte im 21. Jahrhundert.
Ebenfalls besonders brisant an der Lifeline-Geschichte ist ein Kommentar des SPIEGEL, der online direkt über besagtem Artikel angefügt wurde nach Bekanntwerden des Skandals: „Für diesen Artikel hat Claas Relotius allerdings kein Material geliefert, sondern lediglich die Teile, die von den anderen Teammitgliedern recherchiert wurden, in der Hamburger Redaktion zu einem Text zusammengefasst.“
Wenn dem aber so gewesen sein soll, wie ist dann der Kommentar des Kapitäns zu bewerten? Der spricht ja immerhin nachgereicht von einer „Geschichte, die so nicht stattgefunden hat aufgepeppt mit ein paar Fakten, die z.T. auch noch falsch sind.“ Also besteht hier der dringende Verdacht, dass die Co-Autoren hier genauso dreist geflunkert oder ausgeschmückt haben, wie Relotius in dutzenden Geschichten mehr?
Geschichten, die im einflussreichen SPIEGEL erschienen sind, die sich vielfach mit der Massenzuwanderung beschäftigt haben, die Meinung gemacht haben, die jetzt angesichts dieses großen Lügenwaldes wie üble Propaganda für die Merkelsche Zuwanderungspolitik aussehen und die den so schwer kontaminierten Begriff „Lügenpresse“ im Nachgang naheliegenderweise legitimieren. Die jüdische Allgemeine schrieb dazu: „Relotius erfand keine Sensationen, sondern reproduzierte Vorurteile.“
Das Fazit der Zeitung zum Fall Relotius klammert den Begriff „Lügenpresse“ dann allerdings explizit aus. Was es nicht besser macht, wenn die jüdische Allgemeine hier ersatzweise von „Propaganda über Fake News“ schreibt.
Seinen Artikel über eine angebliche Odyssee des NGO-Schiffes Lifeline leitete Relotius damals folgendermaßen ein: »Das deutsche Rettungsschiff „Lifeline“ nimmt im Mittelmeer 234 Flüchtlinge an Bord. Der Kapitän versucht tagelang vergebens, sie an Land zu bringen. Die Rekonstruktion eines Skandals.« So liest sich das dann, wenn ein angeblicher, wenn der erfundene Skandal einen noch viel größeren nach sich zieht.
Und auch in diesem Text wieder die üblichen Relotius-Fantasie-Versatzstücke:
„Es ist 11.30 Uhr, draußen brennt die Sonne, die Stadt ist von Touristen bevölkert. (…) Der Mann aus Bangladesch legt seinen Kopf an Reischs Schulter und weint. Auch Claus-Peter Reisch weint jetzt, einen kurzen Moment lang, dann wischt er sich übers Gesicht und startet den Motor.“