Die Zusammenarbeit von Bundesarbeitsagentur und Bertelsmann Stiftung wird immer interessanter. Nach Berichten bei TE distanzierte sich jetzt der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) gegenüber TE vom millionenschweren Großprojekt „BKE – Berufliche Kompetenzen erkennen“, welches Bertelsmann bei der Agentur implantiert hat, um zunächst Kompetenzen von Flüchtlingen und Immigranten zu erforschen.
Aber es kommt noch besser: Der ZDH spricht der Stiftung in der Sache ab, überhaupt eine handlungsrelevante Institution zu sein und verweist darauf, dass man längst eigene Kompetenz-Abfragen entwickelt hat: „Im Rahmen des Projektes Valikom tun das die handlungsrelevanten Institutionen längst selbst. Darin konzipieren vier Handwerkskammern sowie vier Industrie- und Handelskammern ein gemeinsames Verfahren zur Bewertung und Zertifizierung (Validierung) berufsrelevanter Kompetenzen …“
Ein Partner für die Bundesarbeitsagentur war mit den Kammern und deren Projekt Valikom also längst vorhanden: Konnte die Agentur nur den üppigen Finanzierungshilfen der Stiftung nicht widerstehen, dass sie jetzt zweigleisig fährt und riskiert, damit die Kammern zu verärgern?
Nun wollte die private Bertelsmann Stiftung aber schon 2015 auf den fahrenden Zug aufspringen, und lud zum Gedankenaustausch ein. Damit das Treffen etwas hermacht, lud man Rita Süssmuth ein. Die sollte qua Person bestätigen, dass die Stiftung „über ein wichtiges und richtiges Thema“ spricht. Die Stiftung selbst hatte zu dem Zeitpunkt gerade einmal ein paar Kompetenzkärtchen im Bastelbogen zum Selbermachen mit der Arbeiterwohlfahrt u.a. entwickelt, um sie im Verlag der Stiftung für 19 Euro zu verkaufen.
Zur Finanzierung teilt die Bundesagentur mit: „Beide Kooperationspartner (also Bertelsmann und die Agentur) bringen finanzielle Mittel in diese Zusammenarbeit ein.“ Nun fragte TE schon in den vorangehenden Artikeln zum Projekt, welchen Sinn es genau macht, solche Kompetenzabfragen im BKE auf beispielsweise Farsi zu stellen. Die deutsche Sprache müsste doch am Anfang der Wegstrecke der Flüchtlinge und Migranten in die Handwerksausbildung stehen. Da zeigt sich die Projektgestaltung als noch kurioser, als zunächst angenommen:
Davon völlig unberührt ist die große Jobmaschine längst angelaufen. Aber nicht für die Immigranten, sondern für die Mitarbeiter am Projekt. Die Partnerschaft mit der Bertelsmann Stiftung sieht laut Bundesagentur folgendermaßen aus: Die Stiftung erledigt die Testentwicklung und beauftragt Dritte. Sie ist verantwortlich für die Strukturentwicklung. Begleitet das Projekt wissenschaftlich, entwickelt und erprobt Kriterien zur Sicherstellung der Qualität und Nachhaltigkeit, ist verantwortlich für die Konzeptionierung und Durchführung und unterstützt die Pilotierung.
Hier allerdings hätte man doch annehmen dürfen, dass die Agentur selbst im hohen Maße über solche entsprechende Kompetenzen und Erfahrungen verfügen müsste. Oder einfach mal bei den Kammern anklopfen und das dort längst aktive Projekt Valikom intensivieren. Oder fehlten die Mittel und man brauchte das Geld der Bertelsmann Stiftung?
Zwar distanziert sich die Agentur weiter tapfer von der Idee, irgendwelche nicht belegten Kompetenzen von Immigranten zu zertifizieren. Aber der Partner Bertelsmann verfolgt eben dieses Ziel bereits seit Jahren. Weiß die Agentur denn wirklich nicht, was die Stiftung da für Giftpfeile gegen das deutsche Duale Ausbildungssystem im Köcher führt? Die Agentur antwortet uns stattdessen verbindlich: „Die Bundesagentur für Arbeit steht ausdrücklich zur Dualen Ausbildung in Deutschland, die ein Grundpfeiler der beruflichen Bildung ist.“
Aber wie passt das nun zu den Ideen der Stiftung? Die schrieb nämlich schon 2015 es müsse gelingen „insbesondere die Kammern als die Zertifizierungsinstitutionen in der Berufsbildung“ für eine Beteiligung zu gewinnen. Es seien die Kammern, die der „Validierung von informell und non-formal erworbenen Kompetenzen durch die entsprechende Ausgestaltung Wert verleihen können.“
Die Stiftung selbst fasst sich kurz. Der ehemalige Pressesprecher der Grünen, Christian von Eichborn, ist heute Pressesprecher der Bertelsmann Stiftung. Und der betont noch einmal, dass es um die „Anerkennung informell erworbener Kompetenzen“ von Immigranten geht. Um „einen wichtigen Beitrag für die erfolgreiche wirtschaftliche Zukunft Deutschlands.“
Stellen wir abschließend fest: Da ist ordentlich Feuer unter dem Kessel. Da treffen miteinander konkurrierende Kompetenzen privater und staatlicher Mitspieler aufeinander, die nicht zusammenpassen. Da entstehen Befindlichkeiten rund um ein millionenschweres Vorhaben, das im Kern nichts anderes erledigt, als Immigranten ohne qualifizierte Facharbeiternachweise Bilder vom deutschen Handwerk zu zeigen, um damit zu erfragen, ob man schon mal gesehen hat, was da abgebildet ist, ob man damit etwas anfangen kann.
Um aber was anschließend zu tun? Um das Duale System aufzuweichen. Um zu erreichen, wie Bertelsmann Stiftung schon 2015 von den Kammern forderte: „(i)nstitutionell verankerte und verbindliche Anerkennungsverfahren (…) für (…) kostenfreie Zertifizierungen“ in Sachen Kompetenzanerkennung.
Den Erfolg seiner Agenda machte die Bertelsmann Stiftung damals davon abhängig, „in wie weit es gelingt, die relevanten Akteure der formalen Berufsbildung in einen Einwicklungsprozess einzubinden.“ Offensichtlich ist genau das der Stiftung zwei Jahre später gelungen. Agentur und Kammern sind ins System Bertelsmann Stiftung eingebunden. Auch wenn die Kammern noch ein bisschen maulen: ein voller Erfolg.
Tatsächlich hat sich die Bundesarbeitsagentur zu einem privaten Player ins vergoldete Bett gelegt ohne vorher mal genauer nachzufragen, ob man zusammenpasst. Und hat Streit mit den Kammern in Kauf genommen, die längst ein Projekt zur Kompetenzfeststellung haben, das jetzt Konkurrenz bekommen hat unter der Regie einer privaten Stiftung.