Die hier vorgestellte Gesprächspartnerin aus der Nachbarschaft ist dem Autor bekannt als zuvorkommendes Mädchen. Eine junge Frau, wie sie sich wohl viele ältere Semester als Schwiegertochter wünschen. Die Interviewte fiel bisher überhaupt nicht als politische Person auf. Sie ist warmherzig und freundlich. Wir führen ein schnelles Gespräch auf der Straße, quasi über den Gartenzaun hinweg.
Sie hat dieses Jahr ihr Abitur gemacht, ist 19 alt, lebt mit den Eltern und einer jüngeren Schwester zusammen in einem Einfamilienhaus. Der Vater arbeitet bei Volkswagen, die Mutter halbtags in einem kleinen Unternehmen im Büro. Die Familie unternimmt viel zusammen, Freizeit-, Bildungs-, und Sportangebote werden gerne und häufig angenommen. Der Vater ist eher ein stiller Typ, die Mutter etwas extrovertierter und im freundlichen Wesen ihrer Tochter ähnlich.
Die niedersächsische Erstwählerin machte Briefwahl, weil sie am Wahltag bereits unterwegs ist für ein freiwilliges soziales Jahr in Asien. In den nächstenTagen folgen noch einige kurze Vorbereitungsseminare. Es gibt um die 300 Euro Taschengeld im Monat.
Politisch sieht sie sich selbst als bisher unauffällig und ohne nennbare Aktivitäten. Wählen allerdings hält sie für ihre Pflicht. Auf die politische Atmosphäre zu Hause angesprochen, sag sie, dass dort eher selten politisch diskutiert wird. Höchstens einmal vor Wahlen wie jetzt und mal ein paar Sätze zu den Nachrichten.
Beide Eltern würden aber prinzipiell auch für solche Gespräche zur Verfügung stehen, glaubt sie. Was die Eltern wählen, ist ihr bekannt. Die Tochter fällt da auch nicht aus der Reihe. Sie ist sich aber bei dem Vater nur bedingt sicher – die Sache sei – da muss sie schmunzeln – etwas mysteriös.
Sie hat die Grünen gewählt. Als die Briefwahlunterlagen kamen, hat sie sich extra die Wahlprogramme im Internet angeschaut. Beispielsweise die der SPD, die waren ihr aber zu „Wischiwaschi“.
Angela Merkel und die CDU würde sie auf keinen Fall wählen, denn die ist ihr zu konservativ. Auch, weil Frau Merkel gegen die Homo-Ehe stimmte, das ist ihr bitter aufgestoßen. Außerdem sei die CDU mit der CSU verbunden, die bayrische Partei empfindet sie aber als ganz besonders schlimm.
AfD ist für sie überhaupt kein Thema. Würde man sie trotzdem zwingen, etwas Positives zu sagen, dann höchstens, dass der nette Opa ganz sympathisch rüberkommt, wenn er nicht den Mund aufmacht.
Die FDP steht für sie für freien Handel. Und freier Handel unterstütze nun Mal nicht die Armen. Die FDP sei auch gegen Gerechtigkeit, zu marktwirtschaftlich orientiert, das hätte sie in der Schule länger durchgenommen, damit hat sie sich intensiver beschäftigt.
Den Wahlkampf fand sie bisher ziemlich krass, was die Plakate angeht, z.B. die von der NPD und der MLPD. Die MLPD hätten Sprüche, die klingen ja ganz gut, aber sie hat das Gefühl, da fehlt ein Konzept.
„NPD war nur dumm und abstoßend. Das mit Luther, da habe ich mich gefragt, ob man das überhaupt darf, ob das legal ist. Die Kandidaten der Grünen, da mag ich den Özdemir. Ich sah ihn mal im TV bei Hart aber Fair, da war er sympathisch und hatte gute Argumente – es ging im Wesentlichen um Erdogan und Türken im Deutschland.“
Spontan fällt Ihr kein Slogan ein, die Wahlplakate der Grünen fand sie aber eher enttäuschend unauffällig. Wenn sie selbst einen Slogan für die Grünen schreiben müsste, dann hätte sie vielleicht inhaltlich erzählt, dass die Nationalstaaten sich noch mehr öffnen müssen für Europa. „Separatismus muss verhindert werden. Es gibt keine Zukunft ohne Verständigung.“
„Wenn ich sage sollte, was ich an Deutschland mag, dann fällt mir zuerst ein, dass sie Flüchtlinge aufnehmen und sich nicht so darum drücken wie Großbritannien und Ungarn. Falsch im Umgang mit den Flüchtlingen läuft auf jeden Fall die Integration, die werden nur abgestellt wie Objekte und nicht behandelt wie richtige Menschen.“
Auf Koalitionen angesprochen, empfiehlt sie den Grünen, sich mit den Linken und der SPD zusammen zu tun, dass würde noch am ehesten etwas werden. Wenn sie nun für ein Jahr im außereuropäischen Ausland ist, möchte sie als Erfahrung mitnehmen, dass sie selbstbewusster wird, sich persönlich weiterentwickelt.
„Ich hoffe, dass ich, wenn ich Deutsch unterrichte, etwas über unser Land erzählen kann und im Gegenzug etwas über das Land erfahre. Über die andere Kultur und wie die Menschen leben und arbeiten.“
Zuletzt gelesen habe ich „Die Farben des Nachtfalters“, da geht es um ein Albino-Mädchen in Afrika, dass sich gegen eine feindliche Umwelt zur Wehr setzen muss. Das hat mich sehr bewegt.
Wir danken ihr für die Offenheit und das nette Gespräch.