Im BAMF-Skandal um mutmaßlich „bandenmäßigen“ Betrug in Zusammenarbeit von Anwälten, BAMF-Mitarbeitern, Dolmetschern und wohl auch Ärzten, melden sich immer mehr gewichtige Protagonisten zu Wort.
Gestern platzte nun auch dem Gesamtpersonalrat des Bundesamtes endgültig der Kragen, als sich BAMF-Personalratschef Rudolf Scheinost in einem durchaus als „Brandrede“ zu bezeichnenden ausführlichen Schreiben im Namen der Kollegen gegen „einseitige Schuldzuweisungen und wahrheitswidrige Tatsachenbehauptungen“ verwahrte.
Neben Bremen besonders auffällig hier positive Entscheidungen aus dem Saarland, die teilweise mehr als doppelt so hoch waren wie die von Ländern wie Berlin und Niedersachsen. Ähnliches gilt für Sachsen-Anhalt aber auch für weitere Bundesländer.
Sortiert sieht das am Beispiel syrischer Antragsteller im ersten Halbjahr 2017 folgendermaßen aus (Vorab erwähnt werden muss hier, dass die tatsächliche Asylberechtigung fast durchgängig unter ein Prozent liegt. Wir sprechen hier also lediglich über Anerkennungen nach § 3 I AsylG bzw. über subsidiären Schutz gemäß §4 I AsylG.):
Nach § 3 I AsylG sind die Anerkennungsquoten bestimmter Länder zunächst vergleichbar: Niedersachsen 31,5 %, Rheinland-Pfalz, 33,2 %, Sachsen 34, 6 %, Schleswig-Holstein 31,1 % und Baden-Württemberg mit 33,5 %. Dann kommen die Ausreißer mit Bremen 52,1 %, Mecklenburg-Vorpommern 42,1 %, Saarland 47,1 % und Sachsen-Anhalt mit 47,2 %.
Was Afghanen, Iraner, Iraker und Asylbewerber aus Eritrea anbelangt, erscheint es sogar völlig schleierhaft, wie es möglich sein konnte, dass in Bremen doppelte bzw. dreifach höherer Anerkennungsquoten in der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Linkspartei schon im Oktober 2017 dokumentiert vorlagen und dennoch keine massiven Irritationen auslösen konnten.
Wer also diesen BAMF-Skandal auf Bremen beschränken will, greift nicht weit genug. Die Hinweise, die schon im Oktober 2017 dem Bundestag und der Öffentlichkeit vorlagen, hätten schon damals eine bundesweite Überprüfung absolut notwendig erscheinen lassen.
Aber zurück zum Brandbrief des Gesamtbetriebsrates des BAMF von gestern. Hier stellt der Betriebsrat fest: „Wir verwahren uns ausdrücklich dagegen, dass Kolleginnen und Kollegen durch Herrn Weise in ihrem Ansehen, ihrer Arbeit und ihrer Person „beschädigt“ werden!“ Nun schließt auch der Betriebsrat nicht aus – nein, er bestätigt es sogar – dass im BAMF flächendeckend schlampig gearbeitet wurde. Dies allerdings sei auf Basis von Dienstanweisungen passiert, die eine klare Priorität hatten: „Richtig ist, dass bis heute den „Erledigungen“ absoluten Vorrang eingeräumt und die Qualität diesem Ziel vollständig untergeordnet wird.“ Damit im Übrigen wären „Einschränkungen der grundgesetzlich normierten Rechtstaatlichkeit bewusst in Kauf“ genommen worden.
Aber es kommt noch schlimmer: Entscheider, die, so der Betriebsrat des BAMF, diese Akkordquoten („Produktivziele“) nicht erfüllen konnten oder wollten, wurden „sämtliche EASO-Schulungen und Sonderbeauftragtenschulungen“ (dies sind Grundschulungen)“ gestrichen. Mit anderen Worten, so der Betriebsrat weiter: „Nur wer ohne Schulung die Produktivziele – wie auch immer – erfüllt, darf zur Grundschulung.“ Nein, skandalöser geht es tatsächlich kaum noch.
Der Betriebsrat listet die Rechtsbrüche der Führungsebene detailliert auf:
- Rechtsstaatliche Asylverfahren wurde mittels entsprechender Vorgaben von Anhörungen und Bescheiden verhindert
- Seit den Zeiten von Herrn Weise bis heute wurden Anhörungen und fehlerhafte Bescheide „durchgewunken“
- Einarbeitungen, Schulungen etc. wurden verhindert • Seit Mitte 2015 bis heute wurde jegliche herkunftsländerspezifische Schulung unterbunden
- Ein rechtsstaatliches Verfahren im Zusammenhang mit der Prüfung von Rücknahme und Widerrufsverfahren wurde verhindert.
Nein, hier müssen keine Mitarbeiter entlassen, hier müssen nicht einmal Führungskräfte gefeuert werden, hier geht es zweifellos um eine Bankrotterklärung der Staatsführung selbst. Die dafür verantwortlich und nach wie vor im Amt befindliche Regierung der Bundesrepublik Deutschland muss Konsequenzen ziehen, geschlossen zurücktreten und Neuwahlen zulassen. Das wäre der Schwere der Vorgänge angemessen.