Ja, auch hier bei TE ist schon viel Kluges zu Jamaika, zu den Verhandlungen zwischen Union, FDP und Grünen gesagt worden. Auch sonst reißen sich die Gazetten um jeden Strohhalm, um jedes Fitzelchen Statement eines der Verhandlungspartner, das vom Balkon herunter fliegt, um es zum wieder nächsten läppischen Interview hochzupimpen. Und die Teilnehmer wissen routiniert damit zu spielen.
Kommt zusammen, was nicht zusammenpaßt?
Wie lange verhandelt man schon? Erinnert es noch jemand? Dem Michel ist es doch längst egal. Aber dumm ist er deshalb noch lange nicht. Er weiß längst: da soll etwas zusammenfinden, das einfach nicht zusammengehört. Ein Patt. Und kein Pattex in Sicht. Nein, es funktioniert nicht. Und es liegt keine vernünftige Idee auf dem Tisch, die das alles sinnvoll zusammenhalten könnte – noch dazu über die nächsten vier Jahre.
Also wozu redet man überhaupt? Wozu dieses ganze Theater, wenn nicht als reines Pöstchenspiel um hochsubventionierte Versorgungseinheiten für Berufspolitiker aus nun sogar drei politischen Lagern? Zwar hat die Perversion des selbstgeschaffenen Wahlrechts wenigstens die Zahl der überflüssigen Abgeordneten so aufgebläht, dass die Stimmenverluste für CDU und CSU nicht so schmerzhaft wurden. Aber die Zahl der Minister und Staatssekretäre ist doch nicht beliebig erhöhbar. Die Wählerstimmen, die man zusammenbringt, sind geringer als noch für die große Koalition, aber die Anzahl der Posten ist wenigstens gleich geblieben. Und wenn es immer noch zu wenige sind, werden noch ein paar dazu erfunden, um noch den entfernten jamaikanisch Angeheirateten und Adoptierten mit zu versorgen.
Nein, bisher wagte es noch keiner der Teilnehmer die Wollmilchsau, an der man bastelt, etwa als letzte Chance für Deutschland zu brandmarken – immerhin dafür würde man auf der Straße schallendes Gelächter ernten, wo keine Ohrfeigen möglich sind. Jeder weiß es: Über die Rundumversorgung für alle Beteiligten hinaus macht Jamaika keinen Sinn.
Kein Wahl-O-Mat in Jamaika
Das wissen die Leute. Dafür muss man nicht den hundertsten Artikel lesen, der sich damit beschäftigt: Selbstbedienung ist im Parteienstaat nichts Neues. Der Regelfall verstört nicht mehr, er macht nur noch gleichgültiger.
Ein Medien- keine Politikereignis
Wenn nun also mit zunehmender Dramatik berichtet wird, die Verhandlungen würden sich in einer „entscheidenden Phase“ befinden, gleichzeitig gäbe es „in zentralen Streitpunkten kaum Annäherung“, dann ist das keine Nachricht, sondern allenfalls deshalb überraschend, weil nicht erwartbar. Die Medien spielen das Spiel mehr selbst als nur mit. Wenn alles unter Dach und Fach ist, kann man berichten, wie schwer es sich die Verhandlungspartner gemacht haben. Für Deutschland. Für Deutschland?
Das ist nicht einmal mehr eine kühne Behauptung, das ist Hohn. Hier möchte, hier kann man gar keine schlauen Sätze mehr schreiben. Jeder pseudoschlaue Satz der Medien dazu, jeder nachdenkliche, jeder rätselratende Satz ist ein Mitspielen.
Beispielhaft führte das ZDF dies vor im Bericht aus Berlin: Bettina Schausten wollte die FDP in die Klimafalle der Grünen treiben – ganz Staatsfunk, der Jamaika herbeisenden will, „Brückenbau“ nennen ARD/ZDF diese angemaßte Aufgabe neuerdings. Über diese Brücke fahren keine Fakten – Kohle muss weg, fordert Schausten von Lindner geradezu apodiktisch. Der verweist auf die „Physik“, woher soll der Strom kommen, wenn nachts die Solarzellen schlafen und mit ihnen die Windräder ruhen? Aber solche Argumente zählen nicht, wenn das mächtige ZDF es will. Überzeugung statt Dienstwagen, das wollte Schausten nicht hören und so landet Lindner mit mutigen und gut gesetzten Argumenten gegen die Schlagworte aus dem Zweiten Grünen Fernsehen im selbstgewählten Abseits. Mehr noch als fehlende Kompromissfähigkeit fürchtet er den Ruf des „Umfallers“. Nicht unberechtigterweise. Denn gewählt wurde die FDP nicht als Fortsetzung der CDU mit anderer Farbe sondern als Gegenpol. Und so wird taktiert, wem der Vorwurf des „Scheiterns“ in die Schuhe geschoben werden kann, denn längst ist in den Medien „Jamaika“ die Lösung, das erhoffte Weiter-So von Flüchtlingskrise und vergeigter Energiewende.
Nein, denn wenn am Tisch noch eine Partei redlich agierte, dann würde sie den Raum verlassen und die Tür hinter sich zuschlagen. Aber sie bleiben, um die Erwartungen der Medien zu erfüllen. Sie zeigen sich auf dem Balkon. Sie lächeln, als gäbe es gar in irgendeiner Richtung noch Zuversicht. Immerhin diese Kasperade eint sie alle. Ja, es ist so verrückt, wie es ist: Die FDP-Leute wagen es nicht, den Medien nicht zu gehorchen. Aus Angst vor der Abstrafung durch sie. Soweit ist es gekommen mit der Massenmedien-Demokratie.
Der schwarze Fortsatz der Grünen
Aber halt, da wartet rechts von der FDP schon die AfD. Und links von ihr die oppositionserprobte Linkspartei. Also schwere See für die FDP. Ob Lindner das riskiert? Eine Alles-oder-Nichts-Entscheidung. Also werden sich die Jamaikaner irgendwann vielleicht doch einigen. Die Grünen werden ihre Forderungen am ehesten durchsetzen können, zu sehr hat sich Merkel nach dieser Seite hin in den letzten vier Jahren korrumpiert, ihre Partei zum schwarzen Fortsatz vergrünen lassen. Nein, Jamaika ist nicht gut für Deutschland. Wer etwas anderes hofft, hat nicht aufgepasst. Schon deshalb, weil Jamaika keine Vision für einen Neuanfang anbieten kann. Wie auch? Das wäre schon ein Wunder, wenn drei so visionsferne Partner plötzlich gemeinsam eine viel größere entwickeln würden. So hat die FDP die riskanteste Entscheidung zu treffen, während die Union leise vor sich hin zerbröselt.