Was ist niederträchtig? Beispielsweise eine Kritik an der heterosexuellen Ehe damit zu begründen, dass man dem Partner der weniger verdient, Prostitution vorwirft. Konkret schreibt die SPON-Kolumnistin Margarete Stokowski, Ehegattensplitting sei letztlich eine sozial weitgehend akzeptierte Nebenform von Prostitution: „Ich spare Steuern, indem ich den Staat daran teilhaben lasse, mit wem ich mein Bett teile“. Dabei sei die Prostitution gar nicht das Problem, die könne heute unter geregelteren Bedingungen stattfinden. Ja, so geht Niedertracht.
Nun macht es einem die Kolumnistin auch aus einem anderen Grund nicht leicht: Sie läuft ihren Kollegen rein stilistisch davon. Sie kann verdammt gut schreiben. Ihre Kolumnen sind aus dieser ästhetischen Perspektive ein Hochgenuss. Aber rechtfertigt das wirklich jeden Schwachsinn? Rechtfertigt das eine dermaßen widerliche Positionierung zu einem durchaus ernsthaften Thema? Rechtfertigt das die Diskriminierung einer Mehrheit der Bevölkerung und ihrer Lebensweise?
Es ist tatsächlich ein weitverbreiteter Irrtum, anzunehmen, dass nur Minderheiten den besonderen Schutz der Gesellschaft verdient hätten. Nach Artikel 6, und man darf nicht müde werden, ihn zu zitieren, stellt das Grundgesetz Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Strenggenommen verpflichtet es den Staat sogar, gegen jene Kräfte vorzugehen, die sich gegen diese Ordnung richten. Etliche verfassungsfeindliche Gruppen werden genau deshalb unter Beobachtung gestellt, weil sie unter Verdacht stehen, die freiheitlich demokratische Ordnung zu gefährden. Nun deckt die Meinungsfreiheit so einiges. Die auch verfassungsrechtlich durchaus bedenklichen Äußerungen einer Margarete Stokowski gehören ganz sicher auch dazu. Kritik an der Verfassung und der Wunsch, diese zu verändern, sind ebenfalls Teil des demokratischen Prozesses. Aber die Ewigkeitsklausel definiert Ausnahmen. Der besondere Schutz der Ehe von Mann und Frau und deren Kindern ist nicht Teil dieser Ewigkeitsklausel. Unumstößlich ist allenfalls, dass es zur natürlichen Zeugung eines Kindes Mann und Frau bedarf. Das weiß man, das braucht kein Grundgesetz.
Die heterosexuelle Ehe ist in Deutschland tatsächlich ein Massenphänomen. Und die Ehepartner hadern eher mit ihrem selbstgewählten Schicksal, als dass sie die Institution an sich in Frage stellen würden. Interessant könnte hier allenfalls sein, dass Untersuchungen ergeben haben sollen, dass die Frau in der Ehe am ehesten über die Dauer der selbigen entscheidet. Ihr Glücksgefühl ist ausschlaggebend für Fortbestand oder Trennung. Was der Ehemann denkt, ist weniger wichtig. Ein Zeitgeist-Phänomen?
Eine Studie besagt: „Der Mann mag vielleicht gar nicht so positive Gefühle über die Beziehung hegen, solange die Frau glücklich ist, ist alles gut.“ Die Autorin Ronja von Rönne erklärt es uns so: „Vielleicht liegt meine Abneigung gegenüber dem Feminismus an den aktuellen Vertretern.“ Der Feminismus hat seine Arbeit so gut gemacht, er kann nun gehen. Er würde sich jetzt nur noch – wohl quasi im Todeskampf – winden und panisch nach anderen Problemen suchen.
Aber es soll hier nicht um diese leidige Feminismusdebatte gehen, denn wer sagt eigentlich, dass Feminismus sich mit der heterosexuellen monogamen Ehe ausschließen würde? Margarete Stokowski? Nein, die behauptet in ihrer aktuellen Kolumne, die Ehe, pardon, die Prostitution der Frau, könne auch unter geregelten Bedingungen stattfinden. Also versteuerter Sex mit Krankenversicherung für die „Hure in der Ehe“ usw. Für Stokowski ist beispielsweise das Ehegattensplitting „nicht einfach nur eine bürokratische Nebenfrage, sondern ein zentrales Machtinstrument, mit dem der Staat das Patriarchat stützt“.
Geht es eigentlich noch niederträchtiger/hasserfüllter? In der Kunst mag die maximale Provokation Mittel zum Zweck sein. Damit ist sie durch die Kunstfreiheit geschützt. Hält sich Frau Stokowski für eine Künstlerin an der Tastatur, so etwas nun auch für sich in Anspruch zu nehmen? Die Dinge geraten ihr offensichtlich brutal durcheinander. Für die Autorin ist einer der Hauptgründe für die Ehe das Bedürfnis, Vaterschaften eindeutiger zuordnen zu können.
Ja, warum denn eigentlich nicht? Weil, wie die Spon-Kolumnisten ihren Lesern erklären will, auch das NS-Regime die heterosexuelle Ehe finanziell gefördert hätte. Abgeschmackter geht es ja kaum, was da klingt, wie Alice Schwarzer 1970, als ihre feministische Radikalisierung einem ersten Höhepunkt entgegen eilte und als es tatsächlich noch etwas zu erkämpfen gab. Heute wirkt so ein Reload so entsetzlich konservativ, dass das vermeintlich Konservative, dass die heterosexuelle Ehe schon wieder wie Avantgarde wirken könnte. Ist sie aber nicht.
Da erstaunt es wenig, dass junge Deutsche mit Blick auf die Zeitgeistthemen heute zwar alles andere sein wollen als konservativ – aber ihre Lebensvorstellungen sprechen die Sprache des Konservativen: Hoch im Kurs bei den unter 30-Jährigen stehen heute „Heimat, Ordnung und Zusammenhalt – Werte, die man eher in deutschen Kleingartenanlagen und Heimatverbänden vermuten würde.“
Die ZEIT weiß, dass junge Menschen, wenn sie nach ihren Lebensplänen gefragt werden, in der Regel stets mit deutlicher Mehrheit angeben, dass für sie Kinder dazu gehören. Und die ZEIT geht sogar noch weiter, wenn sie fordert: „Hier, und nur hier, liegt die Aufgabe aktiver Familienpolitik: Sie muss dafür sorgen, dass Frauen und Männer den Mut und die Möglichkeit finden, Kinder in die Welt zu setzen und Familien zu gründen – falls sie es wollen.“ Fast verschämt fügt man noch an: „In welchem Modell auch immer.“
Festgestellt wird zudem, dass die Statistiken, die heterosexuelle Ehen mit Kindern kleinrechnen wollen, irren. Das läge alleine daran, dass Menschen heute länger leben, Witwen und Witwer als alleinlebend eingerechnet werden, dass Kinder schneller ausziehen würden, es also keine Mehrgenerationenfamilien mehr gäbe, Eheschließungen und Geburten viel später stattfänden und die Mobilität der Arbeit viele zu Wochenendehen zwingen würde, ohne dass dadurch die Ehe an sich in Frage gestellt wäre.
Der FAZ-Autor und Blogger Don Alphonso findet da übrigens im Twitter-Format für die Spiegel-Kolumnistin noch deutlich härtere Worte: „Kratze an der SPON-Feministin und finde die sexarbeiterinnenfeindliche Hetzerin.“
Und was wir darüber hinaus nicht vergessen dürfen, der Vorwurf richtet sich natürlich auch an jene homosexuellen „Prostituierten“, die in ihrer nigelnagelneuen Ehe den Part des Schlechterverdienenden ausfüllen mit aller Hingabe und jener Zuwendung, die dem Gewerbe zu eigen ist. Ach, pfui Spinne Frau Stokowski.