Gut, Miosga ist nicht Slomka, tagesthemen sind nicht das heute journal. Wer willens ist, der erkennt die Nuance. Aber macht das wirklich noch einen Unterschied?
Wie sehr hier eine undifferenzierte Frontalopposition gegenüber beiden Flagschiffen der zwangsfinanzierten Öffentlich-Rechtlichen angebracht erscheint, führte diesmal Caren Miosga vor, die mitunter ein Mü weniger anstrengend erscheint in ihrem Opportunismus und ihrer Parteilichkeit, als etwa Marietta Slomka, die ihren Haltungsjournalismus weniger gut verbergen kann.
Die Saat der AfD, so Miosga, „geht vor allem dort auf, wo Bienen und Blumen nicht die allergrößte Rolle spielen, sondern vor allem die Angst um Job und Perspektive.“ Bevor die in Hannover geborene und aufgewachsene Bundesvorsitzende der Grünen, bevor Annalena Baerbock öffentlich-rechtliche Aufholwerbung machen darf, folgt noch ein Bericht über die Sorgen und Nöte der Brandenburger quasi als Ouvertüre und Einstimmung hin zur grünen Spitzenkandidatin. Geflüsterte Zwischenfrage: War der Terminkalender des grünen Zugpferdes Robert Habeck zu voll?
Ein erdiger Brandenburger erklärt, man wäre nicht rechtspopulistisch, man hätte hier nur keinen Bock mehr auf die leeren Versprechungen der Etablierten. Dann darf der Ministerpräsident schwärmen, wie gut es Brandenburg gehe, das in seiner Geschichte noch nie so gut dagestanden hätte. Der Brandenburger hört es sicher mit Verwunderung.
Eine Brandenburgerin darf schwärmen, was die Grünen doch für „gute Sachen vertreten im Gegensatz dazu, was hier sonst so gewählt wird.“ Die Grünen gleichauf mit SPD und CDU, die AfD knapp vorne, weiß wieder die Offstimme zu ergänzen.
Dann wird die Hannoveranerin von Miosga flugs als Brandenburgerin verkauft, gut, sie ist eingeheiratet, hat hier schon grüne Politik gemacht – jedenfalls den Versuch unternommen, die grüne Bedeutungslosigkeit in den neuen Bundesländern irgendwie weniger bedeutungslos erscheinen zu lassen.
„Was sagen sie dem Kohlekumpel in der Lausitz, dem das Klima schnuppe ist und der nur Angst um seinen Arbeitsplatz hat?“, will Miosga von Baerbock wissen. Baerbock will einen „Energiekonzern der Zukunft“ ohne Kohle, der soll dann die Arbeitsplätze sichern. Und dann sollen die Verkehrsverbindungen besser ausgebaut werden. Damit die dann arbeitslosen Kohle-Ostdeutschen noch schneller ihre verödete Heimat verlassen können?
Nein, Baerbock möchte in diesen strukturschwachen Regionen mit den Leuten ins Gespräch kommen; sie verspricht, dafür zu sorgen, dass auch eine „Hebamme da ist und Busse und Bahnen fahren.“
Miosga fragt: „Gehört es nicht auch zur ganzen Wahrheit, dem Griller beispielsweise zu sagen, dass dann das Nackensteak deutlich teuerer wird und dem Urlauber, dass das Billigfliegen nach Mallorca so nicht mehr existieren wird?“ Also besser kann man den öffentlich-rechtlichen Blick auf den Osten des Landes kaum noch persiflieren, wenn hier der Griller und der Ballermann-Säufer als Stereotype herhalten müssen. Weiß Miosga überhaupt noch, was sie da redet? Ist das schon böses Kabarett oder sind das noch Nachrichten?
„Wir müssen schauen, wie bleiben die Menschen besser angebunden“, grübelt die grüne Chefin verkehrstechnisch. Ganz Deutschland müsse auf klimaneutrales Wirtschaften umgebaut werden – stampf, stampf mit dem Fuß? Ob dieser ganze Umbau nicht noch mehr Geld aus dem Portemonnaie der Leute ziehen werde, will Miosga wissen und bekommt von Baerbock diese wunderbar kryptische Antwort direkt an der Kostenfrage vorbei: Nein, die CO2-Steuer sei ja kein Ziel an sich. Was für Weisheiten die grüne Politikerin da ganz in weiß parat hat, muss man im Originalzitat genießen:
„Derzeit haben wir es so: Wenn große Stahlkonzerne sagen, sie wollen eigentlich klimaneutralen Stahl produzieren und das rechnet sich aber nicht, dann läuft da irgendwas falsch im Wirtschaftssystem.“
Ja, liebe Annalena Baerbock, dann läuft da was falsch. Kommt sie selber drauf, was das sein könnte? „Klimaschädliches” Wirtschaften soll zukünftig seinen Preis haben, so Baerbock, als gäbe es gar keine Weltwirtschaft, sondern eine kleine nationale Mauschelei und eine Gesellschaft, die sich nach so etwas zurücksehnt wie dem Trabbi, nur das der jetzt mit Batteriefach oder Aufziehfeder daherkommt und mit dem nur noch ganz matt glänzendem VW-Zeichen vorne draufgepappt? Aber die klimafreundlich wirtschaftenden Familien – also die ohne Grill und Ballermann (am Besten die ganz ohne Mann?) – sollen hinhören: Die bekommen nämlich von Annalena Baerbock pro Kopf 100 Euro im Jahr als Energiegeld zurück, das wäre doch Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit in einem.
Und das tagesthemen-Gespräch geht noch weiter: Die Grüne darf sich zu außenpolitischen Themen äußern und dann sogar noch zu einer Regierungsverantwortung auf Bundesebene – was ist das eigentlich, wenn nicht Wahlwerbung pur, aber ohne vorgeschaltete Warnhinweise?
Noch schlimmer geht immer: tagesthemen blendet eine im Magazin der Süddeutschen Zeitung in Hochglanz munter turnende Annalena Baerbock ein, die dort in Shirt und schwarzer Leggins einen Handstand mit – wie nennt man das? – Beinschere macht. Und dazu die Kanzlerinnen-Frage von Miosga: „Formt ihr Körper dazu ein Ypsilon wie „Yes I can?“
Hilfe, nein wirklich, das will keiner wissen. Nein, das will man – Entschuldigung – nicht einmal sehen.
„Da sieht man, dass ich nicht mehr so fit in Form bin, wie zu meinen Trampolin-Zeiten“, kokettiert Baerbock. Hilfe und herrje, jetzt wissen wir auch das, wissen, die Grüne sprang schon einmal der Fitness geschuldet auf der Stelle. Aber ja, wir sind immer noch bei den tagesthemen, aber es droht in Vergessenheit zu geraten. Und es sei auch kein Handstand gewesen, so Baerbock, „sondern ein Radschlag“.
Also kein grüner Ratschlag. Na immerhin, der käme im Osten auch nicht gut an. Und es steht für die Grünen weiter zu befürchten, dass auch so eine massive und allzu offensichtliche Wahlkampfhilfe der Öffentlichen-Rechtlichen für die Partei dort nicht gut ankommt. Eines nämlich hat der Ostdeutsche – also neben Grillen und feste Saufen am Ballermann – auch noch in den Genen: Einen Sensor für staatlich verordneten Blödsinn. Da reagiert er zu Recht allergisch.