Die Schweizer Bundesversammlung hat „mit der dringlichen Änderung des Asylgesetzes vom 28. September 2012“ beschlossen, die Möglichkeit abzuschaffen, Asylanträge auch aus dem Ausland zu stellen. War das bis dahin beschränkt möglich, müssen seitdem Auslandvertretungen der Schweiz aufgesucht werden, die nach Prüfung ein Visum erteilen können, das zunächst die Einreise in die Schweiz erlaubt. Geprüft wird dabei, ob die Bedingungen für die Einreichung eines Visums aus humanitären Gründen vorliegen.
Hier bleibt zunächst schwammig, was eigentlich den Unterschied zu vorher ausmacht, außer, dass die Bürokratie zweifach tätig werden muss. Interessant wird es, wenn man die Anzahl der Grenzübertritte seit der Zuwanderungskrise aus der Schweiz nach Deutschland betrachtet. Schon Mitte 2016 meldete die Welt hier eine Zunahme der Migration um vierzig Prozent. Nun ist die Schweiz Teilnehmer im Eurodac-Fingerabdruckverfahren ebenso, wie es via Assoziierungsabkommen am Dublin-Verfahren teilnimmt. Anfang 2014 vermeldeten die Eidgenossen, die Dublin-II-Verordnung in die Tat umgesetzt zu haben.
Selbstbewusst verkündete das Schweizer Staatssekretariat für Migration (SEM) damals allerdings auch: „Bislang konnte die Schweiz bedeutend mehr Personen an andere Dublin-Staaten überstellen, als sie selbst übernommen hat. Für die Schweiz ist es vorteilhaft, das System Dublin weiterhin umfassend anzuwenden.“
Wenn nun die Schweiz seit 2012 keine Asylanträge mehr im Ausland annimmt, sondern nur noch die Möglichkeit eröffnet, ein Visum zu beantragen, dann besteht also theoretisch für die so Eingereisten die Möglichkeit, nach Deutschland durchzureisen und dort einen Erstantrag auf Asyl zu stellen. Die Schweiz als Transitland.
In Deutschland beginnt das Asylverfahren gesetzlich mit dem Asylantrag in einer der Außenstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Abgesehen vom nicht unerheblichen Familiennachzug gibt es in Deutschland also bisher grundsätzlich keine weitere Möglichkeit, einen Asylantrag bereits im Ausland zu stellen.
Wenig Beachtung fand hier eine Forderung der Freien Demokraten, die noch in ihrem Bundestagswahlprogramm explizit eine Änderung des Asylgesetzes forderten: „Stellen von Asylanträgen im Ausland möglich.“ Die FDP trat nämlich 2017 mit einem „Menschenrecht auf Asyl“ zur Bundestagswahl an. Im Wahlprogramm heißt es wörtlich dazu: „Um Menschen die lebensgefährliche Flucht zu ersparen, möchten wir es ermöglichen, Asylanträge auch bereits im Ausland zu stellen.“ Die FDP geht also über die Neureglung der Schweiz noch hinaus, erwähnt die strengere Regelung des Nachbarstaates allerdings als ergänzende Option: „Ein Visum aus humanitären Gründen sollte (im Einzelfall) nach Schweizer Vorbild ebenfalls erteilt werden.“
War also bisher beim Asylantrag die „persönliche Vorsprache“ in der Erstaufnahmeeinrichtung in der Regel erforderlich, forderte die FDP im Wahlprogramm 2017 diese Vorsprache auszudehnen auf die Vertretungen der Bundesrepublik im außereuropäischen Ausland.
Ebenfalls nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen in Vergessenheit geraten ist die Forderung der FDP eine so genannte „Chancenkarte“ einzuführen, nach der „weitere Fachkräfte ins Land gelassen“ werden. Asylbewerber sollten hier sogar die Gelegenheit bekommen, ihren Status zu wechseln und mit der „Chancenkarte“ ein dauerhaftes Bleiberecht zu erlangen.
Wenn also Christian Lindner im Juni 2018 den Hardliner gibt, dann hat sich seine oder die Position der FDP innerhalb von einhundert Tagen entweder dramatisch gewandelt oder es gibt hierzu keine klare Haltung innerhalb der FDP. Denn wenn Christian Lindner fordert, „Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, sollten keine langwierigen Verfahren durchlaufen“, dann stellt sich die Frage, wie das mit der Forderung des Bundeswahlkampfprogramms deckungsgleich gebracht werden kann, das ja forderte, Asylverfahren bereits in den Herkunftsländern zuzulassen.
So betrachtet, wünscht sich die FDP in der Frage ein Deutschland nach dem Vorbild der Schweiz von vor 2012, möchte im Bundestag der AfD gerne den Rang ablaufen in Sachen harte Haltung in der Asylfrage, distanziert sich aber im selben Moment von der AfD, will die FDP doch im Gegenteil sogar eine Ausweitung der Möglichkeiten, in Deutschland Asyl beantragen zu können.
Nun bestätigt die Pressestelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge per Telefonat, dass ein deutscher Asylantrag ausschließlich in Deutschland gestellt werden kann. Auf die Einrichtung von Transitzentren im außereuropäischen Ausland angesprochen, wird deutlich, dass solche Zentren auch nur dann ihre Arbeit aufnehmen könnten, wenn das Asylrecht dahingehend geändert wird, dass Asylanträge auch dort gestellt werden können. Nach geltendem Recht wäre eine solche Antragstellung aktuell nicht möglich. Würden diese Transitzonen nun eine solche Gesetzesänderung erforderlich machen, kann man diese Änderung dann auf diese Transitzonen beschränken oder wäre es von da an überall im außereuropäischen Ausland möglich, einen deutschen Asylantrag zu stellen? Ist man sich im Klaren darüber, welche Folgen so eine Gesetzesänderung haben könnte? Die Juristen haben jedenfalls viel zu tun.