Hamburg Hafenstraße, St.Pauli, Rote Flora – die Hansestadt blickt auf eine lange Tradition linksextremistischer Gewalt zurück. Man kann heute sogar davon reden, dass dieser kleine Terror autonomen Gebarens für ähnlich gestrickte vorwiegend junge Leute aus dem gesamten Bundesgebiet (und noch darüber hinaus) schon eine touristische Anziehungskraft hat.
Exemplarisch und initial für eine Eskalation dieses Linksextremismus an der Elbe dürften die Ausschreitungen zum G-20 Gipfel 2017 gewesen sein, als Dutzende von Autos brannten und Luftaufnahmen von Hamburg mit den schwelenden dunklen Rauchfahnen an Bilder aus den Krisengebieten der Welt erinnerten: Bagdad und Beirut ließen grüßen. Wer einmal ein paar Meter auf den Anti-G-20-Demonstrationen mit dem so genannten Schwarzen Block mitgelaufen ist, der sah dort halb Europa: Italienerinnen neben Schweden, Spanier und Einheimische hinter Bannern wie „Deutschland Du mieses Stück Scheiße“.
Keine Frage, dass solche event-artigen Zusammenkünfte von Linksextremen unter maximalem Polizeiaufwand und mit internationalem Medienecho ein linksrextremes Selbstverständnis noch weiter ausformen und Erwartungshaltung aufbauen. Nein, Nachwuchsprobleme haben Linksextreme sicher nicht. Linksextrem ist der äußere Rand des Mainstreams. Linksextrem ist hipp.
Dass das aber alles andere als ein Spaß für wohlstandsverwöhnte Hamburger Kids und ihre internationalen Gäste ist, stellte jetzt eindringlich das Hamburger Landeskriminalamt gegenüber der Welt am Sonntag klar. „Wir haben in den vergangenen beiden Jahren insgesamt 36 herausragende Farb-, Stein- oder Brandanschläge registriert, die wir der linksextremen Szene zuordnen“, sagte Claus Cortnumme, Leiter des für die Aufklärung politischer Straftaten zuständigen Staatsschutzes im Landeskriminalamt gegenüber der Zeitung.
Jetzt mag man angesichts des Attributs „herausragend“ bei Anschlägen mit Farbbeutel grinsen, wenn diese Form des Angriffs für ewig mit der Parteitagsattacke gegen Joschka Fischer verbunden ist – aber die Radikalität soll laut Verfassungsschutz insgesamt viel massiver sein und es gäbe keinerlei Anlass, lediglich von einer verunglückten Form zivilen Ungehorsams zu reden.
In Hamburg stehen die Gewalttaten von Linksextremen zum G-20-Gipfel weiter im Fokus, wenn am kommenden Mittwoch die Gerichtsverhandlungen beginnen gegen drei damals dingfest gemachte Beschuldigte, die angeklagt sind, „schwere Anschlagspläne“ vorbereitet zu haben. (Warum dauert so etwas eigentlich so lange und was musste da ermittelt werden, das dieses Zeitfenster brauchte?)
Wenig erstaunlich ist, dass die Angriffsziele der Linksextremen sich immer weiter nach links bewegen, wenn in Hamburg auch Olaf Scholz dran glauben musste bzw. sein Wohnhaus. Gegen dieses wurde ein Brandanschlag verübt, weswegen nun auch wegen Sachbeschädigung ermittelt wird. Hinzu kämen „Angriffe auf Justizgebäude, Polizeistationen und Wirtschaftsunternehmen in der Stadt.“
Für Torsten Voß, Chef des Hamburger Verfassungsschutzes, hat hier eine Eskalation stattgefunden: „Taten der linksextremen Szene zeichnet eine neue Eskalationsstufe aus, weil sie sich nicht mehr nur gegen Sachen wie Wohnungen, Parteibüros oder Fahrzeuge richten, sondern mittlerweile auch direkt gegen das Leben und die Gesundheit von Menschen.“ Hier geht er in seiner Einschätzung übrigens noch über Hamburg hinaus, wenn er beispielhaft die Ausschreitungen auch gegen die Polizei in Leipzig-Connewitz gleich mit einbezieht. Für den Verfassungsschützer von der Elbe also ein bundesweites Phänomen der weiteren Linksradikalisierung.
Voß spricht wörtlich davon, „dass wir uns in Richtung eines neuen Linksterrorismus bewegen.“ Wer mag, kann ja einmal die Zahlen aus Hamburg hochrechnen für das gesamte Bundesgebiet, wenn der Hamburger Verfassungsschutz unter seinen Linksradikalen schon „935 gewaltorientierte Linksextreme“ listet und beobachtet. Wer sich diese Zahlen für Deutschland im Wortsinne vergegenwärtigt, der muss sich bald die Frage stellen, welchem Extremismus von Staatsschutzseite und zum Schutze der Bevölkerung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte: Dem Linksterrorismus oder dem Terror islamreligiöser Extremisten?
Der Leiter der Abteilung für die Aufklärung politischer Straftaten weiß auch zu berichten, dass es zum Selbstverständnis dieser noch einmal radikalisierten Radikalen gehört, ihre Taten mit Selbstbezichtigungsschreiben zu begleiten. Auch hier also in der Sache eine Nähe zu religiös motivierten Anschlägen und Attentaten. Dort ist die Selbstbezichtung schon lange fester Teil des ritualisierten Terrors samt verstörender Videoaufnahmen. Solche Aufnahmen linksextremer Gewalt liefern in Deutschland allerdings die Medien wie zuletzt mit maximalem Aufgebot zu den Ausschreitungen beim Hamburger G-20-Gipfel. Da müssen Linksextreme nicht zu Filmemachern werden.
„Die Straftaten sollen den Fokus auf ein bestimmtes Thema lenken, mobilisieren, müssen aber auch anschlussfähig sein, weshalb die Täter sie begründen“, sagt Cortnumme. Der konkrete Täter selbst könne allerdings bei einem Großteil der Angriffe nicht ermittelt werden.
Die drei angeklagten – juristisch mutmaßlichen – Linksterroristen werden vom Hamburger Verfassungsschutz als linksextreme Gefährder eingestuft und es sind, wie erwähnt, längst nicht die einzigen. Hauptvorwurf gegen die drei: Verabredung zur gemeinschaftlichen Begehung von drei Brandstiftungen und einer schweren Brandstiftung. Auch das Haus, in dem die Bausenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) lebt, soll dabei ein Ziel gewesen sein – analog zu Olaf Scholz trifft es also längst auch Sozialdemokraten, deren Politik in Hamburg jahrzehntelang Teil des Problems war und Ursache dafür gewesen sein dürfte, dass Linksextremismus heute in Hamburg bald in den Stadtführer aufgenommen werden könnte.