Tichys Einblick
"die haben ihre Papiere nicht weggeschmissen"

Nicht die Pässe der Asylbewerber fehlen, sondern der Wille der deutschen Politik

Das Bundesinnenministerium sagt, dass mehr als die Hälfte der Asylzuwanderer keinen Ausweis vorlegt. Seit Jahren ist das Problem bekannt. Womöglich hat das auch damit zu tun, dass in Deutschland die Entschlossenheit fehlt, die Identitäten wirklich festzustellen.

© Johannes Simon/Getty Images

Fast sechs Jahre nach Beginn der Massenzuwanderung von 2015 diskutieren wir immer noch oder wieder über über fehlende Ausweise. Die Hälfte der Asyl begehrenden Zuwanderer kommen ganz ohne Papiere, teilt das Bundesinnenministerium mit. „Im Jahr 2020 lag der Anteil der Asylerstantragstellenden ab 18 Jahren ohne Identitätspapiere bei 51,8 Prozent“, antwortet das Bundesinnenministerium auf eine schriftliche Frage der FDP-Innenpolitikerin Linda Teuteberg, über die die Welt berichtet.

METZGERS ORDNUNGSRUF 08-2021
Mehr als die Hälfte kommt ohne Ausweispapiere
Man müsste einmal nachzählen, wie oft und mit wie vielen Fachleuten TE hier in den letzten Jahren darüber debattiert hat, ob überhaupt und warum so viele Einwanderungswillige ihre Pässe wegschmeißen (oder verstecken) und welche Vorteile das für diese mit sich bringt. TE hat zudem vielfach und aus verschiedensten Blickwinkeln darüber berichtet, auf welchen Wegen diese Identitätslosen oder Identitätsverweigerer nach Deutschland kommen und welche Mühen es für die Behörden bedeutet, diese Personen einwandfrei ihren Herkunftsländern zuzuordnen.

SprachApps wurden eingeführt, immer mehr Dolmetscher auf die Fährte von Dialekten angesetzt und schon vor Jahren wurde – auch das aus Mangel an Dokumenten – lang und breit debattiert darüber, wie man herausfinden kann, ob dieser oder jener vermeintliche Jugendliche am Ende doch schon längst erwachsen ist.

Jetzt also, angesichts des absehbaren Endes der Regierungszeit der Hauptverantwortlichen im Kanzleramt für dieses Desaster, kommt das Thema nochmals auf. Aber es liegt nicht an der Kanzlerdämmerung allein, mit den Jahren erweisen sich auch immer mehr Wolkenkuckucksheime als eben solche, die dramatischen Folgen der Massenzuwanderung werden immer deutlicher und das Internet vergisst nichts. Hinzu kommt, dass sich die Parteien im Wahlkampfmodus befinden: So ist wohl auch die aktuelle Anfrage von Linda Teuteberg an die Bundesregierung zu verstehen.

TE-Interview
„Soko Asyl“ – Polizeichef Ulf Küch rechnet ab
Die Antworten der Regierung gleichen einem Offenbarungseid. Im Jahr 2020 lag der Anteil der Asylerstantragstellenden ab 18 Jahren ohne Identitätspapiere bei 51,8 Prozent. Im Vorjahr waren es 49 Prozent, im Jahr 2017 – dem ersten, für das im BAMF eine Statistik zur Vorlage von Identitätspapieren erstellt wurde – hatten knapp 61 Prozent aller Asylsuchenden im Alter ab 18 Jahren keine Dokumente dabeigehabt. Fasst noch fassungsloser als diese Zahlen macht die Tatsache, dass für die Jahre 2015 und 2016 keine diesbezügliche Statistik vorliegt, man hatte damals schlicht keine geführt!

Die Ursachenforschung ist hinreichend, Mutmaßungen sind zu Hauf vorhanden, aber nichts Genaues weiß man: Möglicherweise verantwortlich sind Probleme im Meldewesen des Herkunftslandes, der Verlust der Papiere auf der Reise/Flucht, das Einkassieren der selbigen durch Schlepper oder eben die bewusste Entsorgung oder Lagerung, um die Wahrscheinlichkeit einer Anerkennung als Asylbewerber zu erhöhen. Allein letzteres ist schon zu hinterfragen, bedenkt man die große Zahl unterschiedlicher Aufenthaltstitel, die noch für den unwahrscheinlichsten Antrag ein Bleiberecht bieten, so dass illegale Migranten kaum mit einer Abschiebung rechnen müssen.

SIE SCHAFFEN ES NICHT
Identitätskontrollen von Flüchtlingen? Schwierig, schwierig...
Nun kommt noch eine weitere überraschende Wendung hinzu. Und die verdankt TE mehreren Gesprächsrunden mit Ulf Küch, dem Ex-Polizeichef von Braunschweig, der genau mit diesem Problemfeld der Identitätsfindung öfter in seiner Dienstzeit konfrontiert war. Küch nämlich erzählt TE, die vielen jungen Leute hätten durchaus Papiere, da sie ja von ihren Familien auf die Reise geschickt wurden. Und um diese schnellstmöglich im Rahmen des Familiennachzuges nachzuholen, wäre der korrekte Identitätsnachweis wenigstens hier unabdingbar. Des weiteren weiß Küch um den vielfachen telefonischen Kontakt der Asylsuchenden in ihre Heimatländer. Allerdings war es schon früh politisch nicht gewünscht, diese Telefonate auszuwerten.

Küch erinnert auch daran, dass es aus pädagogischen Gründen bei Minderjährigen und bei Müttern mit Kindern gar nicht gestattet war, da auch nur ansatzweise ermittelnd nachzufassen, also wurde es gleich gar nicht gemacht. Warum die Debatte darüber nicht oder nur schleppend in Gang kommt, weiß Küch ebenfalls aus eigener Erfahrung. Er erinnert dabei auch an den jüngsten Fall des entlassenen Göttinger Polizeipräsidenten Uwe Lührig, der über eine Kritik der Impfstrategie stolperte: „Das Problem ist doch, dass man in diesem Land keine Kritik mehr anbringen kann. Oder man muss sie so anbringen, dass sie sich noch so in einem Rahmen bewegt, ohne dass der Kritiker da großen Schaden erfährt.“

Im Interview hatten wir den ehemaligen Polizeichef gefragt, ob diese Pässe wirklich verschwunden seien. Küch kann das nicht ganz glauben. Aus seiner langjährigen Erfahrung heraus sieht es dann eher so aus:

„Es hieß ja immer, die haben keine Pässe, aber das ist Quatsch. Man wusste ziemlich genau, wo die Menschen herkamen. Gerade die Marokkaner und die Algerier – insbesondere Algerien hat sich ja ziemlich angestellt. Man muss wissen, dass in Algerien – ich weiß nicht, ob es heute noch so ist, zumindest war es damals so – dass die da eine relativ diktatorische Führung haben. Jeder Bürger ist dort registriert worden mit Bild und Fingerabdruck. Also es wäre für Algerien eine Kleinigkeit gewesen, festzustellen, wer das ist. Aber da konnte sich die deutsche Politik nicht durchsetzen.“

Ohne Gesundheitsprüfung
Die Asyleinwanderung geht weiter
Und weiter: „… die haben ihre Papiere versteckt – nicht weggeschmissen. Niemand auf der Welt – das ist meine langjährige Erfahrung – niemand bis auf ein paar vollkommen Losgelöste, vernichtet seine Personaldokumente. Er könnte ja in irgendeine Situation geraten, wo er möglicherweise wieder nach Hause kommt. Die haben ihre Papiere irgendwo versteckt oder Schlepperbanden haben die Dokumente zurückgehalten. Doch – wenn man es wirklich gewollt hätte, dann hätte man sehr schnell feststellen können, aus welchem Bereich jemand kommt. Ich weiß es ja von unseren Dolmetschern, die dann da waren und beispielweise erzählten: Ne, ne, der kommt nicht aus Marokko, der ist aus Tunesien.“
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