Tichys Einblick

„Flüchtlings“-Studie: arbeitssame, demokratische Zuwanderer?

Studien, immer wieder Studien. Immer weiter wird versucht, was ist, umzudeuten - auch wenn der Versuch scheitert. Wohl weil die Verfasser glauben, eine Mission erfüllen zu müssen, die jede wissenschaftliche Blamage rechtfertigen soll.

Was ist das eigentlich, fehlender Anstand? Ideologische Verblendung? Und wenn ja, welcher Ideologie folgt so etwas? Oder besteht hier einfach nur ein umfassendes Defizit im Denken, das zudem keine ethisch-moralischen Leitplanken mehr kennt?

Solche und andere Fragen könnte sich stellen, wer schon an der Überschrift eines Interviews im Tagesspiegel hängen bleibt, die klingt wie aus einer Spiegelung, aus einer surrealen Parallelwelt, wenn es da heißt: „Die meisten Flüchtlinge bringen starke demokratische Grundeinstellungen mit“. Wenn da also quasi steht, wir Deutsche könnten möglicherweise sogar noch etwas lernen von Afghanen, Syrern, Irakern und Afrikanern, wenn es um gelebte Demokratie geht.

Will Andrea Dernbach, so heißt die Autorin, den Leser eigentlich für dumm verkaufen? Vielleicht auch das. Näherliegender ist aber, dass sie sich selbst hat für dumm verkaufen lassen, denn sie folgt in ihrem Interview  – Sie ahnten es bereits  – einer Untersuchung, einer Art Studie, einer „Forschung über Migranten“, wie es dem Text vorangestellt wurde und da möchte man ihr jetzt dringend helfen, wenn die Nachfrage quasi auf dem Präsentierteller liegt, aber Dernbach stumm bleibt bzw. abhakt, was sie auf ihrem Fragenzettelchen stehen hat. Kritisches Mitdenken verzweifelt gesucht. Aber Kritik ist ja pfui, Kritik sind die anderen, die Bösen. Jetzt wird konstruktiver Journalismus gemacht. Haltungsjournalismus hat Hochkonjunktur.

Bertelsmann Stiftung, Stiftung Mercator, Amadeu Antonio Stiftung, Otto Brenner Stiftung, Uni Bielefeld, Rosa Luxemburg Stiftung – ach, wir haben hier bei TE in den letzten Jahren, beginnend mit dem Herbst 2015, genügend Studien und Forschungen lesen und tausende von Seiten analysieren müssen, die sich ausschließlich damit befasst haben, Migration entgegen der Alltagswahrnehmung immer mehr Deutscher als Geschenk und als eine Art Segen zu beschreiben. Aber noch immer ist der Versuch dieser Untersucher, ist eine Umdeutung dessen, was ist, auf fast schon tragische Weise gescheitert – oft am Dilettantismus, aber noch viel öfter beseelt davon, eine Art Mission zu erfüllen, die offensichtlich jede wissenschaftliche Schlechtleistung rechtfertigt. Paradebeispiel ist hier sicher der selbsternannte „Konfliktforscher“ Andreas Zick der u.a. einmal beispielsweise erklären wollte, „(d)ie meisten Deutschen wollen eine Willkommenskultur“ und der sich in Zusammenarbeit mit der Mercator Stiftung zu so windigen Sätzen hinreißen ließ, wie diesem hier, den wir exemplarisch abbilden wollen:

„Die repräsentative und von der Stiftung Mercator geförderte Studie (…) zeigt, (…) dass keine kontinuierliche Verschlechterung des Integrationsklimas in der
Bevölkerung eingetreten ist. Dies, obwohl die Vielzahl von Protesten bundesweit und zahlreiche Übergriffe auf Geflüchtete ein ganz anderes Bild vermitteln.“

Aber kommen wir zurück zum Ausgangspunkt dieser kleinen Odyssee durch den Garten der Migrationideologien und ihren willfährigen Erfüllungsgehilfen, zurück zur im Tagesspiegel in einem Interview vorgestellten Untersuchung mit wieder einem weiteren Player auf dem Spielfeld der Migrationsforschung. Eine schon inflationäre Armada, eine Streitmacht der Gutmeinenden auf dem Wege hin zu – wie nennt man so etwas? – einem neuen magischen Realismus? Also die Kunst der Verschmelzung von realer Wirklichkeit (greifbar, sichtbar, rational) und magischer Realität (Halluzinationen, Träume) mit dem Ergebnis einer neuen, einer „dritte Realität“, einer Synthese aus den uns geläufigen Wirklichkeiten. Der Übergang zum Surrealismus ist hier fließend.

Migrationsforschung ist der neue magische Realismus.

Dernbachs Interviewpartner für den Tagesspiegel ist Herbert Brücker. Gemeinsam mit der Sozialwissenschaftlerin Naika Foroutan leitet er des Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) an der Humboldt Universität. Außerdem zeichnet er verantwortlich für den Bereich „Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung“ am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg.

Das Berliner Institut wird finanziert von der Hertie-Stiftung und vom Deutschen Fußball-Bund (DFB). Weitere Unterstützer bzw. Förderer sind die Bundesagentur für Arbeit und die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Beispielweise die Bundesagentur finanziert also Untersuchungen, die den Zuwanderern magisch realistisch ein hohes Demokratieverständnis bescheinigt. Also quasi ein vorbildhaftes für die Deutschen.

Bezeichnend übrigens schon, dass zunächst von „Forschung über Migranten“ die Rede ist, wo in der Headline wieder von „Flüchtlingen“ geschrieben wird, als wären die letzten Jahre spurlos am Interviewpartner vorbeigegangen – magischer Realismus als kalkulierter Rückfall.

Der Tagesspiegel beginnt mit folgender Frage: „Herr Brücker, die Arbeitsintegration von Geflüchteten lief bisher überdurchschnittlich. Stimmt das noch?“

Woher weiß Fragerin, dass diese Integration überdurchschnittlich lief? Welcher Vorgängerstudie hat sie diese Falschinformation entnommen? Brückner beendet seine Antwort mit dem Satz: „Insgesamt verläuft die Integration aber ein Stück schneller als in früheren Flüchtlingsgenerationen.“ Immerhin musste er sich zunächst eingestehen, dass „bezahlte Arbeit“ bei Migranten schon „ab dem ersten Euro Lohn gilt.“ Das wäre halt die deutsche Definition. Aber wer hat das definiert? Die sein Institut fördernde Agentur für Arbeit möglicherweise?

Brückers Prognose: „Ich schätze, dass im Oktober etwa 40 Prozent der seit 2015 zugezogenen Geflüchteten beschäftigt sind.“ Also was man so Beschäftigung nennt, wenn ab einem Euro Lohn Beschäftigung behauptet wird.

Für Brücker ist es weiter „mehr als fragwürdig“, dass die Syrer als größte Gruppe der Schutzsuchenden jemals in ihre Heimat zurückkehren werden:

„Vielleicht kann ein Teil von ihnen später in die Heimatländer zurückkehren – das ist aber, wenn wir beispielsweise die größte Gruppe betrachten, die Syrer, mehr als fragwürdig.“ 

In der Gesamtheit der Schutzsuchenden leiden nach Brücker „viele unter posttraumatischen Belastungsstörungen.“ Also beste Voraussetzungen für eine adäquate Integration in den Arbeitsmarkt oder bereits eine Entschuldigung Brückers, dass eben doch nicht alles so rosig läuft, wie er uns über den Ein-Euro-Trick zuvor erklären wollte? Ein Akademiker als Hütchenspieler.

Richtig magisch realistisch wird es wieder, wenn Brücker von der hohen Berufserfahrung der Zuwanderer spricht, wenn er sagt: „Allerdings haben 74 Prozent der Männer und 37 Prozent der Frauen unter den Geflüchteten über 18 Jahren Berufserfahrung, im Schnitt sogar zehn Jahre. Das ist bei dieser jungen Kohorte erstaunlich.“ 

Aber es wird noch besser, wenn Brücker erklärt: „Die Anforderungen der ausgeübten Tätigkeiten sind denen der deutschen Arbeitnehmer sehr ähnlich.“ Offensichtlich ist dem Direktor dieses Instituts nicht mehr gegenwärtig, was seinen Förderer von der Agentur für Arbeit im Verbund mit der Bertelsmann Stiftung seit Jahren umtreibt, wenn alles unternommen wird, das Duale System in Deutschland zu untergraben, um eben auch diese unterqualifziert Tätigen irgendwie in den für sie so überqualifizierten deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren. Das Großprojekt von Bertelsmann Stiftung und Agentur, welches das bewerkstelligen soll, heißt „BKE – Berufliche Kompetenzen erkennen.“

„Wer schon im Heimatland arbeitete, bringe Qualifikationen mit, die sie oder er on the job erworben haben und die unseren entsprechen, auch wenn nicht überall die gleichen Technologien oder Organisationsformen eingesetzt wurden. Und sie können sie teils in den deutschen Arbeitsmarkt einbringen.“, sagt Herbert Brücker und es klingt auf eine Weise beschönigend, dass man automatisch nach der Ideologie dahinter sucht bzw. den Auftraggeber mitdenkt.

Der Tagesspiegel fragt hier kritisch nach? Würde man sich ja wünschen, aber da heißt es nur folgsam wie zwischen Schüler und Lehrer: „Wieso nur teils?“

Und Brücker antwortet wieder in lupenreinem magischem Realismus: „Migration bringt praktisch immer Dequalifikation mit sich.“

Aber was das sein soll? Das bedeutet, dass ein Erwerbstätiger Arbeiten ausführen muss, die unter seiner Qualifikation liegen, ihn unterfordern oder berufsfremd sind. Nun könnte man denken, da hätte Brücker die Lacher auf seiner Seite – aber der Tagesspiegel lacht nicht darüber, dass da einer im Interview behauptet, die wenigen Zuwanderer, die etwas wie Arbeit verrichten, wären für die ausgeführten Tätigkeiten in Deutschland reihenweise überqualifiziert. Das wäre zwar eine Erklärung für die Enttäuschung vieler Handwerksbetriebe über die neuen Mitarbeiter, aber auch eine gänzlich fasche Analyse.

Der Tagesspiegel fragt munter weiter im Herrn Professor anreichenden Modus: „Gibt es Weiteres, was für die Arbeitsmarktintegration dieser Menschen von Bedeutung ist?“ 

Und Brücker antwortet (wir wollen es hier in Gänze abbilden):

„Wir haben uns ihre Einstellungen und Werte der Menschen angesehen. Interessant ist, dass die meisten starke demokratische Grundeinstellungen mitbringen und der Achtung von Minderheitenrechten große Bedeutung beigemessen wird. Das gilt auch für sehr religiöse Geflüchtete  – viele gehören ja religiösen Minderheiten in ihren Heimatländern an.“

Ein magisch realistisches Sommermärchen: Der Zuwanderer bringt eine starke demokratische Grundeinstellung mit. Also besonders dann, wenn es um Minderheitenrechte geht. Wenn es also um seine eigene Situation in Deutschland geht, wenn es darum geht, die eigenen Pfründe zu sichern. Wenn es darum geht, die soziale Hängematte aufzuspannen und diese mit Zähnen und Klauen zu verteidigen.

Für Herbert Brücker, Direktor des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) ein Beweis für eine „starke demokratische Grundeinstellung“. 

Von da an gibt es bei Brücker kein Halten mehr und wir müssen uns noch einmal vergegenwärtigen, dass hier einer spricht, der sich vom deutschen Steuerzahler aushalten lässt, um diesem dann entgegenzuhalten:

„Es gibt tatsächlich etwas mehr Deutsche als Geflüchtete, die sich in Befragungen für das Führerprinzip aussprechen.“

Dort also der edle demokratieverliebte Zuwanderer, hier der deutsche Hitlerist. Was muss da passiert sein im Leben des Herrn Professors, solchen gefährlichen Unsinn in diesen Kontext zu stellen? Es kann ja nicht nur die Lust an der Provokation sein. Aber was dann?

Der Wahnsinn wird noch konkreter, wenn Brücker auch die Genderwerte bei Zuwanderern als „fortschrittlicher als häufig vermutet wird“ identifiziert, freilich – ähm – nur „auf abstrakter Ebene“ – ja, in diesem Moment darf man wohl auch die Kategorie Scham einführen. Schämt sich Brücker nicht für so einen Mist? Wahrscheinlich eine ihm gänzlich fremde Herangehensweise. Hier ist einer beseelt von sich und seinem neuen magischen Realismus, dass es kein Entkommen mehr gibt.

Brücker lebt gefühlt auf einem anderen Planeten und der Tagesspiegel hat ihn dort besucht und sich in dieser gespiegelten surrealen Welt bescheinigen lassen, dass der edle Flüchtling eine, so Brücker wörtlich: „geringe Neigung zu emotionaler Verletzlichkeit“ hätte, ebenso wie er Selbstvertrauen, Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Geselligkeit und Kooperationsbereitschaft zeigen würde. Wir ersparen es uns hier, Beispiele zu finden für diese Kooperationsbereitschaft und Geselligkeit. Brücker also auch als Laienanthropologe – herrje, es ist peinlich.

Und am Ende dieses Gespräches im Tagesspiegel steht dann die natürlich ebenfalls nicht hinterfragte Feststellung des Institutsdirektors von Steuerzahlergnaden, dass es auf jeden Fall einen Zusammenhang zwischen der allgemeinen gesellschaftlichen Stimmung gegenüber Minderheiten und dem Arbeitsmarkt gibt.

Schuld daran also, dass diese letzten Verteidiger der von Deutschen gefährdeten europäischen Demokratie nicht in Brot und Arbeit finden, ist nicht etwa die weich gepolsterte soziale Hängematte, nein, Schuld ist der rassistische böse Deutsche, der dem edlen demokratiesehnsüchtigen Zuwanderer mit dem hohen Genderfaktor das Leben im emotional so kalten Deutschland so schwer macht.

Aber Brücker weiß Rat und hat eine Empfehlung zum Schluss, wie man das Problem lösen kann: Durch Überfremdung! Also noch mehr Selbstbewusstsein, wenn Mehrheiten zu Mehrheiten werden. Gegenüber dem Tagesspiegel: „Wir müssen die Hürden, nach Deutschland zu kommen, deutlich senken.“

Und weiter: „Ohne Migration werden in Deutschland das Niveau der sozialstaatlichen Transferleistungen zurückgehen und die Verteilungskämpfe härter werden – zwischen den Generationen, aber auch zwischen Reich und Arm innerhalb der jungen Generationen.“

Immerhin ahnt Brücker, wohin das alles führt, wenn sich die Brückers diese Landes am Ende durchsetzen. Aber es ist ihm herzlich wurscht, aus Gründen.

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