Eindeutiger kann man einen Innenminister und seinen obersten Verfassungsschützer nicht nach Hause schicken, wenn der Versuch nun gescheitert ist, den Oppositionsführer im Deutschen Bundestag vor den Europa- und einer Reihe von Landtagswahlen als so genannten „Prüffall“ bezeichnen zu dürfen.
Gescheitert, weil das Verwaltungsgericht Köln unter Aktenzeichen 13 L 202/19 mit Beschluss vom 26. Februar dem Bundesamt für Verfassungsschutz untersagt hat, die AfD weiter als „Prüffall“ zu bezeichnen.
Der „Prüffall“ wurde ebenfalls in einer deutsch- sowie englischsprachigen Pressemitteilung, in einem Tweet und in einer sogenannten Fachinformation auf der Homepage des Bundesamtes verlautbart, berichtet die dazugehörige Pressemitteilung des Kölner Gerichtes.
Gegen diese Form der öffentlichen Brandmarkung hatte die AfD per Eilantrag geklagt und nun auf ganzer Linie Recht bekommen in dem Sinne, dass für die Vorgehensweise der Verfassungsschützer keinerlei Rechtsgrundlage bestanden hatte. In Behördendeutsch heißt es da:
„Äußerungen von Hoheitsträgern wie dem Bundesamt, durch die in die Rechte einer politischen Partei eingegriffen wird, bedürften nach der Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung, die sich nach der klaren Gesetzeslage und insbesondere unter Berücksichtigung des Willens des Gesetzgebers dem vom Bundesamt genannten § 16 Abs. 1 BVerfSchG nicht entnehmen lasse.“
Das Gericht stellt zudem explizit fest, was ohnehin bereits jedem klar ist:
„Der Bezeichnung als „Prüffall“ komme in der Öffentlichkeit eine negative Wirkung zu.“ Weiter heißt es da, der Eingriff in die Rechte der AfD sei mangels Rechtsgrundlage „rechtswidrig und auch unverhältnismäßig“.
Was braucht es eigentlich noch mehr, um einen Skandal zu befinden? In anderen Zeiten und unter normaleren Voraussetzungen hätten wegen solcher gravierender und staatsgefährdender Vorgehensweisen sowohl der Innenminister als auch sein Behördenleiter den Hut nehmen müssen. Es muss aber davon ausgegangen werden, dass das nicht passieren wird. Warum „staatsgefährdend“ erklärt der Gerichtsentscheid allerdings hinreichend, wenn eine Regierung vor Wahlen den Oppositionsführer auf diese Weise ausschalten will, dann ist das System an sich gefährdet.
Die Welt schreibt nun von einer „juristischen Fehleinschätzung“ Seehofers. Kann man natürlich machen, aber dann muss man sich auch fragen lassen, welche Motivation hinter so einer Verharmlosung stecken mag, wenn ein wichtiges Leitmedium nicht mehr gewillt ist, seine Aufgabe als vierte Gewalt hinreichend zu erfüllen, wenn die nun gerichtlich untersagte Diffamierungsabsicht der Regierung eine „Fehleinschätzung“ sein darf, fast so, als seien Seehofer und Co keine Parteipolitiker, sondern neutrale Instanzen. Nein, die sitzen in Köln. Und sie haben sich für den Moment zu Wort gemeldet, als sie diesem Treiben im Innenministerium vorerst einen Riegel vorgeschoben haben.
Nun ist der Prüffall allerdings längst in der Welt. Was hier also gerade passiert ist. kann für die AfD allenfalls Schadensbegrenzung sein. Unabhängig, wie man zur AfD stehen mag, ist diese Gerichtsentscheidung ein Gewinn für den Rechtsstaat, wenn die Diffamierung eines Oppositionsführers durch die Bundesregierung als solche richterlich gebrandmarkt wurde.
Da macht es dann auch wenig Sinn, darauf zu verweisen, das die Jugendorganisation der AfD und der so genannte „Flügel“ sehr wohl als „Verdachtsfälle“ eingestuft bleiben und entsprechend beobachtet werden, wie es die Zeitung Welt tut. Denn es kann ja nicht Aufgabe der Medien sein, dem Tun der Regierung die Erklärungsmuster nachzureichen. Im Gegenteil, die Medien haben die Pflicht und Aufgabe, die Regierung und alle Regierungsparteien dauerhaft als Prüffall zu behandeln – und zwar vierundzwanzig Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr.
Man muss die AfD nicht mögen. Aber politische Auseinandersetzungen sind politisch zu führen – nicht mit dem Inlandsgeheimdienst.