Tichys Einblick
Bankrotterklärung der Staatsführung

Hunderttausendfacher Rechtsbruch im BAMF bestätigt: Die Verantwortlichen sitzen auf der Regierungsbank

Hier geht es zweifellos um eine Bankrotterklärung der Staatsführung selbst, nicht ein Behördenversagen. Die dafür verantwortlich und nach wie vor im Amt befindliche Regierung der Bundesrepublik Deutschland muss Konsequenzen ziehen. Angemessen wäre zurücktreten.

© Sean Gallup/Getty Images

Im BAMF-Skandal um mutmaßlich „bandenmäßigen“ Betrug in Zusammenarbeit von Anwälten, BAMF-Mitarbeitern, Dolmetschern und wohl auch Ärzten, melden sich immer mehr gewichtige Protagonisten zu Wort.

Gestern platzte nun auch dem Gesamtpersonalrat des Bundesamtes endgültig der Kragen, als sich BAMF-Personalratschef Rudolf Scheinost in einem durchaus als „Brandrede“ zu bezeichnenden ausführlichen Schreiben im Namen der Kollegen gegen „einseitige Schuldzuweisungen und wahrheitswidrige Tatsachenbehauptungen“ verwahrte.

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Zu dieser Brandrede gleich mehr, was allerdings auch hier auffällig ist: Auch Scheinost konzentriert sich auf die Vorkommnisse in der Bremer Außenstelle. Dabei hatten Abgeordnete der Bundestagsfraktion DIE LINKE auf eine kleine Anfrage im Oktober 2017 eine Antwort der Bundesregierung erhalten, die schon damals Hinweise geben konnte auf die eklatanten Unterschiede nach Bundesländern, was die Entscheidungen bezogen auf die selben Gruppen von Antragstellern angeht.

Neben Bremen besonders auffällig hier positive Entscheidungen aus dem Saarland, die teilweise mehr als doppelt so hoch waren wie die von Ländern wie Berlin und Niedersachsen. Ähnliches gilt für Sachsen-Anhalt aber auch für weitere Bundesländer.

Sortiert sieht das am Beispiel syrischer Antragsteller im ersten Halbjahr 2017 folgendermaßen aus (Vorab erwähnt werden muss hier, dass die tatsächliche Asylberechtigung fast durchgängig unter ein Prozent liegt. Wir sprechen hier also lediglich über Anerkennungen nach § 3 I AsylG bzw. über subsidiären Schutz gemäß §4 I AsylG.):

Nach § 3 I AsylG sind die Anerkennungsquoten bestimmter Länder zunächst vergleichbar: Niedersachsen 31,5 %, Rheinland-Pfalz, 33,2 %, Sachsen 34, 6 %, Schleswig-Holstein 31,1 % und Baden-Württemberg mit 33,5 %. Dann kommen die Ausreißer mit Bremen 52,1 %, Mecklenburg-Vorpommern 42,1 %, Saarland 47,1 % und Sachsen-Anhalt mit 47,2 %.

Was Afghanen, Iraner, Iraker und Asylbewerber aus Eritrea anbelangt, erscheint es sogar völlig schleierhaft, wie es möglich sein konnte, dass in Bremen doppelte bzw. dreifach höherer Anerkennungsquoten in der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Linkspartei schon im Oktober 2017 dokumentiert vorlagen und dennoch keine massiven Irritationen auslösen konnten.

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Noch mehr, wenn die Bundesregierung diese Unterschiede mit so lapidaren Sätzen erklärt, wie diesem hier: „Grundsätzlich ist das Asylverfahren eine individuelle Einzelfallprüfung, in der sich auch bei Personen aus gleichen Herkunftsländern die individuellen Umstände deutlich unterscheiden können.“ Und abschließend sogar noch befand: „Ein Vergleich der Länder sowie eine Generalisierung der Schutzquote auf z. B. eine Volksgruppe oder Religion sind aus den genannten Gründen nicht möglich.“ Und das als Nachsatz unterhalb einer Statistik, die beispielsweise feststellt, dass in Bremen 75,3 Prozent der Iraner anerkannt wurden (nach § 3 I AsylG), in Brandenburg hingegen nur 29,7 Prozent und in Bayern 29,1 Prozent.

Wer also diesen BAMF-Skandal auf Bremen beschränken will, greift nicht weit genug. Die Hinweise, die schon im Oktober 2017 dem Bundestag und der Öffentlichkeit vorlagen, hätten schon damals  eine bundesweite Überprüfung absolut notwendig erscheinen lassen.

Aber zurück zum Brandbrief des Gesamtbetriebsrates des BAMF von gestern. Hier stellt der Betriebsrat fest: „Wir verwahren uns  ausdrücklich dagegen, dass Kolleginnen und Kollegen durch Herrn Weise in ihrem Ansehen, ihrer Arbeit  und ihrer Person „beschädigt“ werden!“ Nun schließt auch der Betriebsrat nicht aus – nein, er bestätigt es sogar – dass im BAMF flächendeckend schlampig gearbeitet wurde. Dies allerdings sei auf Basis von Dienstanweisungen passiert, die eine klare Priorität hatten: „Richtig ist, dass bis heute den „Erledigungen“ absoluten Vorrang eingeräumt und die Qualität diesem Ziel vollständig untergeordnet wird.“ Damit im Übrigen wären „Einschränkungen der grundgesetzlich normierten Rechtstaatlichkeit bewusst in Kauf“ genommen worden.

Aber es kommt noch schlimmer: Entscheider, die, so der Betriebsrat des BAMF, diese Akkordquoten („Produktivziele“) nicht erfüllen konnten oder wollten, wurden „sämtliche EASO-Schulungen  und Sonderbeauftragtenschulungen“ (dies sind Grundschulungen)“ gestrichen. Mit anderen Worten, so der Betriebsrat weiter: „Nur wer ohne Schulung die Produktivziele – wie auch immer – erfüllt, darf zur Grundschulung.“ Nein, skandalöser geht es tatsächlich kaum noch.

Der Betriebsrat listet die Rechtsbrüche der Führungsebene detailliert auf:

Kontrollverlust als Methode
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Und wer nun glaubt, das sei das Ende der Fahnenstange, der irrt: „Wir reden von Hunderttausenden von Verfahren, in denen mutmaßlich die Identität nicht belegt wurde.“, so der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates des Bundesamtes. Und dies betreffe nicht einmal nur die Anhörung mittels Fragebogen. Das ist für sich genommen schon ein Rechtsbruch sondergleichen, wenn die Kreuze der Antragssteller auf Fragebögen zehn- wenn nicht hunderttausendfach über deren Anerkennung entschieden haben und diese Personen dann automatisch in das deutsche Sozialsystem integriert wurden mit allen Folgekosten.

Nein, hier müssen keine Mitarbeiter entlassen, hier müssen nicht einmal Führungskräfte gefeuert werden, hier geht es zweifellos um eine Bankrotterklärung der Staatsführung selbst. Die dafür verantwortlich und nach wie vor im Amt befindliche Regierung der Bundesrepublik Deutschland muss Konsequenzen ziehen, geschlossen zurücktreten und Neuwahlen zulassen. Das wäre der Schwere der Vorgänge angemessen.

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