Tichys Einblick
Ebert-Stiftung und Propaganda im ZDF

Zuwanderung: „Es gibt keine andere Wahl, wir sind jetzt hier.“

Das ZDF übernimmt einen Film der Friedrich-Ebert-Stiftung, darin erklärt Hasib aus Afghanistan deutschen Zuschauern: „Wenn du willst oder nicht willst, ich bin jetzt hier in Deutschland. Aber es wäre schön, wenn du mich akzeptierst und dass wir alle so zusammenleben. Es gibt keine andere Wahl.“

IMAGO / Steinach

Vor wenigen Tagen war ich auf einer muslimischen Beerdigung, um einen guten Freund und Nachbarn das letzte Geleit zu geben und zu verabschieden. Er war plötzlich und ohne Vorzeichen kaum älter als fünfzigjährig verstorben. So trafen sich also zum Abschiednehmen Verwandte und Freunde im hinteren Teil des städtischen Friedhofs – jener Teil, der für Muslime reserviert ist.

Mein Nachbar hatte schon vor vielen Jahren seine türkische Staatsbürgerschaft abgelegt und die deutsche angenommen. Seitdem war er neugierig auf der Suche nach allem, was mit seiner neuen Identität zusammenhängt: Man kann sogar sagen, er war so etwas, wie der letzte echte Patriot bei uns im Viertel. Mehr deutsche Klassiker hat hier garantiert niemand gelesen, intensiver hat sich hier keiner mit den herausragenden Momenten dieser Nation auseinandergesetzt, was für ein Verlust.

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Der Familienvater wurde zwar traditionell beerdigt, er selber hatte wohl aber keine tieferen Verträge mehr mit der Religion seiner Väter. Mutmaßlich hätte er es sogar missbilligt, dass auf seiner Beerdigung Frauen und Männer getrennt standen und getrennt dem Imam im Gebet folgten. Wir Deutschen standen etwas abseits, auch viele Kollegen des auf der Arbeit so beliebten Freundes waren gekommen, einige hatten extra ihre Jacken, Hemden und Hosen mit dem Firmenlogo angezogen oder von der Arbeit kommend gleich angelassen, um ihrem guten Kollegen auch auf diese Weise einen stillen letzten Gruß nachzusenden. Glück auf…

Ich stupste auf dem Friedhof mit dem Ellbogen einen Nachbarn an, und fragte ganz leise, was er denn davon halten würde, dass Frauen und Männer hier so getrennt voneinander stehen müssten. Der schaute kurz zu mir rüber und betonte – selbst flüsternd noch im Brustton der Überzeugung – dass er da „total tolerant“ sei. Das wäre eben so in der muslimischen Tradition, erklärte er mir wissend.

An diese Beerdigung musste ich denken, als ich auf Facebook bei ZDF heute einen neuen kurzen Filmbeitrag sah, in dem Migranten erzählen, die mit der großen Zuwanderungswelle 2015 ins Land kamen. An den Freund dachte ich, weil auch er im Ausland geboren, dann mit seinen Eltern (Gastarbeiter) von der Schwarzmeerküste nach Niedersachsen gekommen war. Die Motivation hier vollkommen anders – Legalität bzw. Illegalität wichtige Unterscheidungsmerkmal – aber die Fremdheit der ersten Monate in Deutschland mögen wohl die gleichen gewesen sein.

Die Bundeskanzlerin hatte (nach übereinstimmenden Aussagen von Teilnehmern einer Fraktionssitzung gegenüber WELT-Redakteur Robin Alexander) am 22. September 2015 geäußert: „Ist mir egal, ob ich schuld am Zustrom der Flüchtlinge bin, nun sind sie halt da.“ Was viele Deutsche mit Empörung vernommen hatten, sorgte bei mindestens genauso vielen auch für Spot und Häme gegenüber dieser Empörung. In diesem frühen Moment der Massenzuwanderung war die Unionspolitikerin Angela Merkel ganz im linksgrün-ideologischen Raum angelangt und hat ihn bis heute nicht mehr verlassen.

Der Graben quer durch die Gesellschaft wurde hier verfestigt. Jetzt, fast sechs Jahre später, landet ein Filmprojekt aus dem Hause der SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) beim ZDF und wird dort auch umstandslos auf dem Facebook-Kanal des Senders präsentiert. Eine kleine vertikel angebrachte Randnotiz verrät mit der Lupe geschaut die politische Herkunft des Filmproduktes.

Im Film selbst sprechen junge männliche Asylbewerber über ihre Erfahrungen in Deutschland. Das Werk beginnt mit dem Satz: „Junge Männer, alleine geflohen. Zielscheibe für Zweifel, Vorurteile und Hass.“ Nein, von Frauen ist in diesem Film durchweg nichts zu sehen. Möglicherweise hatten die Filmemacher, die Stiftung und das ZDF dieses Defizit auf ähnlich legere Art und Weise abgehakt, wie mein Nachbar flüsternd auf der Beerdigung meines Freundes: „Da bin ich total tolerant.“

Und hier geht dann meine Erinnerung noch weiter zurück, zu einer Erzählung meiner Mutter, im Beruf Schulsekretärin, die in den 1970er Jahren noch in ihrer Freizeit für ausländische Kinder Schularbeitennachhilfe gab. Noch heute sprechen längst erwachsene Migranten mit Respekt oder auch liebevoll von der Unterstützung meiner Mutter – so neulich gerade wieder eine nette Frau mir gegenüber via Facebook.

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Aber meine fast 85-jährige Mutter erinnert sich auch an „weniger schöne Momente“ ihrer Nachhilfetätigkeit: So kamen einmal zwei muslimische Geschwister, das Mädchen wissbegierig und schlau, der jüngere Bruder das Gegenteil von beidem. Dieser Junge nun entrüstete sich gegenüber der deutschen Nachhilfelehrerin, dass sie sich mehr um ihn zu kümmern hätte, weil die Schwester das nachher sowieso nicht mehr bräuchte. Tatsächlich verschwand das Mädchen keine 14 Jahren alt von heute auf morgen in der Türkei, sie kam einfach von einem Türkeiurlaub nicht mehr mit zurück. Meine Mutter fragt sich bis heute, was wohl aus diesem so aufgeweckten und in der Nachhilfe so fröhlichen Mädchen geworden ist – oder doch, einmal traf sie sie wieder, aber dazu später.

Zurück zum ZDF und zum politischen Film der Friedrich-Ebert-Stiftung, wo dann – Überraschung – doch noch ein Mächen aus dem Hut gezaubert wird, jedenfalls der Erscheinung nach. Bei dem nur vermeintlichen Mädchen handelt es sich nämlich ursprünglich um einen Mann oder Jungen, ein Transsexueller und also 2021 eine rasante Rückreise in die Shakespeare-Ära, als Männer in Frauenrollen schlüpften, weil Frauen auf der Bühne als unanständig, gar lästerlich galten. Nein, kein Transsexuellen zwar, aber der Eindruck mag der gleiche gewesen sein. Die gesellschaftliche Akzeptanz von Geschlechterrollen jenseits von Mann und Frau ist in vielen muslimischen Ländern auch 2021 weiter auf dem Nullpunkt. Und wenn es sonst keinen echten Asylanspruch für Syrer und Afghanen gäbe, Verfolgung wegen Homosexualität gilt zu Recht als ein solcher selbst noch für eine Reihe von Ländern, die den Deutschen nicht als klassische Asylherkunftsländer gelten.

Und man darf fast sicher davon ausgehen, dass auch eine Reihe der im Film gezeigten muslimischen Männer alles andere als tolerant gegenüber der ebenfalls parallel im Film mit ihnen auftretenden Transexuellen sind. Denn während sich Deutsche per Facebook kleine Witze zuschicken, dass das Straßenschild Sackgasse etwa jetzt gendergrecht „Untenrum-Gasse“ hieße, ermordete in Dresden ein vorbestrafter als Gefährder observierter syrischer Asylbewerber – einer der leidlich deutsch sprach, schon eine Weile hier lebte – aus religös motiviertem Hass einen Homsexuellen auf offener Straße mit einem Küchenmesser und verletzte dessen Partner lebensgefährlich.

Es klingt komisch, wo eingangs im Film der interviewte Afghane sagt, er fühle sich gar nicht wie ein 18- oder 19-Jähriger, eher wie ein erwachsener 30-Jähriger Mann. Komisch jedenfalls, wenn man sich daran erinnert, dass sich bei Ankunft in Deutschland viel Asylbewerber jünger ausgaben, um die Vorteile für minderjährige Flüchtlinge mitzunehmen. Keine Pässe, kein Alter. Aber auch große gesellschaftliche Verwerfungen darüber, ob fehlende Altersangaben durch Röntgen der Handwurzelknochen ermittelt werden dürften. Aber Deutschland war auch tolerant, was die Altersangaben angeht: Der Spruch, jeder ist so alt, wie er sich fühlt, bekam eine völlig neue Bedeutung.

„Wir sind jetzt hier“ heißt der Film und ist damit die direkte Anknüpfung an Merkels 2015 gemachte Aussage: „..,nun sind sie halt da.“ Hussein Al Ibrahimi kam aus Syrien hierher und erzählt in die Kamera: „Sobald ich die deutsche Sprache gelernt habe und hier arbeite und mein eigenes Geld verdiene – dann bin ich nicht mehr Flüchtling, glaube ich.“

Das ist falsch. Leider gibt es niemanden unter den Filmemachern, der Herrn Al Ibrahimi das einmal erklären will. Nämlich das er zum einen kein Flüchtling ist, was auch sein mutmaßlicher Duldungsstatus anstelle einer echten Asylanerkennung ausdrückt, und zum anderen die Tatsache, dass die Innenministerkonferenz den Abschiebungsstopp nach Syrien unlängst nicht mehr verlängert hat.

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Hussein Al Ibrahimi wird also bald in sein Herkunftsland zurückkehren können bzw. müssen – und er wird seine Erfahrungen aus seinem Leben in Deutschland mit zurücknehmen. Im Gepäck eventuell eine paar sinnvolle Fähigkeiten mehr, solche, die er hier gratis erworben hat in Kursen oder sogar in Ausbildungen schulischer oder handwerklicher Art – neue Fähigkeiten die ihm im Heimatland von Nutzen sein könnten.

Hussein lacht sehr darüber, dass ihn mal ein Deutscher gefragt hätte, ob er zu Hause mit der Gabel essen würde. Er grinst breit und sagt, er hätte geantwortet, dass er in Syrien mit Schuhen esse. Haha, er mag das witzig finden. Allerdings essen Asiaten mit Stäbchen und in vielen muslimischen Ländern ist es Sitte, mit den Händen zu essen. Was soll also dieser Hochmut gegenüber dem Fragesteller aus seinem Gastland? Noch mehr, wo die Welt davon berichtet hat, wie ein Essen unter syrischen Migranten abläuft, die gemeinsam kochen und nämlich genau das machten: die Gerichte mit den Händen essen und nicht mit einer Gabel. „Das Tabouleh wird auf ein Salatblatt gehäuft und wie eine Roulade gewickelt.“ Und dann mit der Hand gegessen. Ganz ohne Gabel. Hier wäre beispielsweise eine respektvollere Antwort an den deutschen Frager gewesen: „Ja, in Syrien essen wir teilweise mit der Hand, aber ich nehme die Gabel, weil mir das besser gefällt.“

Hasib aus Afghanistan sagt: „Wenn du willst oder nicht willst, ich bin jetzt hier in Deutschland. Aber es wäre schön, wenn du mich akzeptierst und das wir alle so zusammenleben. Es gibt keine andere Wahl.“ Da allerdings täuscht sich Hasib. Jedenfalls wenn es noch nach deutschem Recht gehen würde. Eine Reihe seiner afghanischen Landsleute wurde bereits abgeschoben, viele sind dringende Abschiebekandidaten, noch mehr jene sogar, die sich in Deutschland strafbar machen. Aber um auch Hasibs Einschätzung gerecht zu werden: Seine Sichtweise hat durchaus Chancen, sich durchzusetzen, die gesellschaftlichen Gruppen, das öffentlich-rechtliche Zwangsgebühren-Fernsehen, die Medien und die etablierten Parteien unterstützen diesen Anspruch illegaler Einwanderer zum weit überwiegenden Teil.

Meine Mutter hatte den Namen des Mädchens vergessen, die mit Beginn ihrer Pupertät verschwand, die schon beim Schwimmunterricht fernblieb und deren Eltern dafür noch von der deutschen Schuleitung Ärger bekam, weil der Rektor eine Verweigerung nicht akzeptieren wollte. Aber so ganz verschwunden war sie dann doch nicht, das Mädchen tauchte viele Jahre später als Frau wieder in Deutschland auf. Sie trug zwar Kopftuch, ging gebückt, Augen auf den Boden gerichtet, aber meine Mutter hatte das Mädchen nie vergessen, sie erkannte sie tatsächlich auf der Straße beim Vorbeifahen mit dem Fahrrad wieder, beide schauten sich sogar kurz an aus dem Nebel der Erinnerung flogen Fetzen, aber keiner begann das Gespräch, es ging viel zu schnell und dann war man aneinander vorbei.

Diese Nicht-Begegnung ging meiner Mutter nicht mehr aus dem Kopf. Sicher hätte sie die Frau einfach ansprechen müssen. Und dann taucht doch noch ein Name auf, sie glaubt jetzt, dass das Mädchen Hatice hieß. Meine Mutter ist fast 85 alt und auch Hatice muss heute schon jenseits der 50 sein.

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