Auch in einer mittelgroßen Stadt im Norden Deutschlands in einem Jobcenter macht man sich Gedanken über den Umgang mit Corona. Und die bestehen oft genug darin, die Anweisungen von ganz oben zunächst zu verstehen zu versuchen, um diese dann irgendwie anzuwenden.
Und es betrifft beide Seiten: Einmal die Mitarbeiter, die neue Regeln für den Umgang untereinander lernen müssen. Und es gilt für eine Reihe von neuen Anordnungen im Umgang mit den „Kunden“ genannten Arbeitslosen und Sozialfällen. Wie diese beiden unterschiedlichen Herangehensweisen bisweilen miteinander und mit dem gesunden Menschenverstand kollidieren, soll folgender Einblick hinter die Türen eines norddeutschen Jobcenters belegen.
Vorab zusammengefasst:
Fährt ein Angestellter in Urlaub in ein Corona-Gebiet, kommt krank zurück, entfällt die Lohnfortzahlung. Fährt dagegen ein Hartz-IV-Empfänger in den Urlaub (also Urlaub von der Langeweile oder Arbeitssuche oder gar Heimaturlaub ins Herkunftsland, aus dem er geflohen ist) und wird er dort krank oder kommt krank zurück, passiert nichts.
Die Masse der Kunden, so bestätigt es eine Mitarbeiterin des besagten Jobcenters, kommt genau aus diesen Corona-Krisengebieten und – so drückt sie sich aus – lässt dort auch mal gerne „die Seele baumeln“, wie sie aus langjähriger Erfahrung weiß.
Im Folgenden geht es dann hauptsächlich um Lohnfortzahlung bei Quarantäne bzw. Krankenzeit: Wer trotz Reisewarnung reist, der muss die dann möglicherweise angeordnete 14-tägige Quarantäne auf seine eigene Kappe nehmen. So sehe § 56 Abs. 1 auf Seite 3 des Infektionsschutzgesetzes vor, dass eine Entschädigung nicht gezahlt wird, wenn durch Inanspruchnahme einer Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die öffentlich empfohlen wurde, die Aussonderung (Quarantäne) hätte vermieden werden können.
Mit anderen Worten: Wer beim Jobcenter arbeitet, der wird es sich dreimal überlegen, überhaupt Urlaub zu machen und schon gar nicht im Ausland. Die Belehrung für Mitarbeiter endet mit einer Art Hilfe zur Selbsthilfe, wenn die Mitarbeiter angehalten werden, ihre persönliche Urlaubslage und ihr Reiserisiko daran entlang bitte selbst einzuschätzen und entsprechend zu handeln.
Kommen wir zur anderen Seite des Schreibtisches beim Jobcenter. Zur Kundenseite. Dort sieht die Welt in Zeiten von Corona noch deutlich entspannter aus:
Hier ist die Ortsabwesenheit in normalen Zeiten durchaus relevant für viele Entscheidungen und Leitungsbewilligungen. Jedenfalls theoretisch. Wer sich als Kunde in Quarantäne befindet, kann nicht persönlich erscheinen, soweit das während der Corona-Maßnahmen überhaupt schon wieder verlangt wird.
Welche Auswirkungen aber hat diese Abwesenheit eines Sozialhilfeempfängers für dessen Leistungsanspruch?
Die Mitarbeiter des Jobcentes bekommen dazu folgende Anweisungen:
Auf die Gefahr einer Quarantäne im Zusammenhang mit einem Urlaub im Heimatland darf der Mitarbeiter im Vorfeld der Reise gerne hinweisen. Eine Reise vor diesem Hintergrund abzulehnen ist den Mitarbeitern nicht gestattet.
Hartz-4-Empfänger, die im Anschluss an ihre Reise in Quarantäne müssen, haben aber keinen Leistungsausschluss zu befürchten. Nicht einmal, wenn sie damit eine eigentlich beschlossene Maßnahmenteilnahme vereiteln.
Für den Jobcenter-Mitarbeiter besteht nicht einmal die behördliche Verpflichtung, Ross und Reiter zu benennen, also die Ordnungsbehörden über die Einreise seiner Klienten aus so einem Risikogebiet zu informieren.
Es wird also wohl kaum dazu kommen, dass sich Mitarbeiter von Jobcentern und Sozialhilfeempfänger gemütlich im Urlaubsflieger in die Türkei oder nach Schweden begegnen. Nein, die Kunden des Jobcenters reisen alleine, der Jobcentermitarbeiter macht sicherheitshalber Sardinendosenurlaub an der dann vollkommen überfüllten Ost- bzw. Nordseeküste. Inwieweit anschließend allerdings bei Kundenverkehr seine Amtsstube Corona-Risikogebiet wird, steht auf einem ganz anderen Blatt Papier, dass TE aktuell noch nicht vorliegt.