Manuel Bewarder ist einer der frischen Köpfe bei Springer und als Teilnehmer der Springer Akademie gewissermaßen hausgemacht. Nach fünf Jahren als Redakteur Innenpolitik (Welt) mit Fokus „Bundesinnenministerium“ wurde Bewarder 2017 Stellvertretender Ressortleiter Investigation und Reportage.
Wir erwähnen das hier, weil so klarer wird, dass Bewarder die nötige Expertise mitbringt, auch über Themen wie Migration und Co. kritisch und investigativ zu berichten. Seine aktuellen Artikel befassen sich mit Themen wie „Die Rückführungsoffensive ist gründlich gescheitert“, „Jetzt macht auch das Saarland bei Seehofers Ankerzentren mit“ oder auch: „Zahl der Hinweise auf verdächtige Migranten stark angestiegen.“
Bewarders neuster Coup bekam von ihm eine Überschrift, die im ersten Moment so klingt wie die einer Verlautbarung des aktuellen Oppositionsführers im Deutschen Bundestag: „Illegale Migration nach Deutschland wird offenbar unterschätzt.“
Was hat Bewarder, was hat der Experte für „Bundesinnenministerium“ und „Investigation“ also unter Mitarbeit seines Kollegen Christoph B. Schiltz herausgefunden? Zunächst einmal gelangte man in den Besitz eines internen Papiers der EU-Kommission. Schon einen Tag vor der Veröffentlichung seines Artikels twitterte der Journalist neugierig machend: »Interessanter Satz aus einem internen EU-Papier: „Deutschland nimmt an, dass die tatsächlichen Zahlen zur irregulären Migration höher sind als jene, die durch die vorliegenden Daten dargestellt werden.”«
Seinen Artikel selbst eröffnet er mit einem Satz, der in normalen Zeiten wie ein Arbeitsauftrag an die Bundesregierung hätte klingen können: „Das Ausmaß der illegalen Migration in die Bundesrepublik wird offenbar unterschätzt.“ Ein Auftrag nur von Bewarder? Nein, einer der EU-Kommission, denn, so der Journalist, das ginge aus dem „aktuellen internen Bericht der EU-Kommission hervor, der WELT vorliegt.“
Die EU-Kommission berichtet weiter: „Deutschland nimmt an, dass die tatsächlichen Zahlen zur irregulären Migration höher sind als jene, die durch die vorliegenden Daten dargestellt werden.“ Aber welchen Aussagewert haben dann eigentlich noch die regulären Daten? Und wer ist „Deutschland“, wenn nicht die Bundesregierung? Denn wenn wir hier bei TE Deutschland wären, dann hätte die EU diesen „Verdacht“ ja schon längst einmal der umfangreichen kritischen Berichterstattung bei TE entnehmen können. Übrigens nicht nur als Verdacht, sondern faktenbasiert, mindestens als hinreichendes Indiz.
Ein möglicherweise – bzw. hoffentlich – peinlich berührter Sprecher des Innenministeriums erklärt gegenüber der Zeitung auf Nachfrage, dass die vorliegenden Daten sowie polizeiliche Erkenntnisse darauf schließen lassen würden, „dass illegale Migration nach Deutschland zum Teil auch im so genannten Dunkelfeld erfolgt.“
Das allerdings hätte sich das Ministerium einfacher machen können, wenn doch jedes Milchmädchen auf die Idee kommen kann, zu den offiziellen Zahlen auch jene der Polizei hoch zurechnen. Passierte aber nicht. Denn, so die Ausrede: Belastbare Aussagen über die Größenordnung seien „seriös nicht möglich“. Man weiß also, es sind mehr, aber weil man hier in Zusammenarbeit mit der Polizei eine Schätzung hätte einfließen lassen müssen, lässt man diese Schätzzahlen gleich ganz weg, stört ja nur. Möglicher Nebeneffekt: Solche Auslassung dürften politisch nicht unerwünscht zu sein.
Von „illegal“ zu „irregulär“
Hoch interessant ein weiterer Satz aus dem Papier der EU-Kommission, der so geht:
„Deutschland erfährt kontinuierlich einen hohen Zugang von irregulären Migranten, wobei täglich 460 Personen erstmalig einen Asylantrag stellen.“ Hier lohnt es sich, kurz innezuhalten. Was genau sagt die Kommission damit? Sie sagt nicht weniger, als dass eine überwiegende Zahl der Migranten, die einen Antrag stellen, irreguläre Migranten sind. Wurde das von der EU bisher in der Deutlichkeit bestätigt? „Irregulär“ hier selbstverständlich in der Verwendung als Synonym für „illegal“. So „illegal“, wie es auch Bewarder in seiner Überschrift verwendet hat.
Aber Bewarder fragte noch weiter. Er fragte dort nach, wo er ja als Experte jahrelang gute Kontakte aufgebaut haben sollte: im Bundesinnenministerium. Und von dort wurde ihm mitgeteilt, dass »der Missbrauch oder das Fälschen von Dokumenten bei der irregulären Migration weiterhin „eine beträchtliche Rolle“« spielt. Insbesondere bleibe aber auch das „Ausmaß der Wanderungen innerhalb der Europäischen Union hoch.“ Besonders bedenklich, wenn weiter berichtet wird, dass eine Abfrage der Fingerabdruck-Datenbank Eurodac lediglich über den Zeitraum von einer Woche im September sage und schreibe 8.343 Treffer (das sind achttausenddreiundvierzig Illegale bzw. irreguläre Migranten, die hier versorgt werden wollen) erbrachten, dass also in nur einer Woche diese hohe Zahl von Personen festgestellt wurde, die laut Eurodac zuvor bereits in einem anderen EU-Staat registriert worden waren. Die also eigentlich nach geltendem Recht von den deutschen Behörden unverzüglich dorthin zurückgeschickt werden müssten.
Auch neuere Informationen dazu, wie diese Persoen hierher gelangen, werden genannt. So steige seit Frühjahr 2018 „auch die Zahl der Migranten fast kontinuierlich, die die griechisch-mazedonische Grenze überschreiten. Zuletzt zählten die Behörden dort etwa 500 Personen pro Woche – wobei Beamte von einer deutlich höheren Dunkelziffer ausgehen.“
Nachrichten, die maximalen Handlungsbedarf signalisieren. Aber was macht die Bundesregierung bzw. die Partei der Bundeskanzlerin? Sie lässt ihren stellvertretenden Vorsitzende der Unionsfraktion, Stephan Harbarth (CDU), erzählen: „CDU und CSU werden sich nicht mit dem derzeitigen Niveau abfinden.“ Man arbeite daran, die Zahlen zu senken. Und es steht tatsächlich zu befürchten, dass Harbarth dieses den Journalisten ohne mit der Wimper zu zucken ins Gesicht gesagt hat.