Alexander Wallasch: Wie geht es Ihnen heute? Was geht Ihnen aktuell so durch den Kopf rückblickend auf Ihre Veranstaltung für Corona-Maßnahmengegner, Merkel-muss-weg-Apologeten und Reichstagsvandalen?
Michael Ballweg: Ich fand die Versammlung am Samstag sehr gelungen. Ich fand es sehr schön, dass wir es geschafft haben, die Versammlung letztlich bis zum Ende durchzuführen. Trotzdem der Innensenator Geisel ja alles gemacht hat, um das zu verhindern. Wir hatten ja noch von dem Insider der Polizei die Einsatzbefehle erhalten. Die waren nicht aktualisiert. Was natürlich ein Skandal ist. Und dementsprechend war die Arbeit mit der Polizei zwar kooperativ, aber auch sehr anstrengend.
Was steht da drin in den Einsatzbefehlen?
Da steht, dass ein offensives Vorgehen gegen die Teilnehmer anzuwenden ist. Und das haben wir dann am Abend auch gesehen.
Ich war auch da und habe etwas weniger als einhunderttausend Teilnehmer geschätzt, die Polizei etwas weniger als 40.000, der Spiegel beispielsweise hat auf kryptische Weise nachgerechnet und kam auf 32.500 oder noch weniger, Matthias Matussek nennt in seinem Vlog eine Zahl von 80.000 Teilnehmern. Bitte klären Sie uns auf, wie viele es waren und warum ihre Zahl die bessere sein könnte.
Das klingt optimistisch im Blick nach vorne. Und danach, dass sie noch eine Steigerung in den Teilnehmerzahlen im Auge haben und nicht glauben, dass der Reichstagsvorfall etwa negative Folgen haben könnte …
TE hat allerdings ein Interview geführt mit einem Aachener Zahnarzt, der mit dabei war, als die Menschen die Treppen vor dem Reichstag besetzt hatten. Der sagt nun allerdings, dass explizit die Ansage vom Wagen der Querdenker ausging, zum Reichstag zu gehen, so wie zuvor schon aufgefordert worden sein soll, zur Russischen Botschaft zu gehen, weil da was los sei. Wohlgemerkt, laut Aussage des Mannes noch bevor die Überwindung der Absperrungen vor dem Reichstag losgegangen sei. Was sagen Sie nun dazu?
Das weiß ich nicht, können Sie mir das geben als Quelle?
Ist bei TE veröffentlicht …
Welcher LKW war denn das mit welcher Nummer? Unsere LKW waren ja alle beschriftet …
Laut Zahnarzt war das ihr großer LKW Westseite Brandenburger Tor.
Die hatten alle Nummern, ich brauche die Nummer, dann wissen wir, wer das war.
Vor dem Brandenburger Tor Westseite stand doch nur ein großer LKW …
Ich weiß gar nicht, ob der von uns war, kann ja auch von jemand anderem gewesen sein …
Sie müssen doch wissen, ob der große zentrale LKW, von dem herunter moderiert wurde, ob der von Ihnen war …
Nee, weiß ich nicht, ich hab ja nicht alle Fahrzeuge im Kopf. Gibt es da ein Bild davon?
Sicherlich viele …
Schicken Sie mir mal ein Bild von dem LKW, dann lasse ich das prüfen, ob der LKW Teil unseres Auftritts war. Wenn der keine Nummer … haben sie das Bild vor sich?
Der hatte vorne ein großes Banner mit einem Spruch drauf, zentral vor dem Brandenburger Tor, und war mit Paletten belegt, damit die Leute oben drauf stehen können.
Ich brauche wirklich ein Foto von dem LKW …
Schicke ich Ihnen per Email. Andere Frage: Warum haben Sie nicht gleich im Vorfeld die sich ab 9:30 Uhr vor dem Bismarckdenkmal sich Versammelnden bis zu einhundert Reichsflaggenträger ermahnt oder irgendwie angesprochen? Diese Vertreter haben doch sowieso oder hatten eine eigene feste Demo vor dem Reichstag, die sie auch gerade erwähnt haben.
Sie würden aber zustimmen, dass für die allermeisten Teilnehmer das nicht mehr zu trennen war, für die war das insgesamt die Querdenker-Demo von vorne bis hinten … Aber noch mal zurück zu den Reichsflaggenträgern, warum haben Sie da nicht schon im Vorfeld interveniert, der Aufmarsch begann ja 9:30 Uhr vor dem Bismarckdenkmal genau gegenüber ihrer Hauptbühne an der Siegessäule?
(Michael Ballweg fragt in die Runde seines Teams, wer etwas darüber wüsste, er bekommt von hinten die Antwort, das sei nicht einsehbar gewesen.)
Das war nicht einsehbar von uns … Moment, aber diese Versammlung (Red.: Der Reichsflaggenträger) war ja sogar angemeldet, die wurde sogar beworben, dass da am Bismarckdenkmal noch eine ist, die wurde ja auch nicht verboten. Ha, noch mal eine, die der Herr Innensenator nicht verboten hat, obwohl er gewusst hat …
Sie würden aber zustimmen, dass es für Teilnehmer schwer war, das zu unterscheiden?
Ja klar, das war ja gewünscht.
Sie meinen, da hat Ihnen der Innensensator Geisel das eine oder andere in den Pelz gesetzt?
Genau so.
Sie haben gesagt, sie würden sich auch von Mutter Natur ernähren können, Geld bzw. Alterssicherung spiele für Sie keine Rolle. Sie glauben nicht mehr an das Geldsystem. Sie haben also die klassischen Sicherheitssysteme gekappt. Sind sie etwa ein antikapitalistischer Öko mit Aussteigertendenzen? Wohin soll die Reise gehen, ins Innere aber dann doch längerfristig in Deutschland bleiben und von Luft, Liebe und Löwenzahn leben?
Genau so unterschreibe ich das (lacht).
Was machen Sie morgen?
Morgen gehe ich mit meinem Hund spazieren und genieße mal wieder einen Tag mit meiner Frau.
Rassehund oder Mischling?
Das ist ein Mischling.
Zwei Querdenker-Forderungen sind klar von ihnen formuliert: „Wir fordern die sofortige Beendigung aller Corona-Maßnahmen und die Abdankung der Bundesregierung“. Aber so richtig erkennbar waren nicht einmal diese beiden Basis-Forderungen auf der Demo in Berlin – viel präsenter waren dutzende, wenn nicht hunderte unterschiedlichster Einzelanliegen von Fallun Gong bis Hare Krishna und das mit entsprechendem Getrommel. Ich habe eine verzweifelte ältere Jüdin getroffen am Rande der Veranstaltung, die es nicht fassen konnte, dass dort die AfD/Höcke unter wehenden Israelfahnen auftreten durfte, wo sie doch eigentlich ursprünglich hingegangen wäre, um sich für die Demokratie stark zu machen – was sagen Sie dieser Dame?
Also ich habe Israelflaggen gesehen. Wir hatten ja auch diese Jüdin, also ich weiß nicht, ob sie Jüdin ist, aber auf jeden Fall Israelin – oder wie ist das deutsche Wort? – Israelin auf der Bühne, die die Abstandsregeln durchgegeben hat. Was soll ich dazu sagen? Ich finde es nicht toll, dass die sich dort einreihen (Red.: AfD/Höcke), aber es ist halt eine Versammlung ohne Eintrittskarte und ohne Eintrittskontrolle und letztendlich, so weit ich weiß, ist er ja – ist er Mitglied des Bundestages oder was ist er eigentlich?
Höcke ist Abgeordneter im Thüringer Landtag …
Wäre es rückblickend besser gewesen, doch noch platzierter immer wieder ihre Forderungen zu penetrieren auf irgendeine Art und Weise alle fünf Meter oder wie auch immer?
Ja, wobei ich finde, das ist gar nicht schlimm. Weil ich sag mal so: Ich habe meine Ziele. Andere Teilnehmer haben andere Ziele. Und das ist ja auch gerade das Schöne an Querdenken, dass letztendlich jeder Mensch frei sein und seine eigenen Forderungen haben darf. Wenn die Teilnehmer aber das größere Ziel nicht unterstützen würden, würden sie auch nicht auf unsere Demos kommen. Ich will ja mit Querdenken gar nicht – was weiß ich – wie eine Parteibewegung sein.
Sie haben keinen Führungsanspruch, was die Grundforderungen der Querdenker angeht?
Genau, wir nennen es ja auch Fest für Freiheit und Frieden. Das heißt, es darf jeder frei sein in seiner persönlichen Entfaltung und darf natürlich auf den Plakaten die Dinge fordern, die ihm wichtig sind. Wir sind ja keine Partei, die ein Parteiprogramm vorgibt und dann sagt, auf den Demos müssen die Schilder so und so aussehen.
Aber lieber Herr Ballweg, auch der deutsche Hippie möchte natürlich Führung und geführt werden. Das ist in Deutschland so, der Deutsche ist so gestrickt. Oder nicht?
(lacht) Jaaa … Aber nein, das ist ja genau das, was wir nicht mehr machen. Wir stehen für Selbstbestimmung und Eigenverantwortung.
Aber so verlieren Sie viele, oder?
Das mag gut sein, aber das ist einfach so. Ich bekomme hunderte von Emails mit Verbesserungsvorschlägen. Und denen schreiben wir dann immer zurück: Querdenken heißt Eigenverantwortung und Selbstbestimmung, macht gerne.
Ein bleibender Eindruck der Demo in Berlin vom 29. August war, dass sich dort nicht etwa besonders viele Reichsbürger versammelt hätten, viel präsenter waren kirchliche bzw. freikirchliche Gruppen. Überall Jesus-Flyer und Bibelzitate, selbst von den Bühnen herunter Freikirchler in voller Aktion. In wie weit sind die Querdenker mit kirchlichen, mit freikirchlichen oder anderen christlichen Gruppen verbunden? Das ist ja auffällig, welchen Zusammenhang gibt es da möglicherweise auch bei Ihnen persönlich? – Anmerkung: Impfgegner und Freikirchler, das passt ja ebenfalls gut zusammen.
Ja, ok. Also es gibt gar keine Verbindung. Die normalen Kirchen haben sich ja von uns distanziert und haben uns diffamiert. Ich bin ja jemand, der sich die Kraft aus der Meditation holt. Andere holen sie sich eben aus dem Gebet.
Welche Meditation ist das bitte?
Also ich bin großer Fan von Joe Dispenza.
Welche Notbremsen gibt es, wenn einer zu arg quer schießt von den Querdenkern? Gibt es rote Linien, auch wenn der Begriff selbst, so kontaminiert ist?
Gewalt natürlich. Und Extremismus sowohl von linker Seite als auch von rechter Seite.
Es kursiert eine Stellenanzeige im Netz, die von Ihnen sein soll, wo sie Komparsen für Demonstrationen suchen bei der Arbeitsagentur.
Nein, die ist auf keinen Fall von mir. Da sind ja viele Fake-Informationen unterwegs.
Um so mehr Fakes, desto wichtiger werden Sie, oder?
Ja, genau so sieht es aus.
Wie hoch sind nach Abzug der Ehrenämter und Selbstkosten usw. die überbleibenden Kosten wirklich, wie groß ist das Spendenaufkommen in Summe bisher, wie voll die Kriegskasse? Wie hoch die Ausgaben konkret? Wurden Schulden gemacht und auf welchen Namen?
Also ich habe jetzt erst einmal alle meine Versicherungen gekündigt. Wir kommen mit dem Spendenaufkommen gut zurecht.
Wie viel ist da zusammengekommen aus ihren Versicherungen?
Da mache ich jetzt keine Infos drüber.
Also es ist genug Geld da, aber Sie wollen nicht sagen, was konkret im Topf ist?
Genau, letztendlich müssen wir jetzt auch erst einmal zurückfahren und die Kostenkalkulation noch fertig machen. Wir sind ja nur ein kleines Team von zwölf Leuten. Und wir können zwar viel, aber wir können auch nicht zaubern.
Ich habe vor dem Interview mit einem Kollegen gesprochen, was ich Sie noch fragen könnte. Der sagte, frag ihn doch mal: Im Internet gibt es einen Film wohl aus so einer Arbeitssitzung von Querdenker. Und das kam ihm vom Eindruck her vor, als säßen da ein Haufen Antifa, Hippies und Kommunistischer Bund an einem Tisch und würden beratschlagen …
Ja, genau (lacht), aber welche Videos denn eigentlich?
Irgendwo aus den Weiten des Internet, vielleicht Youtube?
Nee, eigentlich nicht.
Machen Sie denn Stuhlkreise ab und zu einmal?
Ähm, nein. Wir machen ganz professionell geführte Besprechungen. Weil ich ja letztlich Unternehmer bin und keine Zeit zu verplempern habe. Und von daher würde mich das wundern, aber gerne mal schicken.
Was würden Sie die Kanzlerin fragen, wenn sie sie ebenso treffen würden, wie sie sich mit Thunberg und Neubauer trifft? Was interessiert sie an der Frau?
Da habe ich jetzt keine Antwort darauf, tut mir leid.
Aber Sie würden so ein Treffen schon wahrnehmen?
Ja natürlich würde ich das schon wahrnehmen. Ich meine, es heißt ja Querdenken, dass man sich alle Meinungen anhört. Aber ich würde dann natürlich einen entsprechenden Fragenkatalog ausarbeiten von Fragen, die mich interessieren würden auf einer sachlichen Ebene.
Was würde sie auf der privaten Ebene interessieren?
Ich glaube eher weniger. Solche Gespräche finden auf der fachlichen Ebene statt.
Nächste Demo in Konstanz – Sie sagten im RRB, Grund dafür wäre die rechtsextreme Mobilisierung in Berlin. Einziger Grund für Konstanz? Bisschen dünn oder?
Die, die sie nicht haben wollen, haben jetzt aber auch Blut geleckt. Aber was anderes, wie anstrengend ist das alles für Sie persönlich? Wird es nicht manchmal einfach auch zu viel? Vor allem, wo das Querdenken auch so vielen Meinungen Raum gibt, wo Sie ja auch immer wieder aufs Neue die ordnende Kraft sei müssen …
Ich sagte ja schon, ich krieg halt meine Kraft durch die Meditation. Aber ich muss auch nicht die ordnende Funktion sein. Sondern das ist ja gerade, was uns ausmacht. Es kommen jetzt wieder Leute dazu, die sich anbieten und die sagen: Ich habe Erfahrung darin, wie man Dinge ordnet, ich würde das gerne übernehmen. Und dann gebe ich das Thema auch ab. Ich kann Menschen ganz gut zusammenbringen. Da wäre ja auch die Idee gewesen von Querdenken, dass da viele – auch viele, die sich auch gerne mal die Köpfe einschlagen – dass man da auch mal mit dem Volkslehrer von mir aus diskutiert. Oder ein – wie heißt er noch? – Niemeyer, der Ihnen dann zentral gegenüber steht. Und das die einfach mal ihre Positionen austauschen. Und dass das auch wieder erlaubt ist, miteinander zu reden. Im Moment ist es ja so, dass ich sage, wir reden auch mit der Antifa. Da haben wir auch jemanden gefunden in Hamburg, der beispielsweise bei Rubikon mal bereit ist, ein Interview zu machen (…). Und dass da einfach dieses Thema aufhört, dass man nicht mehr miteinander reden darf. Bloß weil irgendeiner sagt: Du gehörst in die Schublade und ich bleib in meiner Schublade und guck da nicht drüber. Das ist ja das Schlimme, was gerade passiert, egal ob das auf Corona bezogen ist oder auch auf das Parteiensystem. Wir möchten, dass den Leuten wieder erlaubt ist, miteinander reden zu dürfen.
Gut, dass ist natürlich alles auch ein bisschen dieses Woodstock-Feeling, was bei Ihnen auf der Veranstaltung auch deutlich rüberkam. Natürlich gab es da auch einen hohen Wohlfühlfaktor für viele, gute Unterhaltung sogar. Anderen ist so was zu wenig, zu wenig Angriff, zu wenig Bereitschaft, auch dahin zu gehen, wo es unangenehm wird. Oder mag das auch daran gelegen haben, dass der Demomarsch einfach nicht losging und die Demonstration durch Verbote bzw. Auflösungen zu einer Standveranstaltung gemacht wurde, eben zu so einem kleinen Woodstock-Standfestival?
Gut, dass ist ja absolut von uns gewünscht. Das erzeugt doch eine positive Energie. Die Menschen fühlen sich wohl, die kommen auch wieder. Ich kann die Ungeduld von vielen verstehen. Die Frage ist: Was soll man denn machen? Also die gewalttätige Revolution, die viele jetzt fordern, wo die dann immer sagen: Grundgesetz Artikel 20/4 (Red.: Widerstandsrecht). Aber sobald es gewalttätig wird, haben wir verloren. Das heißt, es kann nur mit viel Geduld gehen, mit vielen friedlichen Demos, die eben immer größer werden, weil die Menschen da gerne hingehen. Weil sie dort letztendlich sich wohlfühlen, tolle Menschen kennenlernen … Ich verstehe viele, die ungeduldig sind. Aber es ist halt ein Marathon und kein Sprint.
Das ist dann aber dieser Ghandi-Weg, den sie da wählen. Aber der ist gerade für Ihre Klientel sehr kompliziert. Sie sagten ja vorhin, Sie haben gar keine Klientel. Aber Sie verstehen schon, dass Sie sich hier langsam zum Staatsfeind Nr.1 hocharbeiten? Aber ganz, ganz flott eigentlich …
Ja (lacht), das weiß ich schon, ja klar.
Kann man das abfangen, indem man doch noch mehr mit der etablierten Politik ins Bett steigt oder zumindest spricht? Gibt es denn Avancen über die AfD hinaus, die sehen, welche Kraft Sie da mobilisieren und die daran teilhaben wollen? Mit Ihren Demonstrationen haben Sie ja auch einen großen Machtfaktor in den Händen.
Erst einmal zum Staatsfeind Nr.1: Ich habe die Querdenker so dezentral aufgebaut, dass die Gruppen alle autark sind, und natürlich bin ich mir bewusst, dass es ein Risiko darstellt, aber ich sag mal so: Es ist dafür gesorgt, dass die Bewegung auch weitergeht, wenn man mich aus dem Spiel nehmen würde.
Der Vorteil von Staatsfeind Nr. 1 mag sein, dass man über die Bekanntheit auch unangreifbar wird …
(lacht sehr) Alles gut.
Gibt es noch etwas, dass ich nicht gefragt habe, was Sie aber gerne gesagt hätten?
Warum glauben Sie auch nur ansatzweise, dass der mit Ihnen sprechen will?
Er hatte das doch gesagt auf irgendeiner Demo.
Vielen Dank für das Gespräch