Tichys Einblick
Sommerreise

Fährt Angela Merkel als Bittstellerin oder mit dem Scheckbuch nach Spanien?

Vor wenigen Tagen verkündete die Bundesregierung vollmundig, man hätte nun ein Rückführungsabkommen mit Spanien erreicht. Was als Erfolg gefeiert werden soll, ist allerdings nichts weiter als ein Eingeständnis der desaströsen Verhältnisse innerhalb der EU.

German Chancellor Angela Merkel and Spanish Prime Minister Pedro Sanchez at the Chancellery on June 26, 2018 in Berlin.

Angela Merkel besucht am Wochenende den seit Juni mit einer Minderheitsregierung arbeitenden sozialistischen (PSOE) Regierungschef Spaniens in dessen Sommerurlaub. Offiziell heißt es, auf Wunsch des Spaniers. Möglicherweise eine Nötigung, ein erzwungener oder dringend erbetener Wunsch. Denn wenn Premierminister Pedro Sánchez noch bei klarem Verstand ist, wenn er seine Spanier dabei im Auge hätte, würde er einen Teufel tun, der deutschen Bundeskanzlerin Gelegenheit zu geben, Forderungen zu stellen. Denn in Sachen Migration hat die Deutsche ihm nichts anzubieten. Sie kann allenfalls über Umwege mit dem Scheckbuch wedeln. Das allerdings ist nicht der schlechteste Grund.

Zwischenstand
Spanien kann sich nicht mehr aus Verantwortung stehlen
Merkel besucht also Sánchez in dessen Sommerurlaub im südspanischen Nationalpark Doñana. Auch ein kurzes Sightseeing soll geplant sein, möglicherweise wird die Bundeskanzlerin dabei sogar den seltenen vom Aussterben bedrohten Pardelluchs zu Gesicht bekommen, der den mediterranen Buschwald als Heimat bevorzugt. Nun ist auch der deutsche Luchs im Harz erfolgreich wieder angesiedelt worden. Man hätte also zumindest ein erstes gemeinsames Gesprächsthema, könnte sich also einleitend über zwei Erfolgsgeschichten austauschen.

Aber deshalb ist die Kanzlerin natürlich nicht hingefahren. Sie kommt als Bittstellerin. Vor wenigen Tagen verkündete die Bundesregierung vollmundig, man hätte nun ein Rückführungsabkommen mit Spanien erreicht. Was hier als Erfolg gefeiert werden soll, ist allerdings nichts weiter als ein Eingeständnis der desaströsen Verhältnisse innerhalb der Europäischen Union. Denn was Spanien in diesem Abkommen an Zugeständnissen gemacht hat, ist bisher nichts weiter als die mundgerechte Zusage, nun doch ältere Vereinbarungen einzuhalten, die besagen, dass Asylbewerber dort unterzubringen sind, wo sie ihren Erstantrag gestellt haben. In der Theorie.

Forderung nach sofortigem Immigrationsstopp
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Es sollen nun also spanische Asylantragsteller, die sich auf den Weg nach Deutschland gemacht haben und die von deutschen Behörden aufgegriffen werden, binnen 48 Stunden nach Spanien zurück überstellt werden. Wer dafür ein Bravo! parat hat, der stellt der EU die denkbar schlechtesten Noten aus, wenn Spanien nach EU-Recht sowieso verpflichtet ist, diese Menschen zurückzunehmen. „Die Vereinbarung soll laut BMI ab dem 11. August gelten. Gegenleistungen aus Deutschland hat es demnach nicht gegeben.“

Eine deutsche Feierlaune sollte sich also in engen Grenzen halten. Um die Feier aber nicht ganz platzen zu lassen, fährt die Bundeskanzlerin nun zu Sánchez in den Sommerurlaub. Und sie hat Bitten im Gepäck, die noch viel gravierender sind als nur die Rücknahme der registrierten spanischen Asylbewerber. Offiziell zumindest möchte sie den Spanier dazu bringen, eine Umgehung des Rückführungsabkommens nicht zuzulassen, wenn die steigende Anzahl der Zuwanderer, die über Spanien nach Deutschland kommen, in Spanien einfach nicht registriert werden. Merkel will also darauf bestehen, dass Spanien seine neuen Zuwanderer umgehend registrieren lässt, damit diese ebenfalls dem neuen Abkommen unterliegen, denn welchen Sinn hätte dieses auch sonst?

Hin und zurück
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Dass allerdings stellt Pedro Sánchez vor ein riesiges Problem: Damit würde seine vollmundige Willkommenspolitik ernsthaft auf die Probe gestellt. Gerade noch hatte der Premier großzügig dem NGO-Schiff Aquarius mit 630 Personen Bord in Spanien Zuflucht gewährt, die zuvor noch in Italien abgewiesen wurden. Das Medienecho war groß, verbunden mit der Frage: „Wird der Sozialist eine Trendwende in der eigentlich harten Migrationspolitik Spaniens einleiten?“ Eine Frage, die nun mit dem Besuch Merkels bei Sánchez neu gestellt werden könnte, wenn der Spanier in seiner „Großzügigkeit“ gegenüber Zuwanderern nun nicht mehr automatisch hoffen kann, dass ein Großteil der Zuwanderer sowieso nach Deutschland weiterzieht, diese Großzügigkeit also tatsächlich mal eine sein müsste.

Und dass die Zuwanderer weiterziehen, hat gewichtige Gründe, wenn Spanien auch unter dem Sozialisten Sánchez zwar nach außen die große Geste schätzt, aber wenn es darum geht, die Zuwanderer zu versorgen, diese geradezu nach Deutschland treibt: So endeten in Spanien bisher nach 18 Monaten automatisch alle Sozialleistungen auch für Flüchtlinge. Und diese Leistungen liegen zudem noch weit unter dem zeitlich nicht limitierten Niveau der deutschen Zuwendungen.

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Der Focus hat an einem Beispiel deutlich gemacht, wie viele tatsächlich bleiben. So kamen im vergangenen Jahr offiziell 31.000 Zuwanderer über den Landweg oder das Meer in Spanien an, aber nur ein paar Hunderte davon blieben wirklich im Land. Es bleibt also faktisch kaum jemand im Land. Die allermeisten ziehen nach Deutschland weiter. Welches Interesse sollte Sánchez also daran haben, der Bundeskanzlerin zuzusichern, jeden ankommenden Zuwanderer zu registrieren, ihn also unter das nun neu vereinbarte Rückführungsabkommen zu stellen? Sánchez weiß genau, was passiert, wenn diese Zuwanderer in Spanien nach 18 Monaten, in denen sie, wenn überhaupt, eine bereits deutlich geringere Sozialhilfe bekamen, als in Deutschland, dann mehr oder weniger völlig mittellos auf der Straße sitzen. Kollektiver Mundraub wäre hier sicher nur das geringste Problem.

Der Spiegel schreibt heute in seinem Morgenbriefing, Merkel erhoffe sich bei ihrem Besuch im Nationalpark ein Entgegenkommen von Sánchez. Liest man Spiegel Online weiter, fallen noch zwei Meldungen auf.

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Die erste berichtet von einem geheimen „Schleuser-Express“ von Italien nach Deutschland, die zweite berichtet von einem erhöhten Armutsrisiko für Zuwanderer in Deutschland, wohlgemerkt, ein Armutsrisiko von Beziehern staatlicher Leistungen. Der Spiegel schreibt: „Gestiegen ist die Gefahr ausschließlich für Migranten.“

Also wohl auch für jene Zuwanderer, die alles tun, um irgendwie von Spanien aus in diese deutsche Armutsgefahr weiterzuziehen. Der Spiegel weiter: „Sánchez hat sich bisher eher liberal gezeigt, Schiffe ankommen lassen und kaum Asylbewerber abgeschoben, denn die meisten ziehen ohnehin weiter nach Norden. Merkel erhofft sich eine bessere Zusammenarbeit, um die Zahl der Migranten zu verringern, die sich auf den Weg nach Deutschland machen.“ Nur worauf soll diese Hoffnung gründen? Was hat Merkel für Sánchez in der Tasche, diese Hoffnung konkret werden zu lassen?

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