Tichys Einblick
Religion wird immer politisch missbraucht

Islam-Debatte: Schäuble, Marx und Co und die religiöse Aufrüstung

Schäuble springt für den Islam in die Bütt, die am Boden liegenden Kirchen wollen sich im Konflikt mit dem wirkmächtigeren Islam wieder aufrichten. Verlogene Auftritte hinten und vorn.

© Odd Andersen/AFP/Getty Images

Dieser „gehört zu“-oder-„gehört nicht zu“-Streit geht in die nächste Runde. Rein faktisch gehört er zweifelsfrei auch dazu, wie Fußpilz und Oktoberfest sowie Schützenvereine. Die Frage ist: Auch normativ? Da beginnt die eigentliche Problemlage, schön verschleiert durch das „Dazu- oder nicht-dazu-Spiel.“Vor Ostern steht nun Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble in der ersten Reihe. Und der muss sich dafür nicht einmal verbiegen, denn als aktiver politischer Entscheider war er es ja, der 2006 den Grundstein legte für die spätere Aussage des Bundespräsidenten Wulff am Tag der Deutschen Einheit 2010, als Wulff befand: „Der Islam gehört zu Deutschland.“ Die ZEIT befand später, dieser Satz hätte Christian Wulff gerettet „als er nicht mehr Bundespräsident war und sich der Boden unter seinen Füßen aufgetan hatte. Der Satz hat ihm Halt gegeben, er trägt ihn, mehr denn je.“ Gut, immerhin durfte Wulff – nun als eine Art Ben Wulff – noch nach seinem Abgang aus Schloss Bellevue Deutschland und die Bundeskanzlerin bei der Beerdigung des saudischen König vertreten. „Er ist nicht mehr Bundespräsident, aber er ist immer noch der Mann mit dem Satz.“, befand dazu das Magazin.

Schäuble nun also im zweiten Anlauf auf der Jagd nach dem einen Satz, der ihm bleiben soll. Der leider zweifach gescheiterte (2004 und 2010) inoffizielle beste Bundespräsidentenkandidat befindet kurz vor Ostern 2018: „Der Islam ist Teil unserer Gegenwart und unserer Zukunft.“ „Gehört zu“, „ist Teil von“ oder ist nicht mehr wegzudenken – all das stimmt ja auch, immerhin setzen wir uns tagtäglich mit den Verwerfungen eines politischen Islams in Deutschland und Europa auseinander. Müssen es sogar, wenn wir Lösungen wünschen. Ob es schön ist, wenn die Burka übergestülpt wird und Schwule wieder gejagt werden und Juden sowieso, darauf geht man ja nicht so gerne ein. Ein paar könnten sich ja dagegen wehren wollen, Ewiggestrige, die an frühere Fortschritte der Emanzipation von fragwürdigen Glaubensinhalten glauben. Ansonsten malt sich den Islam so, wie er will, nur eben nicht normativ. Da lacht sich der Imam ins Fäustchen.

Screenprint: Google News 31.03.2018

Nun kam Wolfgang Schäuble wieder einmal jemand dazwischen, ihm die Show streitig zu machen. Sein öffentlicher Standpunkt zum Islam in Deutschland wird überschattet von der „Osterbotschaft“ Kardinals Reinhard Marx zum Islam. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz befand nämlich, dass der Seehofer-Satz, der Islam gehöre NICHT zu Deutschland, nicht weiter führe: „Da könnte man auch fragen, ob der Atheismus zu Deutschland gehört.“ Was für eine Unverschämtheit. Aber zur Sache: Machen wir es hier einmal so, wie es maßgebliche Kirchenkritiker des Landes tun und ersetzen wir „Atheismus“ durch „Humanismus“. Denn dann erst wird ein Schuh daraus. Dann darf die Aufklärung mitschwingen, der Jahrhunderte andauernde und opferreiche Kampf der Namenlosen gegen eine Kirche, die einzuhegen wohl zu den gewaltigsten wie wertvollsten Errungenschaften Europas gehört. Wenn der Kardinal mit theologisch induziertem Irrsein nun dem Islam in Europa das Wort reden will, dann weiß man wenigstens warum; Das eine wertet das andere auf. Die Buchreligionen stützen sich gegenseitig. Oder anders: Die am Boden liegende möchte sich im Konflikt mit der wirkmächtigeren wieder aufrichten. Aufschwingen.

Wolfgang Schäubles „gehört zu“-Standpunkt gerät neben dem des Kardinals zu einer Randnotiz. Denn Marx ist, mit sanfter Stimme zwar, aber der eigentliche Scharfmacher. Mit einer in Europa längst auf ewig eliminiert geglaubten  Hinterlist schmeißt er sich in die Debatte, wenn er die Unverschämtheit besitzt, die Einmal-Moslem-immer-Moslem-Doktrin auch auf seine christlichen Schafe zu übertragen, indem er erklärt: „Sie sind getauft. Für uns gehören sie zum Leib Christi. Viele von ihnen wollen ja weiter Christen bleiben, deswegen ist es nicht gut, dass sie in der Statistik einfach als Nichtchristen gezählt werden. Sie sind für mich nicht einfach Abgefallene, die mich nicht mehr interessieren müssen.“

Wenn erst Kirchensteuer lebenslang und unwiderruflich bezahlt werden muss, hat er sein Ziel erreicht.

Uns muss heute eines klar sein: Der deutsche Katholizismus hat an einem starken Islam in Deutschland und Europa elementares Interesse. Erst an diesen Kampf der Religionen vermag sich der darniederliegende Katholizismus aufzurichten, im Windschatten des aggressiven Islam hofft die eingeschlafene katholische Kirche auf Fahrt und die fortgesetzte Finanzierung als Staatskirche. Und der deutsche Kardinal ist ein Meister im Feuer ins Öl gießen. Oder wünscht er die Annäherung, weil er den Konflikt sucht? Christentum at its best. Denn erst, wenn sich Nachbarn als unversöhnliche Gegner gegenüberstehen, lassen sich veritabel die Klingen kreuzen. Die Gerissenheit und Bigotterie dieses Kirchenmannes ist schon beachtlich, wenn er in voller Scheinheiligkeit Christen auffordert, auf muslimische Nachbarn zuzugehen. Aber um was zu tun? Geht es um Missionierung oder Nachbarschaftspflege? Letztere allerdings braucht dieses religiöse Gewand am wenigsten. Es sind die Werte eines europäischen Humanismus, die in deutscher Nachbarschaft zu Muslimen missioniert werden müssen, sonst gar nichts. Das weiß auch die Kirche, aus keinem anderen Grunde sind auch die Bemühungen vielfältig, Aufklärung und Humanismus rückwirkend christianisieren und eine ebenfalls längst eliminierte christliche Geschichtsschreibung aus der Versenkung heben zu wollen.

Doch, doch: Gläubige Muslime in Deutschland wissen längst, was ihnen von dieser Seite her blüht. Sie erkennen die Konfrontation. Dann, wenn nicht der Nachbar vorbeischaut, sondern der Abgesandte des Kardinals. Das zu verstehen, dafür reicht ein Blick aus, in eine der vielen deutschsprachigen muslimischen Foren, wo vielstimmig gewarnt wird vor den christlichen Kindergärten, vor einer christlichen Indoktrination vielfältigster Art schon an den Kleinsten. Nun darf auch das Anlass zur Kritik sein an einem umfassenden Integrationsunwillen vieler Muslime in diese Gesellschaft. Sie ist christlich geprägt, bis in die Steine, wie der Dalai Lama mal feststellte und vor anderen Religionen abriet. Wenn also vor dem Christentum gewarnt wird, dann drückt das die mangelnde Integrationsfähigkeit in eine Kultur aus, die nun mal schon länger da ist. Kein gutes Bild für den Islam, und schäbig, dass Marx das nicht thematisiert. Oder vielleicht gar nicht wahrnimmt? Aber es ist eben auch Hinweis darauf, wo der einzige Lösungsweg liegen kann. Selbstverständlich muss der Kampf unseren humanistischen Werten gelten, dem festen Willen, unsere Lebensführung weiter dem Bereich der menschlichen Vernunft zuordnen zu dürfen.

Der Katholizismus eines Kardinal Marx hat hier ebenso vor der Tür – also im Privaten – zu bleiben, wie die evangelische Theologie einer geschwätzigen Margot Käßmann, die selbstredend ebenfalls die Ostertage dazu nutzt, sich zu Seehofers Abgrenzung zu äußern; ausgerechnet, indem sie befindet, es sei ein ernstes Problem, dass sich Muslime hierzulande ausgegrenzt fühlten. Nein, zunächst einmal grenzen sich gläubige Muslime bewusst selbst ab von Botschaften und Empfehlungen zur Lebensführung, wie sie Marx und Käßmann in die Welt setzen. Wenn wir das verstehen, sollten wir uns wieder mit aller Kraft der Durchsetzung des Rechts widmen und dann nachgereicht einer umfassenden Werbung für einen Wertekanon, der nichts weniger nötig hat, als immer wieder aufs neue von Berufschristen für sich beansprucht zu werden.

In diesem Licht betrachtet, ist der bekennende evangelische Christ Wolfgang Schäuble nur ein kleines Licht in diesem Feuerschein, den andere zu entfachen suchen, wenn sie von Annährung und Nachbarschaft faseln, aber nur den reinigenden Gang in die Katakomben meinen, den sie zu erhoffen scheinen, wenn es zum Kampf der Religionen kommt. Aber wenn wir so einen Kampf annehmen sollten, dann muss es einer der Kulturen und Zivilisationen sein. Eindrucksvoll vorgeführt von einer Gesellschaft in Frieden, Gerechtigkeit und Wohlstand. Das ist unsere Bank. Und die Sache mit dem Wohlstand ist ja schon überzeugend angekommen. Er ist sogar Hauptgrund (muslimischer) Zuwanderung. Wenn unsere Werte nun eine christliche Einfärbung haben, dann mag das historisch stimmen, bedeutsam ist es für den kommenden Konflikt weiß Gott nicht.  Oder eben eine gelebte Religion im Privaten, wo noch Platz sein muss für eine weitere, für eine noch nicht eingehegte Buchreligion. Aber nur dort. Und genau das fürchtet Marx. Der aggressive Islam wird vorgeschickt, so die List, um das Staatskirchentum zu verteidigen.  Dumm nur, dass es im Islam keine zweite Religion dann noch gleichrangig geben kann. Aber kurzfristig rettet es vermutlich die Kirchensteuer. Spiritualität ist für den Bischof, der ja bei Bedarf sein Kreuz an- oder ablegt, ohnehin nur Instrument zur Steuererhebung.


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