Tichys Einblick
Innenministerkonferenz

Horst Seehofer simuliert Härte bei Abschiebungen

Die Innebminister zankten sich laut über den Abschiebestopp nach Syrien. Eine Schattenboxerei, denn praktisch sind Abschiebungen dorthin ohnehin kaum möglich - stattdessen kommen allmonatlich weitere Asylbewerber, auch aus Syrien.

imago images / Eibner

Das neueste Beispiel einer Entfremdung der Regierenden vom Land und seinen Bürgern lieferte live die Innenministerkonferenz. Dort nämlich zankte man sich mit vermeintlichem Getöse um Abschiebungen nach Syrien. Konkret geht es darum, einen Ende des Jahres auslaufenden Abschiebestopp nach Syrien zu verlängern. Die Konferenz musste aktiv werden, wenn der Abschiebestopp nicht quasi still und heimlich auslaufen sollte.

Insbesondere der in seiner Glaubwürdigkeit angeschlagene Bundesinnenminister Horst Seehofer wollte mit Forderungen nach Abschiebungen wohl beim Bürger wieder so etwas, wie eine Law&Order-Haltung demonstrieren. Besonderer Anlass war ihm dabei der gewaltsame Tod eines Homosexuellen in Dresden durch einen Syrer, der als Gefährder bekannt war, der aber eben u.a. wegen des Abschiebestopp nicht auf die Heimreise geschickt werden konnte. Auch eine irgendwie geartete Abschiebehaft oder mindestens Sicherheitsverwahrung, Hausarrest oder Ähnliches: Fehlanzeige.

Seehofer also als Profiteur der Stunde? Aufgeregt zeigte er sich und mit der lautstarken Forderung, solche Täter zukünftig doch abschieben zu müssen. Die SPD-Innenminister zogen dem Bundesinnenminister diesen Zahn allerdings sofort. Tatsächlich sprechen eine Reihe gewichtiger Fakten dagegen, überhaupt nach Syrien abzuschieben inklusive einiger humaner Erwägungen.

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Der Bundesinnenminister hat also genau da getrommelt, wo sowieso keine Abschiebungen erfolgen können. Schon alleine deshalb, weil es den argumentativ  hochgerüsteten Heerscharen von Asylanwälten in Deutschland ein Leichtes ist, diese syrischen Abschiebungen, so sie überhaupt je angeordnet werden, sofort zu verhindern.

Also passiert, was jetzt passiert ist und für reflexartiges mediales Flügelschlagen  sorgte: Der Abschiebestopp wurde nicht verlängert. Was aber mutmaßlich nichts ändert, weil sowieso nicht abgeschoben werden kann. Dem Bürger wird da also eine vermeintliche Law&Order-Kiste als Mogelpackung verkauft.

Was die Heuchelei der Regierung und vieler Medien noch offensichtlicher macht, sind die offiziellen Zahlen aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Demnach kamen aus Syrien von Januar bis Oktober dieses Jahres 32.643 Menschen nach Deutschland und stellten einen Asylantrag. Im selben Zeitraum allerdings wurden gerade einmal 230 Syrer nach Art. 16 a GG als Asylanten beziehungsweise deren Familienangehörige anerkannt. 12.798 Syrer wurden unter subsidären Schutz gestellt und weitere tausende Syrer erhielten alternative Aufenthaltstitel.

Trotz Corona-Maßnahmen und weiteren Einschränkungen kamen gerade einmal 11,5 Prozent weniger Syrer nach Deutschland als im Vorjahr. Mittlerweile sind übrigens bereits über 25 Prozent der Neuantragsteller in Deutschland geborene Kinder. Das Bundeamt spricht von einer Gesamtschutzquote von 88,5 Prozent für Syrer. Zahlen, die auch jedem Syrer in Syrien selbst, in der Türkei oder sonstwo auf der Balkanroute bekannt sind. Die Chance auf ein Leben in Deutschland ist also hoch. Tragisch ist in diesem Zusammenhang, dass auf syrischem Gebiet auch zahlreiche Kurden und Kurdinnen leben, die zwischen den Kriegsparteien regelrecht aufgerieben werden und wurden, faktisch aber einen gewichtigen Anteil daran haben, dass der Islamische Staat erfolgreich eingehegt wurde. Auch diese Kurden werden zunächst als Syrer behandelt. Nur im Detail hat ihre Geschichte dann Einfluss auf die Asylentscheidung.

Betrachtet man jetzt ausschließlich die Zahlen für Oktober 2020, dann haben in diesen 31 Tagen 8.557 Migranten einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Und Corona-Maßnahmen hin oder her: Die Asylantragszahlen waren im Oktober 2020 auf einem vergleichbaren Niveau, wie beispielsweise schon im Mai und im Dezember 2019.

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Ebenfalls im Oktober erhielten 3.113 Personen die „Rechtsstellung eines Flüchtlings nach den Genfer Flüchtlingskonventionen“, 1.834 Personen bekamen subsidären Schutz und 467 Personen Abschiebeschutz. Abgelehnt wurden Anträge von 3.191 Personen. Davon allerdings haben laut neuesten Statistiken wiederum fast 60 Prozent Aussicht, dass eine Klage gegen diesen Bescheid erfolgreich sein wird. Von einer dann zu vollziehenden Abschiebung der verbleibenden 40 Prozent, die trotz der Heerscharen von Asylanwälten ihre Klage verloren haben, kann dennoch nicht die Rede sein. Wenn sie ihren illegalen Aufenthalt lange genug hinauszögern können, wird ihre Abschiebung schon alleine wegen dieser gewissermaßen anwaltlich erwirkten verlängerten Aufenthaltsdauer hinfällig.

Zurück zum Anfang: In diese Situation hinein will uns also der Bundesinnenminister weiß machen, ihm wäre an Abschiebungen von Syrern bzw. kriminellen Syrern gelegen während quasi zu Wasser, über Land und aus der Luft täglich fast 300 Migranten nach Deutschland kommen abzüglich der 25 Prozent hier geborener Kinder, die ja schon da sind? Man scheint in den Innenministerien davon auszugehen, dass die Adressaten der jüngsten Forderungen nicht in der Lage sind, eins und eins zu addieren.

Immer weniger glaubwürdig wird das Argument, die illegale Zuwanderung sei aus rechtlichen Gründen nicht zu stoppen. Die gesetzgeberische Blaupause hat die Regierung doch gerade vorgelegt: Die Ermächtigung, die Corona-Maßnahmen durchführen zu können, erfolgte binnen eines Tages samt Unterschrift des Bundespräsidenten. Und da will man behaupten, in Sachen Asyl wären ihr die Hände gebunden vom deutschen Asylrecht, vom EU-Recht oder gar von internationalen Verträgen?

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