Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, so lautet eines der Argumente zu ihrer Rechtfertigung, seien auch darum besonders wichtig und notwendig, weil sie Bürger in Krisen und Katastrophen mit verlässlichen Informationen versorgen. Das zumindest hat der WDR, in dessen Sendegebiet gerade eine der schlimmsten Überschwemmungskatastrophen der jüngeren Zeit stattfindet, nicht bestätigt.
Der per Zwangsgebühren finanzierte WDR war eben kein nachrichtliches Alarmsystem für die Leute in Westdeutschland. Diesen schweren Vorwurf macht auch das Medien-Portal DWDL mit der anklagenden Headline: „Unterlassene Hilfeleistung: WDR lässt den Westen im Stich“ Der Kommentar wurde vom Betreiber des Portals Thomas Lückerath selbst geschrieben. Wenn der finanziell großzügig ausgestattete WDR es in akuten Krisensituationen nicht schaffe, ein verlässliches Informationsangebot für das Sendegebiet zu liefern, „dann wird bei all den Sparbemühungen der Häuser an den falschen Stellen gespart“.
Private Sender machten pausenlos Sondersendungen, der WDR hingegen lieferte die Aufzeichung einer Olympia-Doku. Das brachte später auch das Redaktionsnetzwerk Deutschland auf den Plan, das ebenfalls nach Erklärungen dafür gesucht hatte, warum der WDR seinen Bürgern in dieser akuten Notsituation nicht entsprechend seines Auftrages beisteht.
Der auch von den Menschen in den bedrohten Häusern zwangsfinanzierte Sender blieb stumm, als sich die Hochwasserlage in NRW und Rheinland-Pfalz am Mittwochabend dramatisch zuspitzte.
Wer die Bilder beispielsweise aus Euskirchen gesehen hat, ahnt allenfalls, was da los war. Um Mitternacht teilte zudem die Stadt Wuppertal per Twitter mit, dass eine Talsperre die Wassermassen nicht mehr fassen könne: „Die Talsperre läuft über!“, hieß es da.
Welche Bedrohungslage sich daraus für die in Tälern lebenden Menschen ergeben würde, war zu dem Zeitpunkt noch vollkommen unklar. Wenn die Wassermassen aber vor der Haustür stehen, dann geht alles sehr schnell und Wege zur Flucht vor der Katastrophe sind allesamt verstellt. Die Anwohner wurden also teils vorsorglich evakuiert oder aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen.
Das Drama – ohne WDR – hätte kaum schlimmer verlaufen können, als die Steinbachtalsperre sogar zu brechen drohte und Anwohner aus dem Schlaf gerissen und notevakuiert werden mussten.
Und was passierte beim WDR? Besagtes Redaktionsnetzwerk formuliert es so: „In den Programmen der Anstalt bekommt man lange Zeit nur unregelmäßig von der Hochwasserlage mit – und auch am Donnerstagmorgen hat sich daran nicht allzu viel geändert. Neben einigen Spezialsendungen sendet das Fernsehprogramm Tiermagazine und Reiseformate.“ Auch das Redaktionsnetzwerk infomiert sich bei Thomas Lückerath, der den Totalausfall des WDR „akribisch dokumentiert“ hätte.
Irgendwann nach ein Uhr sei dann unter den Sendungen des ARD-Gemeinschaftsprogramms immerhin noch ein NRW-spezifisches Laufband zur Katastrophe erschienen. Davor drei Stunden lang Totalausfall des WDR.
Erwähnenswert übrigens die Leistung des regionalen Senders Radio Wuppertal: Wo sonst schon vor 20 Uhr auf Automatik umgestellt und sogar Formate des WDR übernommen werden, machte der kleine Sender, was eigentlich Aufgabe des WDR gewesen wäre, und sendete die ganz Nacht durch eine Marathonsendung zur Notlage.
Das RND wollte vom WDR Genaueres wissen. „Wir teilen die Einschätzung, dass der WDR noch umfangreicher aus Wuppertal hätte berichten müssen“, sagt eine Sprecherin daraufhin fast so, als wäre man selbst fein außen vor und könne sich auf die Seite der Kritiker des eigenen Tuns – oder präziser Nichttuns – stellen.
Ein weitere Ausrede lautete, das Studio selbst sei etwa ab drei Uhr vom Hochwasser betroffen gewesen. Das wäre genauer zu überprüfen. Aber selbst, wenn es um drei Uhr wirklich nass geworden wäre in den Kellern oder der Tiefgarage des WDR, was war davor? Verließen hier die Nachrichten-Offiziere das Schiff noch vor der Mannschaft?
Was ihre Verantwortung betrifft, muss man solche öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ganz sicher auf einer Ebene sehen mit den Sicherheitskräften, der Polizei, der Feuerwehr und dem THW. Der WDR kann von Glück sagen, dass couragierte Journalisten und verantwortungsbewusste private Sender diese klaffende Lücke ausgefüllt haben. Einer Aufarbeitung entgeht der Sender damit aber keineswegs.
Und insbesondere auch was Thomas Lückerath mit seinem Portal ablieferte, verdient den Respekt der schwerfälligen WDR-Führung und ihres schwerfälligen Personals. Hier würde dem WDR ein Gespräch des Intendanten mit Lückerath sicher gut zu Gesicht stehen.