Tichys Einblick
Nichts gelernt

Der ewige Antisemitismus

Im toten Winkel der Linken: Antisemitismus, wo „Du Jude!“ zum alltäglichen Schimpfwort geworden ist: An deutschen Schulen mit mehr oder weniger hohen Migrantenanteil mit muslimischen Hintergrund.

© Getty Images

Antisemitismus gehört in Europa zu den ältesten etablierten Formen kollektiven Menschenhasses. Judenfeindlichkeit führte über viele Jahrhunderte hinweg über Verleumdung, Diffamierung, Diskreditierung, Ausgrenzung, Verfolgung und Vertreibung zum Holocaust. Zur fabrikmäßigen Vernichtung von Millionen Menschen, die sich von anderen durch ihr Bekenntnis zu ihrer Religion unterschieden.

Umso erstaunlicher ist es bisweilen, mit welcher Leichtigkeit sich Deutsche in der Gegenwart auf eine jüdisch-christliche Kultur berufen mögen, fast so, als hätte es diesen totalen Bruch mit der Zivilisation nie gegeben. Als wäre die Vernichtung der Juden in Europa nur ein Spuk gewesen.

Nun gehört eine klare Absage jeder Form von Antisemitismus unverbrüchlich zum Gründungsmythos der Bundesrepublik Deutschland. Deshalb allerdings zu behaupten, der Antisemitismus sei verschwunden, kann leider für kein einziges Jahr nach der Stunde Null behauptet werden. Ja, Deutschland bemüht sich. Und eine Anzahl aufmerksamer Nichtregierungsorganisationen und staatliche Behörden trugen seitdem gemeinsam Sorge dafür, dass diese Bemühungen Früchte tragen, dahingehend, dass Antisemiten in ihrem Hass maximal behindert und sanktioniert werden.

Mit der Zuwanderung ab Ende 2015 wurden nun diese privaten und staatlichen Wächter vor eine weitere besondere Herausforderung gestellt, als immer klarer wurde, dass hier ein Antisemitismus nach Europa einwandert, der hier bisher eher eine untergeordnete Rolle spielte: Der Hass gegen den von Islamisten als Erzfeind der arabisch-muslimischen Sache identifizierten Juden und der Hass auf Israel.

Kaum zu fassen ist, was der aus dem Iran stammende Jude Arye Sharuz Shalicar in seinem Buch „Der neu-deutsche Antisemit. Gehören Juden heute zu Deutschland? Eine persönliche Analyse“, Hentrich & Hentrich Verlag Berlin, über sein Leben als Jude in Berlin aufgeschrieben hat, wenn der Cicero schreibt:

„Dort begann für ihn ein Leben in der Hölle. Wenn er erzählt, wie das war, als sich mitten in Deutschland ein islamisch getriebener Judenhass in ganzen Stadtvierteln ausbreitete.“

Gut in Erinnerung ist auch der Gürtelangriff auf einen Kippaträger mitten in Berlin geblieben und das Verbrennen einer israelischen Flagge aus einer Gruppe Muslime heraus.

Das sind die Vorgeschichten hin zu einer Diskussion im niedersächsischen Landtag, maßgeblich zurückzuführen auf das Engagement der grünen Julia Hamburg, die sich wohl auf die Beobachtung antisemitischer Untriebe spezialisiert hat. Vornehmlich allerdings auf solche, die von Rechts kommen. Die Schwierigkeit, auch muslimischen Antisemitismus zu benennen, ist schnell erklärt: Wenn das Asylrecht eine Reaktion auf die Nazizeit ist, wo sich Menschen verstecken und in anderen Ländern oft vergeblich Asyl suchten, dann ist es verstörend, wenn es solche Asylsuchenden gibt, die gleichzeitig Antisemiten sind und diesen Antisemitismus mit nach Deutschland bringen.

Eine Parlamentsanfrage der Grünen in Niedersachsen wurde nun dahingehend beantwortet, dass es bislang in Niedersachsen in der ersten Hälfte des Jahres vier Straftaten gegen jüdische Einrichtungen gegeben hätte. Davon drei Mal „Hasskriminalität antisemitisch“ alleine in Braunschweig. Für Frau Hamburg Indiz dafür: „Der Hotspot ist Braunschweig.“ Sie findet es bezeichnend, dass „wir bereits im ersten Halbjahr 2018 halb so viele Straftaten in dem Bereich haben, wie 2016/17 zusammen.“ Da muss man nachrechnen: Wenn es also im ersten Halbjahr 2018 vier Straftaten gab und diese nun halb so viele sind, wie 2016/17 zusammen, dann wären das rechnerisch acht in den vier Halbjahren 2017/18?

Nun ist es schwer – und es fiel auch dem Landtag offensichtlich sehr schwer – Antisemitismus qualitativ nach der Schwere ihrer Ausprägung zu sortieren: Denn wer „Wehret den Anfängen!“ sagt, kann das kleinste Vorkommnis nicht bagatellisieren. Kann es hier also so etwas, wie eine Überreaktion überhaupt geben, dann, wenn die Delikte in Braunschweig laut Auskunft der Polizei folgende sind: „auf Stolpersteine geklebte Spuckies mit rechtsextremen Hintergrund“. Spuckies sind schwer ablösbare Aufkleber mit einer speziellen Klebeschicht – sehr beliebt bei Extremisten aller Couleur und vielfach im Stadtbild zu finden an Straßenschildern und Hydranten. Es wurden in Braunschweig in der ersten Hälfte 2018 demnach zwei Mal Nazi-Spuckies geklebt und einmal an einer Gedenkstätte Graffiti gesprüht mit klarem Hinweis auf den rechtsextremen Hintergrund („NS!“).

Diese Fälle landeten nun im Niedersächsischen Landtag. Von Seiten der Grünen gestand man zwar ein, dass diese Straftaten „auf einem nicht so hohen Niveau“ angesiedelt seien, es gäbe aber eine hohe Dunkelziffer. Aber von was? Von Antisemitismus oder bezogen auf die Quantität und Dichte weiterer noch nicht gemeldeter Nazi-Spuckies?

Julia Hamburg forderte im Landtag vor dem Hintergrund genannter Straftaten „einen wachsameren Blick auf die rechtsextreme Szene“ speziell in Braunschweig. Die Braunschweiger Zeitung zitierte die Grüne weiter: „Der stark vernetzten und aktiven Szene in Braunschweig ist offensichtlich noch nicht ausreichend Einhalt geboten worden.“ Und um einen aktuellen Bezug herzustellen zum großen Ganzen wusste Julia Hamburg dem Landtag weiter zu berichten, „dass es vor allem Braunschweiger Nazis waren, die aus Niedersachsen nach Chemnitz gefahren sind.“

Nun können Julia Hamburg und Co auch auf eine Erfolgsgeschichte zurückblicken: Für eine bessere Extremismusprävention hatte Niedersachsen schon 2014 eine Stelle beim Landeskriminalamt eingerichtet und 2017 trat dann noch eine „Rahmenkonzeption gegen rechtsmotivierte Straftaten in Kraft“.

An der eigentlichen Forderung der Grünen vor dem Landtag wird allerdings auch schnell klar, dass man bestimmte Probleme auch ganz basisch angehen könnte und weniger ideologisch. Nämlich mit dem Putzeimer und der Bürste, wen Hamburg fordert, Graffitis und Spuckies zukünftig schneller zu entfernen. Und warum nicht eine Überwachungskamera vor der in Braunschweig offenen und frei zugänglichen Gedenkstätte Schillstraße installieren?

Und bitte zukünftig beide Augen offen halten, besonders dann, wenn es um zugewanderten Antisemitismus geht, den Juden in Deutschland in 2017 gegenüber der WELT aus dem ganz realen Erleben folgendermaßen beschrieben: „Experten belegen dies durch Umfragen unter Juden in Deutschland, von denen acht Prozent angaben, Angehörige oder Bekannte seien „in den letzten zwölf Monaten“ körperlich attackiert worden. „Besonders häufig wurden muslimische Personen als Täter angegeben: 48 Prozent der verdeckten Andeutungen, 62 Prozent der Beleidigungen und 81 Prozent der körperlichen Angriffe gingen nach dieser Einschätzung von muslimischen Personen aus.“

Auch Benjamin Steinitz, Leiter der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) in Berlin bemerkte damals, es gebe eine „Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der Betroffenen von antisemitischen Angriffen, Beleidigungen und Beschimpfungen und den polizeilichen Statistiken“ Der Artikel kam damals zum Schluss, der islamistische Anteil an antisemitischen Delikten in Polizeistatistiken werde „offenkundig unterbewertet“.

Nun spricht nichts dagegen, Nazi-Spuckies und Schmiererien unverzüglich zu entfernen und offen zugängliche Gedenkstätten besser zu überwachen. Allerdings scheint es mindestens effektiv zu sein, Antisemitismus auch dort zur Strecke zu bringen, wo „Du Jude!“ schon zum alltäglichen Schimpfwort geworden ist: An deutschen Schulen mit mehr oder weniger hohen Migrantenanteil mit muslimischen Hintergrund.

Interessanterweise übrigens geben hier nicht repräsentativ befragte Jugendliche grinsend an, sie hätten diese Beschimpfungen teilweise aus amerikanischen Zeichentrickserien wie „South Park“ oder family guy“. Also noch ein weites Feld für eine genauere Analyse der Ursachen für Antisemitismus mitten in Deutschland.

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