Was ist das eigentlich beim EKD-Vorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm, dem Chef der evangelische Kirche, wenn er von einem Thema nicht mehr lassen kann, so umstritten es auch sein mag, wenn er selbst Stimmen aus den eigenen Reihen ignoriert, die ihn explizit um Momente der Stille gebeten hatten? Warum beißt sich da einer mit dem Gestus des Eiferers fest, wenn es darum geht, die Zukunft hunderttausender Migranten, die in Libyen gestrandet sind, mit einem weiteren privaten Schiff noch undurchsichtiger zu gestalten und diese Ärmsten der Armen gewissermaßen in die so gefährlichen Schlauchboote zu treiben?
Nein, Menschen Hoffnungen zu machen, entbindet auch einen Heinrich Bedford-Strohm nicht davon, über den Sinn und Unsinn, über Risiko und Chance nachzudenken, anstatt nur weiter Kritiker solcher Unternehmungen zu diffamieren, zu diskreditieren und zu denunzieren.
Aber was passiert nun? Weiterhin gibt sich der Rechtstaat völlig hilflos gegen diese willfährige Form der privaten Anstrengungen der Kirchen und der mit ihnen operierenden Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die Beförderung der illegalen Migration nach Deutschland und Europa über das Mittelmeer nicht nur zu ermöglichen, sondern aktiv zu befeuern. Aber wie soll der Staat diese massive Beförderung von Gesetzesbrüchen auch unterbinden, wenn mit Angela Merkel die Bundeskanzlerin selbst neuerdings für eine Förderung der Beförderung von Migranten in Booten über das Mittelmeer eintritt?
Der Rat der EKD unterstützt jetzt Bedford-Strohm bei der Anschaffung eines Schiffes, das also den Schleppern vor Libyen eine weitere Option für deren kriminelle Geschäfte eröffnen wird. Es muss hier demnach festgestellt werden, dass sich die Kritiker innerhalb der Kirche, die ihren Chef so energisch zur Stille aufriefen, nicht durchsetzen konnten gegen diese ihnen so unangenehme Eitelkeit ihres Vorsitzenden, als beispielsweise gerade noch der scheidende Regionalbischof des bayerischen Kirchenkreises Regensburg, Bedford-Strohm die Leviten las:
„Wir wünschen uns, dass er da zurückhaltender agiert und seine moralische Autorität nicht so vor sich herträgt, wie das mittlerweile in der Öffentlichkeit berechtigterweise kritisch wahrgenommen wird. Er sollte sich mehr mit der Frage beschäftigen: Was tue ich wann? Wann rede ich, wann schweige ich? Er weiß, dass sein Vorgehen sehr differenziert und unterschiedlich wahrgenommen wird.“
Dem 59-Jährigen Bedford-Strohm ist das allerdings völlig gleich. Er schwebt längst auf Wolke sieben der medialen Aufmerksamkeit, völlig losgelöst von einer kritischen Selbstbetrachtung, geschweige denn einer Analyse der Debatte rund um diese hoch umstrittenen Seefahrten im Mittelmeer unter genauer Beobachtung der Schlepper, die bei jeder Bewegung dieser Schiffe auf die libysche Küste zu, wieder weitere Dollars rascheln hören und dafür wieder bereit sind, Menschenleben absichtsvoll in akute Lebensgefahr, sprich in Seenot zu bringen. Denn nur dann kommen die Rettungsschiffe der NGO ins Spiel.
Nein, Bedford-Strohm wird sich nicht auf diese Gruppen berufen können, weil er hier durchaus als Antreiber dieses fahrlässigen Tuns identifiziert werden kann. Der EKD-Rat entschied nach Angaben Bedford-Strohms am vergangenen Wochenende, dieses Vorhaben mit der Gründung eines Vereins umzusetzen, der ein Schiff anschaffen soll.
Gemeinsam mit Vertretern von Ärzten ohne Grenzen, der Organisation Sea-Eye, der Seebrücke („sichere Häfen“) und des Oberbürgermeisters von Potsdam, gab der EKD-Chef eine Pressekonferenz und erklärte dort u.a.: „Egal, aus welchen Gründen Menschen in Not sind, wir haben die Pflicht, sie zu unterstützen und ihnen zu helfen.“
Tatsächlich aber gibt es gewichtige Stimmen, die anzuhören auch ein von der eigenen Großartigkeit so beseelter Mann wie Heinrich Bedford-Strohm nicht auslassen sollte, will er sich nicht schuldig machen an einer zu befürchtenden Zunahme von Ertrinkenden im Mittelmeer, wenn dort wieder vermehrt private Schiffe Schleppern und Schlauchbooten ihre Dienste anbieten. Eine dieser gewichtigen Stimmen könnte Gerald Knaus sein, der Konstrukteur des Merkel-Türkei-Deals, der zuletzt unmissverständlich klar gemacht hatte: „Ob das jetzt die italienische Küstenwache ist, das italienische Militär, die EU mit ihren Schiffen oder private Seenotretter: Je mehr Leute auf dem Wasser sind, desto mehr Leute sterben.“
Bedford-Strohm war schon einmal im Mittelmeer unterwegs, als er bei einem Besuch auf Sizilien Crewmitglieder der Sea-Watch 3 getroffen und mit ihnen über die Situation vor Ort gesprochen hatte. Professionell bearbeitet wurde damals ein Videotagebuch installiert, mit dem sich der Kirchenmann von seiner Reise täglich zu Wort melden konnte, seine Eindrücke der Welt zu schildern. „Ja, ich bin heute Mittag in Palermo angekommen“, geht es da mit getragener Stimme los, ein mächtiges silbernes Kreuz hängt an einer soliden Kette kurz über dem Nabel, während im Hintergrund schemenhaft in der Dunkelheit der Nacht wohl das Meer vermutet werden darf. Nein, dieser Rastlose ruht nicht, wenn es darum geht, mit den Leuten da draußen zu sprechen über seine Missionen, über alles, was ihn so umtreibt.
Der EKD-Chef ist überhaupt viel unterwegs. 2016 beispielsweise besuchte er in seiner Funktion als Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland den Tempelberg von Jerusalem und legte dort besagtes protziges Kreuz ab, weil er darum angeblich gebeten wurde. Seine christliche Grundhaltung sei nicht, das Kreuz „demonstrativ vorneweg zu tragen“ und dadurch Zwietracht zu säen, sagte er anschließend. Nein, das ist tatsächlich nicht seine Grundhaltung. Die ist hier hinreichend umrissen worden, die ist also auf der einen Seite unbelehrbar und auf der anderen auf besondere Weise wankelmütig, wenn ihm der Wind doch einmal ins Gesicht bläst. Seine Mitstreiter in Sachen Seenotrettung sollten also gewarnt sein, ihr großartiger Kapitän könnte hier als erster von Bord springen, wenn es ungemütlich wird.
Lassen wir abschließend noch einmal Gerald Knaus zu Wort kommen, vor wenigen Wochen im Gespräch mit Robin Alexander:
„Und selbst die Seenotretter erkennen natürlich auch selbst in ihrer täglichen Praxis: je mehr Leute sich in diese Schiffe begeben, je mehr Leute von diesen Schleppern und Kriminellen in nicht seetüchtigen kleinen Booten aufs Meer gestoßen werden, desto mehr Unfälle gibt es. Ob das jetzt die italienische Küstenwache ist, das italienische Militär, die EU mit ihren Schiffen oder private Seenotretter: Je mehr Leute auf dem Wasser sind, desto mehr Leute sterben.“