Tichys Einblick
Nichts ist klar

Gespräch mit dem UNHCR: Wie ist die Lage Libyen?

Wenn die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung dafür wirbt, die libysche Küstenwache ihre Arbeit machen zu lassen, kümmert sie sich offensichtlich nicht jum das Weitere an Land.

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Wie ist die Lage Libyen? Was passiert da in den „Flüchtlingslagern”, welche gibt es überhaupt und was organisiert die EU dort, wenn libysche Küstenwachen ausgebildet werden, die ja im Prinzip der so genannten Zentralregierung unterstehen?

Wenn die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung dafür wirbt, die libysche Küstenwache ihre Arbeit machen zu lassen, also Migranten vom Wasser an die libysche Küste zurückzuführen, wohin kommen dann diese? In Lager der Zentralregierung? Der UNHCR ist mit einer eher geringen Anzahl Mitarbeitern vor Ort, aber was kann die Organisation dort überhaupt leisten?

Die Leitmedien berichten, noch mehr aber schreiben ab, wirklich gesicherte Informationen direkt vom Ort des Geschehens sind schwer zu bekommen. Wir sprachen deshalb ausführlich mit der „Flüchtlingshilfe” in Bonn und dem UNHCR in Berlin und bekamen einen Direktkontakt zu einer Kollegin direkt an Ort und Stelle in Libyen, den wir in einem Folgeartikel ausführlicher abbilden wollen. Hier wollen wir zunächst wiedergeben, was wir verstanden haben, wie die aktuelle Lage vor Ort aussieht.

Die Möglichkeiten des UNHCR in Libyen sind äußerst beschränkt, wenn es darum geht, für „Flüchtlingslager” Standards zu ermöglichen, geschweige denn, welche zu garantieren. Es gibt zwar Unterschiede zwischen den Lagern der Milizen und denen der Zentralregierung, aber auch letztere entsprechen nicht vergleichbaren vom UNHCR betreuten Einrichtungen beispielsweise in der Türkei.

Was die Türkei angeht, sei es sogar so, dass eine viel größere Zahl der Migranten bereits dezentral und eben nicht in den bekannten Zeltlagern untergebracht wäre. Die dort dezentral untergebrachten Syrer würden vom UNHCR aber weiter betreut, es gibt also entsprechende individuelle Versorgungs- und Betreuungslinien. Dieser Sachverhalt unterscheide sich elementar von den Möglichkeiten und Zuständen in Libyen.

Der Zugang zu den Lagern, die von der Zentralregierung geführt werden, müsse vom UNHCR mit der Zentralregierung ausgehandelt werden. Es gäbe hier keine nennenswerte Zusammenarbeit zwischen der EU und dem UNHCR insofern, dass die EU, wenn sie beispielsweise die Ausbildung der Küstenwache mit der Zentralregierung verhandelt, etwa automatisch auch die Arbeit des UNHCR in jenen Lagern sichern würde, in welche die auf See aufgenommenen Migranten dann von der Küstenwache zurückgebracht werden.

Der UNHCR würde hier wohl auch zur Sprache gebracht, aber der UNHCR selbst ist an diesen Gesprächen zwischen EU und Zentralregierung nicht direkt beteiligt. Der UNHCR macht eigene Abkommen. So sei es bereits schwierig, überhaupt Mitarbeiter einzufliegen, wenn die wenigen staatlichen Maschinen, wenn überhaupt, dann nur ein paar Plätze anbieten würden.

Als erstes Fazit dieser Gespräche haben wir verstanden: Es gibt wohl Lager an Ort und Stelle, die anders sind als andere (von wirklich „besser“ kann hier noch nicht die Rede sein). Und die Küstenwache bringt aufgenommene Migranten eben in solche Lager, die von der Zentralregierung betrieben/kontrolliert werden. Die Idee, dass diese Küstenwache die Aufgenommenen etwa in die von Milizen kontrollierten Lager bringt, in „Foltercamps“ oder wie immer diese Lager in der Presse bezeichnet werden, ist aber abwegig und nicht belegt. Ausschließlich aus der humanitären Perspektive betrachtet, kann das natürlich keine Beruhigung sein.

Ein Problem hier ist wohl nach wie vor, wenn die Zentralregierung dem UNHCR mehr Zugriffsrechte und Gestaltungsmöglichkeiten gestatten würde – für welchen Zeitraum auch immer – , würden hier möglicherweise feste Lager entstehen, welche nicht nur die Zentralregierung, sondern bisher quasi alle nordafrikanischen Staaten ablehnen. Der UNHCR konnte bisher nur die Möglichkeit nutzen, besonders schwerwiegende Fälle aus humanitären Gründen aus Libyen via Resettlement-Kontingent nach Europa ausfliegen zu lassen. Am Ort ist der UNHCR weit davon entfernt, hier irgendwelche Garantien abgeben zu können, was die Einhaltung von Mindeststandards wie etwa in der Türkei angeht.

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